Twilight Light
Tobias Moretti hat „den Gasgriff in der Hand“ und gibt Vollgas in Fernsehen und Kino. Dabei hat er auch Zeit für schrullige Komödien wie „Der Vampir auf der Couch“ – und fürs Theater
Als ob er sich erst vorstellen müsste. „Moretti, Tobias“, streckt er die Hand aus und stellt sich auf ein neues Sprachregister ein. Gerade noch hat er mit einem Tiroler Kollegen geplaudert, einem Landsmann. Mit ihm konnte er krachend und schelmisch grinsend über Kellnerinnen in der Heimat herziehen, die „lecker“ und „Schorle“ sagen und denen er deshalb mit dem „Schistockch“ drohen musste. Er ist gut aufgelegt, jener Mann, vor dem sie sich am Set ein bisschen fürchten. Sie sagen, er sei immer streng konzentriert und kaum ansprechbar. „Ja, wenn man viel gleichzeitig macht, muss man sich schützen, ganz bei sich sein und die Dinge eher verlangsamen. Sodass man selbst den Gasgriff in der Hand hat und nicht umgekehrt“, so Moretti. Aber er hat auch seine Maskenbildnerin dabei und umgibt sich mit einer Aura der Wichtigkeit, dieser unser Filmstar Nummer 1 (wenn man von Christoph Waltz mal absieht). Und er will reden, hätte gerne viel Zeit für Gespräche, bei denen er ebenfalls den Gasgriff in der Hand hat.
Aber es ist keine Zeit. Tobias Moretti ist ein vielbeschäftigter Mann. Der 55-jährige ist in unseren Breiten gerade präsenter als Nicole Kidman in ihren aktivsten Zeiten. Er ist öfter auf Leinwänden und Bildschirmen als der Bundeskanzler, er spielt überall mit. „„Ich kenn mich gerade nicht so gut aus, wegen der vielen Premieren“, gibt er selber zu. Der WIENER trifft ihn in Wien am Tag nach der Ausstrahlung des ZDF-Historienfilms „Das Zeugenhaus“, während in Deutschland der Kinofilm „Hirngespinster“ an-, die Himmler-Doku „Der Anständige“ ausläuft und die Pressearbeit für die Wolf-Haas-Verfilmung „Das ewige Leben“ (5. März) in vollem Gange ist. Und natürlich in dem Jahr, da er für den Sensationserfolg „Das finstere Tal“ den Deutschen Filmpreis als bester Schauspieler eingeheimst hat, womit er Hollywoods Sam Riley in der Hauptrolle deutlich den Rang ablief.
Neues Genre: Die Freud-Story
Dabei sind wir aus einem ganz anderen Grund hier: noch ein Film. Ein gar ungewöhnlicher österreichischer Film, der vor Weihnachten startet und neben den anderen Moretti-Vehikeln unterzugehen droht. Und das, obwohl „Der Vampir auf der Couch“ gleich zwei aktuell äußerst beliebten Genres huldigt, wie der Titel schon andeutet. Einmal dem Vampirfilm, einem Hype, der an Moretti freilich eher vorübergegangen ist. Er habe nur davon gehört, denn: „Zuerst hat meine Agentin mir deshalb abgeraten, aber dieses Projekt war doch zu verführerisch.“ Vom Ton her ist die Arbeit von David Ruehm auch völlig anders. „Eine poetische Etüde, die sich nicht so ernst nimmt, auch nicht in ihrer filmischen Wichtigkeit, und deshalb so reizvoll.“ Ein „Twilight light“ sozusagen, farbenfroh, liebenswert und komisch.
