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Martin Thomas Pesl – Autor, Übersetzer, Sprecher und Lektor

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MITGEMUHT STATT AUSGEBUHT – Text über zehn Jahre Steudltenn im Falter 30/20

July 21, 2020 Martin Pesl
Hakon Hirzenberger und Bernadette Abendstein bespielen den Steudltenn seit 2010 © Christian Wind

Hakon Hirzenberger und Bernadette Abendstein bespielen den Steudltenn seit 2010 © Christian Wind

Das Zillertaler Theater Steudltenn feiert Geburtstag. Seit zehn Jahren passiert hier Kultur irgendwo im Tiroler Nirgendwo

Der Schauplatz ist Uderns im Zillertal, Bundesland Tirol. Zunächst gilt es, ein paar sprachliche Dinge zu klären: Welchen Artikel verlangt Steudltenn? Ko-Leiterin Bernadette Abendstein holt aus: „Eigentlich sagt man ,da‘ oder ,an‘ Steudltenn, das wäre wohl am ehesten doch die männliche Form. Aber die Skulptur vor dem Steudltenn haben wir Frau Steudltenn getauft.“ Ein Tenn ist jedenfalls der Heulagerraum eines Bauernhofs, und der Steudler war Abendsteins Urgroßvater, der den Hof kaufte. „In dem kleinen Lebensmittelladen konnte man Butter gegen Stoffe tauschen, Schnaps ausprobieren, musizieren und übernachten, weil man erst am nächsten Tag mit den Rössern wieder nach Haus gefahren ist.“

Auch wenn der Steudltenn von außen immer noch nach Scheune aussieht, ist er seit genau zehn Jahren ein Theater, das mehrere Monate im Jahr in Betrieb ist. Abendstein leitet es mit ihrem Mann, dem Autor und Regisseur Hakon Hirzenberger. Die Menschen des Zillertals, denen bisher weit und breit nur Kühe, Ziegen und englische Touristen ein Spektakel boten, gierten nach Kultur. Hier gibt es Volksstücke, Komödien, Kabarett, Musik und Kindertheater. Abendsteins Schwestern, Schwager und Eltern helfen mit Technik, Logistik, Buffet und Bar. Außerdem achten sie darauf, dass sich der Steudltenn das Zertifikat „Green Event Tirol Star“ für ökologische Nachhaltigkeit verdient. „Das beginnt beim Mülltrennen, geht über umweltzertifizierte Drucksorten bei Regionalpartnern und endet bei recycelbaren Bühnenbildern, intelligenten Wasserstationen, einem Abfallprotokoll und und und ...“

Mehr im Falter 30/20

In Autor Tags Theater, Tirol, Jubiläum, Falter

„DIE LEUTE WOLLEN WIEDER LEBEN“ – Interview mit Florian Krumpöck im Falter 30/20

July 21, 2020 Martin Pesl
Florian Krumpöck © Lukas Beck

Florian Krumpöck © Lukas Beck

Florian Krumpöck hat an den Kulturöffnungen nach dem Corona-Lockdown mitgewirkt. Der Pianist und Intendant des Kultursommers Semmering schildert, wie es dazu kam, und gewährt Einblicke in das reichhaltige aktuelle Programm

Ganz so wie immer ist es natürlich nicht beim Kultursommer Semmering, den der Pianist Florian Krumpöck seit einigen Jahren als Intendant leitet. Einige Hotels in der Umgebung haben die Corona-Krise nicht überlebt, bei den Konzerten und Lesungen gelten behördliche Schutzmaßnahmen. Aber Krumpöck hat es verhältnismäßig gut: Er war Teil des Inner Circles, der im Mai mit Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer und Vertretern des Gesundheitsministeriums ausbaldowert hat, wie doch noch (s)ein Kultursommer stattfinden kann.

Falter: Herr Krumpöck, was sind Ihre Highlights im diesjährigen Programm des Kultursommers?

Florian Krumpöck: Für mich persönlich sind das absolute Highlight immer die Autoren, die tatsächlich an diesem Ort waren. Wir haben einen Stefan-Zweig-Schwerpunkt, wo große Schauspielerinnen und Schauspieler Novellen dieses Autors lesen. „Brennendes Geheimnis“, die Novelle, die Fritz Karl lesen wird, spielt sogar im Südbahnhotel. Die Atmosphäre hier ist so, dass man denkt, Stefan Zweig könnte gleich um die Ecke biegen. In Wien hängt im dritten Bezirk eine Plakette, auf der steht, dass Beethoven in diesem Gebäude die Neunte Symphonie geschrieben hat. Das ist zwar schön, aber drinnen ist ein Bierlokal und man sieht nichts mehr davon.

