Gift in der Marienstatue
Wien, 27. Februar 2015. Das Dorf selbst ist hier die Hauptfigur, sagt der Regisseur. Hier inmitten von Kukuruzstengeln und selbst gebranntem Schnaps, wo umgehend die Kirchenglocken läuten, sobald jemand nur laut genug ruft, dass jemand anderer gestorben ist. Und es ist schon wieder einer gestorben. Wieder ein Mann, wieder ein Reicher und wieder ein "Beweibter", das fällt langsam auf.
In Silberbuchstaben steht 2015 als Sterbedatum auf dem Sarg, aber das ist eine milde Lüge, ein netter Versuch. Abgesehen von bauchfreien Tops und farbenfrohen Trainingshosen der Unterschichtbevölkerung kann nichts dieses Stück ins Heute retten, das der Ungar Háy Gyula unter dem Namen Julius Hay in den Dreißigern in Wien auf Deutsch schrieb.
Regisseur Róbert Alföldi hat für seine Inszenierung von "Haben" am Wiener Volkstheater die meisten politischen Anspielungen des glühenden Kommunisten Hay gestrichen. Übrig von dem Werk, über das Feuchtwanger und Brecht einst stritten, ob es die wahre Inkarnation des Marxismus sei, ist eine Telenovela in knapp drei Stunden, deren Plot einem die Tränen in die Augen treibt: Armes Mädchen Mari liebt jungen Polizisten Dani, heiratet aber, weil schwanger, übergewichtigen alten Nachbarn mit schwindsüchtiger Tochter, vergiftet ihn nach nicht vollzogener Hochzeitsnacht und tötet, weil die Stieftochter ihr auf die Schliche kommt, auch diese. Eine letzte gar tragische Wendung fügte Alföldi am Ende selbst hinzu: Anstatt Mari einfach zu verhaften, als sie die Morde gesteht, erwürgt sie der bisher so karrierebewusste Dani.