Am 17. Oktober wurde zum achten Mal der STELLA, der jährliche Preis der ASSITEJ AUSTRIA für darstellende Kunst für junges Publikum in Österreich vergeben. Die Zeremonie fand im Tiroler Landestheater Innsbruck statt, nachdem die nominierten Produktionen eingebettet in ein Rahmenprogramm fünf Tage lang einem gutgelaunten Festivalpublikum gezeigt worden waren.
Ich war auch da, denn man hatte mich gefragt, ob ich eine Position in der nationalen Jury für die nächstjährigen Nominierungen übernehmen möchte.
„Aber ich bin kein Experte für Kinder- und Jugendtheater.“
„Genau das finden wir gut.“
„Ich habe so etwas noch nie gemacht.“
„Super.“
So gestaltete sich der Weg zu meiner Zusage.
Nachdem ich also vor allem in Wien schon einige Premieren der beginnenden Saison gesichtet hatte, stieß die Konfrontation mit dem aktuellen Preisprocedere, mit den Protagonisten der Szene und vor allem mit den Vorgängerjurys für mich mit einem Schlag ein neues Universum auf. Ein paar weiße Flecken auf der Wer-wo-mit-wem-und-warum-Landkarte konnte ich ausmalen. Mit meinen Mitjurorinnen aus Vorarlberg und der Steiermark konnte ich mich erstmals umfassend absprechen. Dass ich mir über meine fehlende Kindlichkeit und meine zur Genüge verblasste Jugendlichkeit keine Sorgen in Bezug auf mein Urteilsvermögen machen muss, dämmert mir mittlerweile auch. Theater für junges Publikum ist 2+ oder 4+ oder 13+, aber eigentlich nicht 2–4 oder 13–16, sondern höchstens mal 4–99, was ich auch bei Brettspielen immer schon diskriminierend fand (kein Wunder, wenn Hundertjährige aus dem Fenster steigen und verschwinden). Gutes Theater für junge Menschen ist einfach gutes Theater.
Die nationalen STELLA14-Juroren jedenfalls haben es geschafft, uns durch vorbildliches (um nicht zu sagen streberisches!), teils mehrfaches Sichten einer Rekordzahl von 166 Produktionen und durch eine Auswahl höchst unterschiedlicher Stücke auf hohem Niveau gehörig einzuschüchtern. Je vier Produktionen aus den Kategorien „für Kinder“ und „für Jugendliche“ wurden dann einer internationalen Jury gezeigt, die mich wiederum durch ihre beredte Verschwiegenheit bei Diskussionen vor der Preisvergabe beeindruckte. Bei einem Symposium hielten sie Impulsreferate über Qualitätskriterien am Theater, ohne durchklingen zu lassen, wer denn hier diesen Kriterien entsprochen hatte. Dafür rissen sie Fragen an wie: Was heißt eigentlich „herausragend“? Und: Kommt die Gegenüberstellung von Schauspiel durch ausgebildete Profis und Schauspiel durch gut geführte Jugendliche nicht einem Vergleich von Äpfeln und Birnen gleich?
Das von Tirol und Innsbruck und verschiedenen (faszinierenden!) Spielorten in the middle of nowhere unterstützte Festival mündete dann in der Vergabe des Kinderpreises an „Heidi“ vom Theater des Kindes in Linz und des Jugendlichenpreises an „Moby Dick“ von der Theaterfabrik Weiz. Einen Sonderpreis bekam Myrto Dimitriadou vom Salzburger Toihaus, die Preise für herausragende Ausstattung und herausragende Musik gingen an zwei verschiedene Arbeiten von makemake produktion, und das dreiköpfige Tanzensemble des Dschungel Wien heimste die Trophäe für die beste Darstellung ein – im Rahmen einer Gala übrigens, deren veranstaltungsinhärente Peinlichkeiten erfrischend minimal blieben, bei der Kulturminister Josef Ostermayer durchgehend anwesend war und einander Momente der Komik und der Rührung ausbalancierten.
Ich freue mich darauf, ganz viel Theater anzusehen. Ich freue mich darauf, nicht währenddessen im Kopf schon beschreibende Formulierungen, die dem Abend gerecht werden, kneten zu müssen, sondern mich im ersten Moment auf ein Ja/Nein/Vielleicht beschränken zu können (in weiterer Folge ist eine tiefgehende Auseinandersetzung, vor allem mit den anderen Jurorinnen dann freilich essenziell). Ich freue mich darauf, Fragen von Künstlern nach Feedback getrost ausweichen zu dürfen, um ihnen keine falschen Hoffnungen zu machen. Ich freue mich auf ein verrücktes Jahr. Und das Theater für altes Publikum wird mir nachsehen, wenn ich es im Verhältnis ganz leicht (eh nur: ganz leicht) vernachlässige.