Isaak Babel und sein vielfältiges Werk: Höchst unterschiedliche Textsorten aus dem Werk des Kurzprosa-Meisters Isaak Babel finden sich im sorgfältig kompilierten Sammelband „Wandernde Sterne“.
Nein, man kann Isaak Babel nicht wirklich als ukrainischen Schriftsteller bezeichnen. Aber er wurde in Odessa geboren und schrieb viel über die heute ukrainische Millionenstadt, griff als Stilmittel immer wieder auf die ukrainische Sprache zurück. Schon damals 1894 war die Stadt am Schwarzen Meer eine Vielvölkermetropole, gehörte dem russischen Zarenreich an und prägte den jungen Babel sehr. Es kann jedenfalls kein Fehler sein, sich in den Wirren des Jahres 2022 mit dem vielfältigen Sprachkünstler und Kriegschronisten zu beschäftigen.
Der Hanser Verlag tut es mit besonderer Sorgfalt. 2014 brachten Urs Heftrich und Bettina Kaibach eine Sammelausgabe der Kurzprosa heraus, für die Babel am bekanntesten ist. In ihrem Folgeband „Wandernde Sterne“ sind nun jene Arbeiten des Schriftstellers versammelt, die nicht unter dem Label „Kurzgeschichte“ oder „Erzählung“ zusammengefasst werden können: vor allem Dramen, Drehbücher, Reisetagebücher, Reportagen und Reden. Was nicht schon in deutschen Übersetzungen des bedeutenden Russisch-Experten Peter Urban vorhanden war, wurde von Bettina Kaibach übersetzt – sogar das Drama „Marija“, das bereits vor zehn Jahren vom Regieteam einer Inszenierung am Düsseldorfer Schauspielhaus eingedeutscht wurde.
Ein Anhang von stolzen, aber keineswegs schwafelnden 100 Seiten geht auf Prinzipien und Schwierigkeiten der Übersetzung ebenso ein wie auf die Biografie Isaak Emmanuilowitsch Babels, seinen künstlerischen Werdegang – er war ein Protegé Maxim Gorkis – und den Spagat, den er in sowjetischen Zeiten versuchen musste, um als „sozialistischer Schriftsteller“ weiter arbeiten zu dürfen und seiner eigenen kritischen Haltung dabei nicht übermäßig untreu zu werden. Ausgerechnet seiner gerade mal zwei Seiten langen biografischen Selbstbeschreibung etwa – einem literarischen CV sozusagen – ist nach Angaben der Mitherausgeberin nicht so richtig zu trauen.
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