Apropos Beethoven. Der hätte heuer seinen 250. Geburtstag.

Krumpöck: Der Beethoven-Zyklus ist natürlich ein ganz großes Thema. Den spiele ich selbst, mittlerweile auch an anderen Orten, aber geplant habe ich ihn für den Kultursommer. Die Idee ist, die 32 Klaviersonaten nicht an acht, sondern an 13 Abenden zu spielen und einzelnen thematischen Schwerpunkten aus Beethovens Leben zuzuordnen. Dazu passend werden dann Briefe und Tagebuchnotizen gelesen. Das ist eine große Herzensangelegenheit von mir. Außerdem spiele ich am Semmering noch mit Angelika Kirchschlager und Alfred Dorfer unser Programm.

Schauspielerinnen und Schauspieler mögen das Format Lesung besonders gerne. Elisabeth Orth hat dem Falter kürzlich verraten, dass sie in ihrem Alter eigentlich gar nicht mehr spielen, nur noch lesen will. Wie teilen Sie die Texte den Lesenden zu?

Krumpöck: Ich überlege mir das sehr gut in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Schauspielerin. Gerade Frau Orth macht gerne selbst Vorschläge. Sie ist unglaublich. Als sie vor zwei Jahren zum ersten Mal bei uns gelesen hat, gab es nach drei Stunden eine Pause. Nach fünf Stunden sind die ersten Leute gegangen. Nach sechs Stunden war sie fertig. In dieser Zeit hat sie sich nicht einmal verlesen, keinen einzigen Schluck Wasser getrunken und gar nicht mitgekriegt, wie die Zeit vergeht. Es gab Standing Ovations der Verbliebenen. 

Für ihre diesjährige Zweig-Lesung gibt es also eine eigene Fassung?

Krumpöck: Die sie selber erstellt hat! Wir haben zwar Dramaturgen, die anbieten, Fassungen zu machen. Aber zum Beispiel auch Fritz Karl hat sehr viel Mühe ins „Brennende Geheimnis“ investiert, vieles wieder aufgemacht und anderes gekürzt. Normalerweise haben unsere Lesungen natürlich die üblichen Konzertdauern von zweimal circa 40 Minuten mit einer Pause dazwischen.

Wie ist das Publikum in diesem Corona-Jahr bisher so drauf?

Krumpöck: Es ist unglaublich hungrig auf Kultur und hat überhaupt keine Angst, das kann man pauschal sagen. Das Publikum zu bitten, Abstand zu halten und abseits ihres Sitzplatzes den Mund-Nasen-Schutz zu tragen, fällt wirklich schwer. Ich glaube, die Leute haben das alles satt und wollen wieder leben. Dabei haben wir jetzt nicht unbedingt ein ganz junges Publikum. 

Macht Sie das nervös?

Krumpöck: Über Nervosität versuche ich nicht nachzudenken. Wir tun unser Bestes, in enger Zusammenarbeit mit den Behörden. Da werden Zentimeter-Abstände abgemessen, es gibt ein Belüftungs- und ein Desinfektionskonzept. Außerdem betreiben wir lückenloses Contact-Tracing, alle müssen ihre Kontaktdaten angeben, Karten dürfen nicht getauscht werden. 

In Reichenau sind zwei Hotels wegen Corona in Konkurs gegangen: der Marienhof und der Knappenhof. Betrifft Sie das?

Krumpöck: Ich habe dadurch nicht weniger Publikum, aber es betrifft mich von der menschlichen Seite her, denn ich finde, dass man die gesamte Sommerfrische-Region in ihrer Gesamtheit betrachten muss. Es wäre schön, wenn wir zwischen Reichenau und Semmering näher zusammenrücken könnten. Auch Tourismus und Kultur gehören zusammen.

