Jack is back
Als Johannes Krisch Anfang der Neunziger als frisches Ensemblemitglied gerade mal eine Handvoll Stücke gespielt hatte und verfolgte, wie ein haftentlassener Mörder als Dichter von der Wiener Kulturszene hofiert wurde, hätte er nicht gedacht, dass dieser Mann in wenigen Jahren wegen neun Morden verurteilt und tot, er selbst jedoch auf dem Höhepunkt seiner Karriere sein und ebendiesen Unterweger in einem neuen Film verkörpern würde. „Jack“ von Elisabeth Scharang zeigt die glamouröse Seite des Häfnpoeten und Womanizers und wirft die Frage auf, ob der mythisch-mysteriöse Jack Unterweger all diese Prostituierten vielleicht gar nicht umgebracht hat. Johannes Krisch hält sich bedeckt, was die Frage aller Fragen betrifft.
War er’s? Ich werde den Teufel tun, diese Frage zu beantworten, weil es mir nicht zusteht. Als Schauspieler habe ich natürlich eine Entscheidung getroffen, sonst hätte ich ihn nicht spielen können, aber ich werde meine Figur nicht verraten.
Ist „Jack“ ein Film, den Jack gerne gesehen hätte? Das hoffe ich, und ich kann es mir auch vorstellen, weil es ein Film über ihn ist, und das hätte ihm sehr geschmeichelt. In jedem Detail.
Wie sehr waren Sie selbst Anfang der Neunziger Teil der Kulturszene, die Unterweger so umarmt hat? Gerade mal mit einem Theaterstück. Ich habe niemanden umarmt, sondern versucht, Fuß zu fassen. Aber über die Zeitungsgeschichten und „Club 2“ habe ich natürlich alles mitbekommen.
Könnte es eine so ambivalente Figur im heutigen Internetzeitalter noch geben? Das passiert immer wieder, heute sogar schneller als damals. Die Bereitschaft, jemanden sternschnuppenartig in die Höhe zu katapultieren, weil er einer Sache dient, das gibt es immer noch. Man fand ihn damals ja nur faszinierend, weil die Resozialisierung politisch so ein Thema war. Sonst hätte kein Hahn danach gekräht.
Er war also kein besonders guter Schriftsteller? Er hat sicher einiges geschrieben, was sehr berührend ist. Aber ich glaube nicht, dass man in 150 Jahren diese Gedichte vortragen wird. Das wird kein Klassiker.
In „Jack“ wird der extravagante, der Lifestyle-Unterweger gezeigt, als wäre er der Falco unter den Serienkillern. Er war sehr extravagant, weil er es genossen hat, so aufzutreten. Durch die lange Zeit im Gefängnis hatte er viel aufzuholen. Da greift man gerne ins Volle, besonders wenn man plötzlich die Taschen voller Geld hat. Und apropos Falco: Der zitiert ihn ja in seinem „Jeanny“-Video. Er tritt ganz in weiß auf, und die wenigsten wissen, dass damit der Unterweger gemeint ist.
Können Sie verstehen, dass die Frauen so auf ihn abgefahren sind? Ja, denn es waren ja nur gewisse Schichten von Frauen. Es liegt am Spiel mit dem Feuer, weil jemand gegenübersitzt, der eine Grenze überschritten hat, was für viele sehr anziehend ist. Und er war ein großer Frauenversteher, weil er praktiziert hat, was die wenigsten können: Er hat zugehört.
Haben Sie John Malkovich in „The Infernal Comedy“ gesehen? Ja, hat aber mit unserer Geschichte nichts zu tun. Außerdem schauen wir einander überhaupt nicht ähnlich.
Sie sehen ja auch beide Jack Unterweger nicht besonders ähnlich. Deshalb war mir umso wichtiger, ihn zu begreifen und wenigstens sein Wesen zu erfassen. Es war eine sehr intensive Vorbereitung, weil man eine sehr große Verantwortung übernimmt, wenn man eine Person spielt, die gelebt hat. Man muss versuchen, sich dem Menschen so stark wie möglich anzunähern und ihn so weit wie möglich anzuziehen, dass es passt. Ganz Österreich kannte ihn und ist mit ihm in einer Zelle gesessen. Jeder kannte ihn und hat mit ihm was erlebt. Deshalb hoffe ich auch, dass ganz Österreich reingeht.
Sie sind vor zwei Jahren krankheitsbedingt länger ausgefallen. Was haben Sie in dieser Zeit gemacht? Ich habe mich gesundheitlich wieder auf die Höhe gebracht. Das war körperlich und psychisch Aufwand genug! Deshalb macht mir Film zurzeit auch sehr große Freude, weil es ökonomisch weniger anstrengend ist als Theater. Da probierst du am Vormittag volle Kanne und spielst am Abend volle Kanne, und dazwischen liegst du im Koma. Jedenfalls werde ich sicher nie wieder so ein Workaholic sein wie vor meiner Pause.