SS-Mann und Schriftsteller George Brecht befahl die Ermordung tausender Menschen. Sein Enkel Timo Kerstin machte aus der Biografie Erbrechts eine Performance
„Dein Großvater war ranghoher Nazi und überzeugter Rassist.“ Für die meisten eine verstörende Information. Ist man jedoch wie Timo Krstin Teil eines Performance-Kollektivs, das sich bevorzugt mit historischen Themen im Spiegel der Gegenwart auseinandersetzt, kann einem die familiäre Belastung sogar gelegen kommen.
Mit der performativen Recherche zur Nazivergangenheit der eigenen Familie erfüllt sich der 1980 geborene Krstin einen länger gehegten Wunsch. Zusammen mit Lukas Sander und Liliane Koch bildet er die in Zürich angesiedelte freie Gruppe K.U.R.S.K. Neben „Performances im öffentlichen Raum, gespielten Gedichten und nächtelangen Ekstasen“, wie es in der Selbstbeschreibung heißt, machen K.U.R.S.K. auch dokumentarische Stückentwicklungen. Im Rahmen des alle zwei Jahre ausgetragenen Festivals Freischwimmer touren sie mit ihrem neuen Stück „Leopardenmorde“ durch den deutschsprachigen Raum.
Es ist ein Versuch, die Biografie und Ideologie des besagten Großvaters George Ebrecht im Lichte heutiger Hetzreden und Hassstrategien zu beleuchten. Demgegenüber reflektiert die Gruppe auch ihren eigenen – linken – Aktivismus und wirft die Frage auf, wie das Streben nach künstlerischer und politischer Erfüllung zusammengeht. Oder, wie Krstin es im Falter-Gespräch zusammenfasst: „Wie viel steckt von meinem Großvater noch in mir?“
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