Mehr im Falter 30/20

In Autor Tags Kulturpolitik, Niederösterreich, Interview, Falter, Sommer

„DIE ALTE NORMALITÄT WÄRE MIR LIEBER“ – Interview mit Markus Hinterhäuser im Falter 30/20

July 21, 2020 Martin Pesl
Markus Hinterhäuser © Michael Rausch-Schott

Markus Hinterhäuser © Michael Rausch-Schott

Der Pianist Markus Hinterhäuser leitet die Salzburger Festspiele, die heuer trotz Corona stattfinden. Ein Gespräch über Karajans Aura, Peter Handkes Defizite und die heilige Kuh „Jedermann“

Der Aufzug zum Mönchsberg, wo die Presseterrasse der Salzburger Festspiele liegt, ist zu eng, um ihn in Coronazeiten gemeinsam mit der Presseassistentin zu betreten. Man muss die Stiegen nehmen und keucht ziemlich unter dem verpflichtenden Mund-Nasen-Schutz. Am Vortag war der Fall einer infizierten Festivalmitarbeiterin bekannt geworden. Sie scheint sonst niemanden aus dem Team angesteckt zu haben, dennoch ist Intendant Markus Hinterhäuser (62) sichtlich angespannt. Die Salzburger Festspiele sind die bisher größten ihrer Art, die trotz Pandemie – in einer modifizierten Version – stattfinden. Vor allem aber feiern sie ihr hundertjähriges Bestehen, eigentlich soll also darüber gesprochen werden. Drei Tische entfernt, mit großem Sicherheitsabstand, nimmt Hinterhäuser Platz. Er wartet, bis die Mittagsglocken des Domes zu Ende geläutet haben, dann geht es los.

Falter: Herr Hinterhäuser, können Sie sich noch an die erste Veranstaltung erinnern, die Sie bei den Salzburger Festspielen erlebt haben?

Markus Hinterhäuser: Ich war jung und habe in Salzburg Klavier studiert. Ein Mitarbeiter einer Schallplattenfirma schenkte mir eine Karte für die Generalprobe des „Parsifal“ unter Herbert von Karajan. Ich war vollkommen narkotisiert, von der Aufführung wie auch von dem magischen Moment der Stille, bevor der Dirigent den Graben betritt. All das hatte eine ungeheure suggestive Kraft. In den großen, in den erfülltesten Momenten haben diese Vorgänge ja viel mit Aura zu tun.

Aura?

Hinterhäuser: Die Aura des Werks und des Künstlers, aber auch die Aura der Institution. Es gibt diesen wunderbaren Satz von Walter Benjamin: „Aura ist die Erscheinung einer Ferne, so nah sie auch sein mag.“ Diese Dialektik zwischen Nähe und Ferne beschäftigt mich sehr – auch als Intendant. Ich wollte Karajan nach diesem Parsifalunbedingt auch einmal aus der Nähe sehen. Ich wusste, dass er das Festspielhaus nicht durch den Haupteingang verlassen würde, sondern durch das Tor auf der Rückseite des Gebäudes. Und da kam er auch tatsächlich in Begleitung seines Sekretärs, setzte sich ans Steuer seines silbernen Porsches und zwei Polizisten hielten den Verkehr auf. Niemand durfte das Neutor passieren, bevor nicht Herbert von Karajan Richtung Anif davongebraust war. Das fand ich kurios, auch irgendwie befremdlich, aber schlussendlich eindrucksvoll. 

Wann haben Sie ihn dann angesprochen?

Hinterhäuser: Niemals. Karajan ist 1989 gestorben, ich habe ihn nie kennengelernt. Erst drei Jahre danach haben Tomas Zierhofer-Kin und ich mit dem Zeitfluss-Festival begonnen und langsam, aber sicher Einzug in dieses Festspielhaus gefunden. 

Wollten Sie damals schon Intendant hier werden? 

Hinterhäuser: Ich weiß gar nicht, ob das jemals ein erklärter Wunsch von mir war. Ich habe damals entdeckt, dass es mir Freude macht, durch Musik, also etwas, das mich vital interessiert, mit Menschen in Kontakt zu treten. Der damalige Konzertchef Hans Landesmann hat die eine oder andere Weiche gestellt. Aber ich habe nie an das Gittertor der Festspiele gerüttelt wie Gerhard Schröder an den Zaun des Kanzler-Bungalows und gesagt: „Ich will da rein!“. 

Als Sie die Wiener Festwochen übernahmen, war das nur für drei statt fünf Jahre, weil bekannt war, dass der Posten in Salzburg 2017 frei wird.

Hinterhäuser: Warum das nur auf drei Jahre angelegt war, weiß ich nicht, das kann man mir glauben. Nach Zeitfluss habe ich CD-Aufnahmen gemacht, viele Konzerte gespielt und in Theaterproduktionen mitgewirkt, bevor ich hier out of the blue die Möglichkeit bekam, Konzertchef zu werden. Wieder war es Landesmann, der mich empfohlen hatte. Nach dem frühzeitigen Abgang von Jürgen Flimm war ich ein Jahr Interimsintendant. Dann wurde für Alexander Pereira als Nachfolger entschieden und die Wiener Festwochen fragten, ob ich sie übernehmen wolle. Kaum war ich in Wien, schlug das Pendel in Salzburg um.

