Città del Vaticano – Falk Richters und Nir de Volffs Beichtgang-Phantasie am Schauspielhaus Wien im Rahmen der Festwochen
Wien, 20. Mai 2016. Der Vatikan ist der kleinste Staat der Welt, es wurde noch nie ein Mensch dort geboren, und Joseph Ratzinger zum Gesicht einer Weltreligion zu ernennen, war eine fragwürdige Entscheidung, nicht zuletzt, weil dieses Gesicht so hässlich ist. Der IS kommt besser an, weil er geilere Revoluzzer hat und auch Frauen mitmachen dürfen.
Gleich in den ersten Minuten werden solch naheliegenden Basics abgehandelt in dem Abend, der "Città del Vaticano" heißt, dann folgen etwas Tanz, etwas Wut und viel Menschliches. Für seine erste Arbeit am Schauspielhaus Wien hat Falk Richter sich wieder Nir de Volff an die Seite geholt. Der Choreograf steuert Soli und Gruppentanzszenen von ästhetisch ansprechender Selbstvergessenheit bei, der Autor Monologe, die den Zustand Europas rasant und so zeitgemäß zusammenfassen, dass man sie schon nach der morgigen Präsidentenwahl in Österreich leicht wird überarbeiten müssen.
Das erwartet man von Falk Richter. Untypisch für ihn drängt sich hier aber eine dritte Ebene in den Vordergrund: die persönliche. Auf der praktisch leeren Bühne stehen zwei Ensemblemitglieder und fünf internationale Performende, die auf der Venediger Biennale gecastet wurden. Tatjana Pessoa in einer Art Moderatorinnenrolle stellt den anderen die Forschungsfrage: Prägt uns Religion überhaupt noch? Ergebnis: Steffen Link kann als Einziger biografische Bezüge vorweisen, weil er in einer freichristlichen Gemeinde aufwuchs und selbst jetzt noch Jesus ihm nie ganz von der Pelle rückt. Bei den anderen sieht es eher so aus: "Gabriel, does the Vatican affect your life?" ... "No." Daraufhin spricht man lieber über Beziehung, Körper und Identität. Und tanzt.