Der samoanische Choreograf Lemi Ponifasio ist stolz, nie auf einer Theaterakademie studiert zu haben. Jetzt kommt er nach Österreich
Als Lemi Ponifasio zum ersten Mal in Europa gastierte, bemerkte ein Journalist: „Sie sind der erste Regisseur, den ich treffe, der viel lacht.“ Er antwortete: „Ich will nicht immer so traurig sein wie Pina Bausch.“ Der Journalist soll etwas verschnupft reagiert haben, berichtet Ponifasio heiter, denn: „Pina Bausch war Gott.“
Die schelmische Respektlosigkeit gegenüber allem, was in der westlichen Elite als Kanon gilt, ist das Kapital von Salā Lemi Ponifasio, Jahrgang 1964. Als Mensch von der anderen Seite der Erde, der in einem Dorf des pazifischen Inselstaats Samoa als eines von zehn Kindern geboren wurde, ist er stolz darauf, nie auf einer Theaterakademie nach westlicher Façon studiert zu haben. „Neunzig Prozent der Performances auf der Welt sind nicht mit westlichem Theater zu vergleichen. Es gibt viele verschiedene Formen“, sagt er. Sein neuestes Werk mit dem Titel „Standing In Time“ wird am 20. Mai im Festspielhaus St. Pölten uraufgeführt.
Studiert hat Ponifasio sehr wohl, nämlich Politik und Philosophie in Neuseeland, seinem offiziellen Wohnort. Aufgrund des turbulenten Tourneelebens hält er sich freilich weder hier besonders viel auf noch in seinem Geburtsland Samoa, wo er den Status eines Salā, eines Oberhaupts bekleidet. 1995 gründete Ponifasio zusammen mit der Lichtdesignerin Helen Todd die Tanzkompanie MAU. Doch erst seit Ende des letzten Jahrzehnts mischt er mit seinen bildmächtigen Choreografien die Festivals und Institutionen in Europa auf. Dahinter steckt eine bestimmte Absicht: „Ich will zu den Kaisern sprechen. In Europa wird immer noch entschieden, wer wir sind. Daher finde ich es richtig schön, hierher zu kommen, mit den Göttern eures Theaters und den Göttern eures Intellekts an einem Tisch zu sitzen und zu verhandeln, wie das Leben weitergeht.“
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