Roboter machen Angst und Hoffnung. Immer häufiger bevölkern sie auch die Theaterbühnen
Schauspielerinnen und Schauspieler fürchten nichts mehr als Kinder und Tiere. Sobald diese die Bühne betreten, sind sie die Stars. Dann hat nicht einmal die größte Virtuosität im Ausdruck eine Chance. In den letzten Jahren ist mit dem Roboter ein weiterer Konkurrent um die Publikumsgunst hinzugekommen. Die automatisch aufkommenden Fragen sind ähnlich: Weiß er, was er tut, und warum? Ist er nicht herzig, wie er da scheinbar alleine im Raum herumfährt? Vor allem aber, schadenfroh: Wie werden die Menschen reagieren, wenn er nicht tut, wie ihm – mittels Programmierung – befohlen wurde?
Je intensiver technologischer Fortschritt und künstliche Intelligenz (KI) diskutiert werden, desto mehr ferngesteuerte Maschinen und künstliche Intelligenzen bevölkern die Bühnen. Zwei Wiener Kunstkollektive haben sich nun zusammengetan und eine Performance ausschließlich für Roboter entwickelt. „Union of Global Artificial Intelligence (U.G.A.I.)“ wird am 17. Jänner im Wuk uraufgeführt. Das Stück zeigt die Jahreshauptversammlung der Gewerkschaft intelligenter Maschinen und Systeme, die hier erstmals auch für Menschen geöffnet ist. Den Vorsitz führt ein Server, zu den Teilnehmenden gehören etwa ein intelligenter Staubsauger und ein 3D-Drucker. Anstelle von Werbeflyern wurden förmliche Einladungen mit der Anschrift „To humans it may concern“ verschickt. Verhandelt werden drängende Themen wie der vom Europäischen Parlament vorgeschlagene Personenstatus für künstliche Intelligenzen (KI) oder das Recht der Maschinen auf Freizeit.
Für Menschen, so Marie-Christin Rissinger von Blind Date, ist der Abend ein „Objekttheaterstück an der Schnittstelle von Performance, Sound und Medienkunst“. Das künstlerische Team wird bei den Aufführungen anwesend sein, um bei Fehlern einzugreifen, sich aber stark im Hintergrund halten. Auf der Bühne haben Menschen nichts zu suchen – doch, einer, aber nur, weil der Botschafter für Health Informatics and Life Support, ein Herzschrittmacher, sonst nicht an der Versammlung teilnehmen könnte. „Der Mensch ist hier nur ein Requisit“, erklärt Klemens Kohlweis. Sein Kollektiv Anulla, das schon Klanginstallationen mit Fritteusen und Popcornmaschinen entworfen hat, zeichnet hauptsächlich für Komposition, Roboterbau und Programmierung verantwortlich, bot aber auch fachliche Beratung. „Beim Lesen des ersten Stückentwurfs hat Anulla an einigen Stellen angemerkt, dass Roboter so etwas nie sagen würden“, schmunzelt Rissinger.
Die Fehlbarkeit der menschlichen Schauspielkunst ist seit Heinrich von Kleists Essay „Über das Marionettentheater“ (1810) ein Quell theatertheoretischer Unzufriedenheit. Laut Kleist ist die Marionette die eleganteste Darstellerin, weil sie nichts will. Versucht jemand, ihre Bewegungen nachzuahmen, sei das nur „Ziererei“. Daran angelehnt träumte Anfang des 20. Jahrhundert der britische Theaterreformer und Szenograf Edward Gordon Craig (1872–1966) von einem Theater, in dem der Schauspieler durch sich hydraulisch im Raum bewegte Kuben oder eine riesige „Über-Marionette“ ersetzt wird. Doch selbst die gelenkte Puppe ist unmittelbar mit ihrer Spielerin verbunden. Weitere hundert Jahre später sind die Fäden der „idealen Performer“ gänzlich unsichtbar geworden.
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