Kai Krösche, Geschäftsführer der ASSITEJ Austria hat mich zu meiner Tätigkeit als Juror für den STELLA-Preis für Theater für junges Publikum 2015 interviewt. Mit dem morgen beginnenden Schäxpir-Festival in Linz erreicht die Sichtungsphase offiziell ihren Endspurt.
Als Theaterkritiker für Medien wie nachtkritik.de und das Magazin WIENER warst Du in der Vergangenheit in erster Linie im Bereich des Theaters für Erwachsene unterwegs. Erforderte die Jurytätigkeit für den STELLA15 ein Umdenken?
Die angenehmste Umstellung war, dass ich als Juror zunächst nicht beschreiben, sondern „nur“ bewerten muss. Die automatische Suchmaschine nach den richtigen Worten im Hirn darf ich also abschalten; die brummt sonst sehr laut, und es ist herrlich, pur und in aller Ruhe einfach zuschauen und zuhören zu können. Was den Unterschied zwischen Theater für junges und nicht so junges Publikum betrifft – der besteht wohl vor allem darin, dass man nicht so leichtfertig mit der Sowas-hab-ich-doch-schon-hundertmal-gesehen-Keule kommen darf. Denn die Zielgruppe ist zwar gewiss nicht dümmer oder anspruchsloser als die Erwachsenen, aber hat eben, weil jung, das meiste am Theater noch nicht hundertmal gesehen. Das macht es den Künstler/innen auf den ersten Blick leichter, Zugang zu ihrem Publikum zu finden, auf den zweiten Blick wird es dadurch aber auch viel schwieriger, originell zu sein. Daher müssen also auch wir, die Jury, viel offener sein und genauer hinschauen, was die Ästhetik betrifft. Es ist erfrischend, dass es insgesamt viel mehr um Themen und Vermittlungsformen geht, als darum, ob Jan Fabre etwas Ende der Achtzigerjahre schon mal viel besser auf den Punkt gebracht hat.
Nach über 100 Premieren in der vergangenen Saison bekommt man einen recht umfassenden Einblick in die österreichische Theaterszene für junges Publikum. Konntest Du Tendenzen, Trends, Themen beobachten, die sich wie ein roter Faden durch Produktionen der Szene zogen?
Schwer zu sagen, weil die über 100 Premieren natürlich insgesamt eine große, große Vielfalt abdecken. Vielleicht gibt es eine Tendenz zum Verspielten, Spielerischen? Sehr beliebt – aber das war, glaube ich, immer schon so – ist das Aufbereiten klassischer Stoffe von Shakespeare oder Schiller für Kinder. Und kaum eine Produktion kommt ohne Musik und/oder Tanz aus. Einen wirklichen roten Faden müsste man freilich ziemlich schlangenlinienartig führen, würde man ihn durch alles durchziehen wollen. Das ist aber auch gut so, sonst wäre unser Job nicht so spannend!
In wenigen Worten: Was macht für Dich „herausragendes“ Theater für junges Publikum aus?
Eine herausragende Produktion überrascht mich, während ich drinnen sitze, regt mindestens eines von Hirn, Herz, Zwerchfell und Gesichtsmuskulatur heftig an und wirkt auch noch später nach. Außerdem möchte ich erkennen, dass alle Beteiligten wissen, was sie tun. Soweit gilt das für Theater allgemein. Speziell auf die Zielgruppe bezogen ragt in meinen Augen Theater heraus, das es schafft, zu (über)fordern, aber auf genüssliche Art und Weise. Viel verlangt, ich weiß!
Martin Thomas Pesl, geboren 1983 in Wien, arbeitet von ebenda aus als Übersetzer, Autor und Kulturjournalist, etwa für das Magazin WIENER und für nachtkritik.de. Zahlreiche Ausflüge in die Theaterpraxis in verschiedensten Funktionen erlauben ihm einen Innenblick im Außenblick.
www.assitej.at