Das zweite Genre ist nicht eigentlich ein Genre, sondern ein interessantes Phänomen der Gegenwart: die Sigmund-Freud-Story, worin der Vater der Psychoanalyse in biografischen oder fiktiven Geschichten als Figur eingesetzt wird. Herbert Föttinger spielt ihn gerade in der Josefstadt, Viggo Mortensen war er im Kino, Gustav Mahler lag bei Karl Markovics auf der Couch, und Robert Seethalers Roman „Der Trafikant“ wird 2015 verfilmt. Wann kommt Tobias Moretti als Freud? „Hoffentlich nie, denn nach unserem Film wird jeder wissen, dass Charlie Fischer der Richtige ist!“
Erbärmliche Kleinbürgerutopie
Eine Freud ist es wirklich: Karl Fischer bietet als etwas älterer, leicht verpeilter, aber gutmütiger Herr Professor in einem Wien von gestern dem Vampir Tobias Moretti die Couch. Der begibt sich in Therapie, weil er seine Frau nicht mehr aushält, mit der er seit 400 Jahren verheiratet ist. „Eine Horrorvorstellung!“, sagt Moretti, selbst immerhin seit 17 Jahren unter der Haube. „Bei so vielen Metaphern überschlagen sich die Synapsen. Natürlich betrifft uns das sehr in einem Zeitalter der niederoperierten Untoten. Diese verkleinerte Vorstellung der Menschheit: alles behalten zu wollen, was man geschaffen hat. Der Vampir hat ein ganz anderes Problem: Der will nicht mehr, die Welt langweilt ihn. Es ist das Gegenteil der erbärmlichen Kleinbürgerutopie der heutigen Zeit, in der niemand altern will wollen und lieber operierte Fratzen vor sich hin trägt.“
Die Vampirella, gespielt von Jeanette Hain – „Mit ihr konnte ich von Anfang an perfekt Pingpong spielen“ –, sieht sich nicht im Spiegel und fordert daher Tag für Tag von ihrem Gatten Bestätigungen ihrer Schönheit. Der Professor schlägt vor, den Maler (Dominic Oley), den er immer die Träume seiner Patienten abbilden lässt, zu aktivieren, auf dass er die Vampirin male – als Spiegelbildersatz. Die kecke Freundin des Malers wiederum (Cornelia Ivancan) erweckt in Morettis Figur Erinnerungen an eine alte Liebe.
Der Film wurde mit drei Millionen Euro produziert und hebt sich mit seinen technischen Effekten und der kabarettlosen Leichtigkeit seines Humors gegenüber allem ab, was in Österreich sonst so entsteht. Der Fantasy-Plot erlaubt es Moretti, ein bisschen zu overacten, und da es der hochkonzentrierte Moretti ist, verschärft er eh nur ganz leicht seine Züge, blitzt nur schwach der Schalk in seinen Augen auf, so wie jetzt beim Interview. „Ich hatte den Vampir eher als Supporting Character angesehen, dann ist er doch zur Hauptrolle geworden.
Ob seine rege Tätigkeit in Zukunft so weitergeht – Moretti ist Landwirt, Rallyefahrer, Opernregisseur, Schauspieler, Präsident des internationalen Sportrodelverbands (!), Ehemann und mindestens dreifacher Vater – und welche Rollen er noch spielen könnte, darüber hat er noch nie nachgedacht, sagt er. „Ich versuche, mit meinem Anspruch keine Sammlertätigkeit zu verbinden oder zu verflechten. Die Dinge passieren mir.“ Er weiß nur, dass er alle paar Jahre auch Theater spielen muss. „Es ist nicht leicht, in den Flammenreif zu springen. Aber es ist eine Grundbedingung, überhaupt filmen zu können. Ich habe meinen Beruf immer vom Theater aus definiert. Das Theater ist mein Spiegel.“ So war er das Aushängeschild der Eröffnungsinszenierung von Burgtheater-Intendant Matthias Hartmann 2009 als Faust und wenig später bei jener von Hartmanns schärfstem Konkurrenten Martin Kušej am Münchner Residenztheater. Fragen nach Hartmann weicht er aber sichtlich unrund aus: Die Arbeit am ,Faust‘ sei sehr schwierig gewesen, ist die Essenz seiner Antwort.
Der „Faust“ im Nacken
Martin Kušej hat gerade selbst einen gefeierten „Faust“ in München herausgebracht, in den Moretti, wie er sagt, sich schon hineingewünscht hätte. Jetzt, wo Hartmann weg ist, lässt sich ja vielleicht auch Kušej wieder in Wien blicken. Vielleicht ja mit einem streng konzentrierten Tobias Moretti in der Hauptrolle. Viel zu schnell endet die vielfältige Unterhaltung, in der eines freilich gar nicht zur Sprache gekommen ist: Weiß noch wer, wie Moretti so berühmt wurde? Genau, „Kommissar Rex“. Den Cop mit Hund hat er mit zahlreichen Prestige-Projekten vampirhafte 400 Jahre hinter sich gelassen.
FILMISCHES
SZENEN EINER EHE
– DIE SCHON SEIT 400 JAHREN ANHÄLT
DER VAMPIR AUF DER COUCH. David Ruehm ist Fotograf und Werbefilmer. Und bisweilen Kinoregisseur. Mit seinem ersten Spielfilm „Die Flucht“ war er in Cannes eingeladen, seit „El Chicko – Der Verdacht“ (1997) ist diese liebevolle Geschichte aber sein erster großer Kinofilm. Eine klassische Vierecksgeschichte, könnte man sagen, wäre nicht eines der beteiligten Paare untot und somit zu Tode gelangweilt. Der kurzweilige Weihnachtsfilm besticht durch seine starken Farben und dadurch, dass er – obwohl voll im Vampir-Hype – so ganz aus der Zeit fällt. Filmstart: 19.12.