Der bildende Künstler Tianzhuo Chen zeigt bei den Festwochen erstmals eine Arbeit im Theater
Die Wiener Festwochen bewegen sich unter der neuen Leitung von Tomas Zierhofer-Kin von Theater und Oper in einen unerforschten Kosmos des Interdisziplinären. Das beste Beispiel dafür ist der 1985 geborene chinesische Künstler Tianzhuo Chen, der die Eröffnungsproduktion bestreitet. Der ursprünglich bildende Künstler lässt in einer rhythmisch unterlegten Bilderflut Menschen unterschiedlichster Disziplinen und Herkünfte aufeinanderprallen, eine Biwa-Spielerin, die Schweizer Musikerin Aïsha Devi, Performer aus China, Afrika und der Pariser Fashion-Party-Szene, aber auch lokal gecastete Statisten. Bisher hat Chen „Ishvara“ in Galerien und Clubs gezeigt. Es ist sein erstes Mal im Theater.
Falter: Was bedeutet denn „Ishvara“, Herr Chen?
Tianzhuo Chen: Im Hinduismus ist Ishvara ein anderer Name für den Gott Shiva. Im Buddhismus heißt so der Ort, an den man nach dem Tod kommt.
Wird es in Ihrer Performance also so sein, als wäre man gerade gestorben?
Chen: Ja, es geht um meinen persönlichen Blick auf Tod und Reinkarnation. Ich bin Buddhist in meinem Denken. Gleichzeitig lebe ich ein sehr modernes Leben. In „Ishvara“ versuche ich, diesen Widerspruch greifbar zu machen: Die Ernsthaftigkeit gebietet einem, sich so und so zu verhalten, aber das Leben und die eigenen Wünsche drängen einen in eine andere Richtung.
Das Bühnenbild von „Ishvara“ besteht aus Ihren Kunstwerken, die aus China nach Wien transportiert werden. Haben Sie Sorge, dass etwas kaputtgeht?
Chen: Nein, das ist mir egal. Wenn etwas zu perfekt ist, ist es wie tot. Ein kaputtes Werk hat eine gewisse Schönheit. Im Zuge meiner Performances lasse ich meine Stücke immer zerstören, das ist lebendiger als eine perfekte Skulptur im White Cube einer Galerie aufzustellen.
Ist Ihnen bewusst, dass auch dezidierte Opernliebhaber in der Aufführung sitzen werden?
Chen: Das ist sehr interessant. Man könnte meine Arbeit als Oper ansehen, aber auch als Clubbing. Es ist gänzlich unvorhersehbar, das macht es für mich so interessant. Die Leute sehen nicht das, was sie sonst im Theater gewohnt sind.
„Ishvara“ bringt viele verschiedene Performer aus unterschiedlichsten Teilen der Welt zusammen. Wo haben sie die alle gefunden?
Chen: Mit den meisten war ich schon befreundet, bevor ich an der Performance gearbeitet habe. Andere sind im Nachhinein an mich herangetreten, weil sie sich angesprochen fühlten. Man lernt ja schnell Leute kennen: Sobald man auf Instagram oder Facebook feststellt, dass jemand ähnliche Ideen und eine ähnliche Ästhetik hat, kann man sich anfreunden.
Die Festwochen beschreiben Sie als den Querulanten der chinesischen Kunstszene. Stimmen Sie dieser Beschreibung zu?
Chen: Ja, ich habe viele Hater in der Kunstszene, die nix mit mir anfangen können. Sie finden, ich mache etwas für eine zukünftige Generation. Insofern habe ich schon eher eine umstrittene Position. In Peking hatten wir mit „Ishvara“ die perfekte Mischung zwischen wohlwollender Aufnahme und „What the fuck is he doing?“.
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