Wann, wenn nicht jetzt Wolf Haas dafür schelten, dass er wider die eigene Ankündigung seine Brenner-Reihe auch nach dem sechsten Buch fortsetzte? Wer seine erfolgreiche Buchserie von vornherein begrenzt (siehe Harry Potter) und dann doch noch fortsetzt, setzt sich dem Verdacht der Geld- oder Ruhmgier aus (siehe Arthur Conan Doyle). Also: Böser Wolf!
Und jetzt ist es auch schon zum zweiten Mal passiert. „Brennerova“, der heute erscheint, ist bereits der achte Krimi rund um Ex-Cop Simon Brenner. Und es wird nicht der letzte bleiben, wie das überraschend offene Ende verspricht. Hoffentlich, muss man dann schon fast wieder sagen, denn Wolf Haas hat offenbar „Sherlock“ oder ähnliche neue TV-Serien mit ihren Plottwists und Cliffhangern gesehen, die die Zuseher am Staffelende mit quälend offenen Fragen in die Ferien schicken, und er hat sich gedacht: Das kann ich auch. Ob dieses Konzept bei der sicherlich treuen Fangemeinde ankommt, ist fraglich. Liest man die Brenner-Romane wirklich wegen ihres süchtig machenden Seriencharakters? Ist einem das das wert, sich jetzt emotional hineinzuschmeißen in die ewig fiebrige Wartezeit auf das Weitere? Bildet sich demnächst etwa die große Nemesis heraus, die dem Brenner Rache schwört und alle weiteren Fälle überschattet? Oder ist Wolf Haas wirklich so unkonventionell, dass er jetzt doch mittendrin aufhört und sich nicht schert um Fortsetzungsdramaturgien? Quasi Brenner over?
Es hätte schon was, denn, das muss man als alter Bewunderer schon sagen dürfen: Neu erfunden hat sich Wolf Haas auch in „Brennerova“ nicht. Die frühen Brenner, besonders „Auferstehung der Toten“, „Knochenmann“ und „Silentium!“ vibrierten noch von Buch zu Buch mit Überraschungen: sprachlich, aber auch was die Figuren und – nicht zu vernachlässigen – die Raffinesse des Krimiplots betrifft. Und dann die Metaliebesgeschichte „Das Wetter vor 15 Jahren“ nach dem angeblichen Ende der Brenner-Reihe: eine neue formale Virtuosität!
Witzig ist sie eh und durchaus unterhaltsam dahingeschrieben, die Brennerova-Geschichte mit dem Tätowierer und der russischen Dating-Website und der spirituellen Wanderschaft in die Mongolei. Aber diese mit dem althergebrachten „Weil ob du es glaubst oder nicht“ eingeleiteten Sätze versprechen oft mehr und Existenzielleres als dann darauf folgt. Es sei Wolf Haas ja gegönnt. Er hat einen unvergleichlichen Stil erfunden, mit dem er, der kreative Kopf, ganz leicht noch viele Geschichten wird basteln können. Er hat ausgesorgt, und er hat es verdient. Es ist halt nur immer so schade, wenn die Bob Dylans dieser Welt dann plötzlich doch ein Weihnachtsalbum aufnehmen. Na, vielleicht kommt ja noch was.