Hansjörg Schneider gilt als einer der wichtigsten lebenden Dramatiker der Schweiz. Grund dafür ist die erotische Gruselfarce „Sennentuntschi“, die er vor mehr als einem halben Jahrhundert im Dialekt schrieb. Jetzt kommt das Frühwerk des heute 86-Jährigen bei Diogenes neu heraus.
Das Cover dieses Buches darf man möglicherweise nicht auf Instagram posten. Das darauf wiedergegebene Gemälde „Marcella“ von Ernst Ludwig Kirchner könnte gegen die Gemeinschaftsrichtlinien des sozialen Netzwerks verstoßen. Es zeigt eine Person, die bis auf eine weiße Schleife im Haar nichts anhat und zwar weiblich gelesen wird, aber eine vollkommen flache Brust zu haben scheint. Doch nicht gar ein Kind?
Derart auf Empörung eingestimmt, fällt es vielleicht leichter, sich vorzustellen, welchen Skandal der Inhalt des erwähnten Buches ausgelöst hat, zumindest ein Teil davon. Die reine Lektüre des in zwei Versionen abgedruckten Dramas „Sennentuntschi“ und zweier früher Kurzgeschichten von Hansjörg Schneider erzeugt freilich bloß Kopfschütteln im Hinblick darauf, was der Autor und sein Theaterstück 1972 und vor allem 1981 in der Schweiz auslösten.
Der Reihe nach: Hansjörg Schneider, geboren 1938 in Aarau, arbeitete als Regieassistent am Theater Basel unter dem legendären Intendanten Werner Düggelin, der dort kräftig umrührte. Er öffnete das Haus für Diskussionsveranstaltungen und Popkonzerte und spielte vor allem zahlreiche Uraufführungen und Schweizer Erstaufführungen, insbesondere den Schweizer Dramatiker schlechthin, Friedrich Dürrenmatt.
Düggelins Chefdramaturg war Österreicher: Hermann Beil sollte später zu einem noch berühmteren Intendanten wechseln und mit Claus Peymann in Stuttgart, Bochum und daheim, am Wiener Burgtheater, deutschsprachige Bühnengeschichte schreiben. In Basel jedoch fremdelte er mit dem lokalen Dialekt und lehnte daher ab, als ihm Hansjörg Schneider, Mitarbeiter im szenischen Dienst, sein erstes selbst geschriebenes Theaterstück vorlegte: „Sennentuntschi“ war durchwegs im alpinen Schwyzerdütsch verfasst.
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