Jetzt sind Sie Intendant. Ist die Aura, die Sie beschrieben haben, noch da? 

Hinterhäuser: Davon bin ich überzeugt. Hundert Jahre Salzburger Festspiele sind auch hundert Jahre europäische Kulturgeschichte.

Hat sich viel verändert?

Hinterhäuser: Wenn ich in die Neunziger zurückblicke, ist das fast ein Blick in eine Welt von gestern. Die Salzburger Festspiele sind in ihrem Programmangebot wesentlich umfangreicher geworden. Ihre Zugänglichkeit – im Sinne des Zulassens von Anspruchsvollem – ist deutlich gestiegen, aber hoffentlich auch ihre Zugänglichkeit im Sinne des Sympathischen. Die Schallplattenindustrie, die hier sehr präsent war, gibt es in dieser Form nicht mehr. Die Frage „Was ist Exklusivität?“ ist ungleich komplexer und schwerer zu beantworten.

Apropos Exklusivität: Die Salzburger Festspiele haben immer noch den Ruf, eher elitär zu sein, nicht ein Festival, bei dem in erster Linie Künstler sich austauschen, sondern eines, wo dem Publikum für viel Geld etwas geboten werden soll. Ist dieser Ruf gerechtfertigt?

Hinterhäuser: Er folgt überkommenen und ziemlich ermüdenden Klischees. Man muss schon bereit sein zu sehen, welche Geografie an ästhetischen Möglichkeiten hier geboten wird. Und man sollte auch bereit sein, sich die Preise einmal genauer anzusehen: Ich weiß, es gibt sehr hohe Kartenpreise, aber es gibt auch das Gegenteil davon. Über 50 Prozent der Karten bieten wir zum Teil weit unter 100 Euro an, auch die Angebote für Jugendliche sind mehr als erschwinglich.

Die Zugänglichkeit hat auch damit zu tun, dass Sie vermehrt Regisseure aus dem Schauspielbereich mit Opern betrauen.

Hinterhäuser: Es gibt auch immer mehr Sänger, die schauspielerisch etwas zu bieten haben. Wenn ein Regisseur klug ist, kennt er den Unterschied zwischen der Darstellung eines Schauspielers und der eines Sängerschauspielers. Dann entsteht etwas, das Oper ist, aber auch Musiktheater. Ich versuche, für die Erzählung jeder Oper den idealen Regisseur zu finden. Dass „Salome“ bei Romeo Castellucci gut aufgehoben ist, dessen war ich mir vollkommen sicher. Auch bei Asmik Grigorian wusste ich gegen alle Widerstände, dass sie die Richtige für die Hauptrolle ist. Das ist auf die ergreifendste Weise aufgegangen. Ihre Interpretation wird nachhaltig in die Rezeptionsgeschichte der „Salome“ eingehen. 

Dieses Jahr singt Asmik Grigorian in Richard Strauss’ „Elektra“ in der Regie von Krzysztof Warlikowski. 

Hinterhäuser: Warlikowski ist nicht ganz so unorthodox wie Castellucci. Seine „Elektra“ wird eine fast seismografische psychologische Studie sein.

Sie haben Bettina Hering als Schauspieldirektorin. Beteiligen Sie sich an der Auswahl des Schauspielprogramms?

Hinterhäuser: Für den künstlerischen Gesamteindruck ist der Intendant verantwortlich, aber natürlich hat Bettina Hering eine starke Autonomie. 

Wurde die Entscheidung zur Uraufführung von Peter Handkes „Zdeněk Adamec“ nach der Kontroverse über Handkes umstrittenes politisches Engagement, die nach der Vergabe des Literaturnobelpreises 2019 an ihn neu hochkochte, infrage gestellt?

Hinterhäuser: Nein. Ich halte Peter Handke für einen der ganz großen Dichter unserer Zeit, der mit einer vergleichslosen Konsequenz eine Poetologie unserer Welt zeichnet. Er hat mir das Stück zum Lesen gegeben, nachdem wir in Paris einen schönen und irgendwie ausgelassenen Abend verbracht haben. Im Zuge der Nobelpreisverleihung an Peter Handkehat sich die Debatte, die mit Unterbrechungen ja schon länger geführt wird, auf einem absolut jämmerlichen Niveau bewegt. Die Diskussion, ob in der Wertung des Werks eines Künstlers charakterliche oder weltanschauliche Defizite, vermeintliche oder tatsächliche, eine Rolle spielen sollen, mag ja für viele interessant sein. Für mich ist sie das weit weniger. Es wäre eine Diskussion, die sich durch die ganze Kulturgeschichte ziehen würde, von Malern über Schriftsteller, zu Komponisten und Interpreten. Ich bin sehr, sehr glücklich darüber, dass wir dieses Stück machen.

Muss ein Kunstfestival wie die Salzburger Festspiele nicht auch politisch sein?

Hinterhäuser: Es kann nur politisch sein, und zwar in einem großen Gedankengebäude. Das aufs Tagespolitische zu beziehen, ist mir zu läppisch. Es wäre ein großer Fehler, die Salzburger Festspiele als etwas Eskapistisches zu sehen. Die Vitalität einer Partitur kann sich nur äußern, indem man sie ständig aus der Perspektive der Gegenwart neu befragt.

Vor hundert Jahren sind die Salzburger Festspiele aus einem Geist der Antimoderne entstanden, unter Beteiligung von Hugo von Hofmannsthal, der unterem damit die „konservative Revolution“ erklärte. Wie gehen Sie als moderner Intendant mit dieser Gründungsgeschichte um?

Hinterhäuser: Der Gründungsmythos der Salzburger Festspiele ist deutlich vielschichtiger als der Versuch, sie auf die Phänomenologie einer konservativen Revolution zu reduzieren. Es gab die Utopie eines Weltgegenentwurfs zu einem sozialen und ökonomischen Niedergang. 

Ein Element wurde über hundert Jahre konserviert: Hofmannsthals „Jedermann“ steht in wechselnden Besetzungen und Inszenierungen jährlich auf dem Spielplan. Ist der „Jedermann“ eine heilige Kuh, die nicht geschlachtet werden darf?

Hinterhäuser: Ich bin sehr dafür, dass der „Jedermann“ gespielt wird, und zwar jedes Jahr. Er gehört in einer zwingenden Weise zur DNA der Salzburger Festspiele. Manchmal kann einem die Sprache etwas hölzern, befremdlich, gesucht vorkommen. Aber wenn man ihn nicht als halb-folkloristische Unternehmung sieht, kann uns der „Jedermann“ in erstaunlichem Maße angehen. Er macht ein großes Angebot zur Reflexion.

Kennen Sie „jedermann (stirbt)“, die Überschreibung von Ferdinand Schmalz aus dem Jahr 2018?

Hinterhäuser: Ja, die habe ich im Burgtheater gesehen. Das war zu Recht ein großer Erfolg. Aber ich wäre nicht gut beraten, so eine Überschreibung in Salzburg zu initiieren. In diesem Jahr haben wir Milo Rau mit „Everywoman“ im Programm, eine Arbeit, deren Titel allein schon ein Kommentar zum „Jedermann“ ist.

Mehr im Falter 30/20

In Autor Tags Salzburg, Festival, Interview, Falter, Geschichte, Jubiläum

NIX MIT THEATERURLAUB – Überblick über die Sommerbühnen in Wien im Falter 29/20

July 15, 2020 Martin Pesl
Theater im Park © Markus Wache

Theater im Park © Markus Wache

Vor kurzem fürchteten wir noch, nie wieder Kulturveranstaltungen zu erleben. In Wien sind es diesen Sommer mehr denn je, und sie sind spontaner denn je. Ein Überblick über das Angebot an darstellender Kunst unter freiem Himmel

In diesem Wiener Sommer sprießen Bühnen aus dem Boden, wo vorher keine waren. Sie wachsen und werden bevölkert in einem Tempo, das man sich zurzeit für die Entwicklung eines Impfstoffs wünschen würde. Während der theateraffine Stadtmensch gewohnt ist, zur Befriedigung seiner Lust aufs Land zu fahren – wenn er sich nicht gerade mit Impulstanz-Karten eingedeckt hat –, kann er jetzt, fast egal, wo er wohnt, im eigenen Bezirk bleiben. Wer den Radius auf das ganze Stadtgebiet ausdehnt und auch noch flexibel ist, sollte mit genauem Hinschauen auch für jeden Geschmack etwas finden.

Manche dieser Sommerbühnen verlangen Eintritt, viele nicht. Einige bitten um exakte Registrierung und Voranmeldung. Hier erhält jede Zuschauerin einen genauen Platz zugewiesen, da herrscht freie Platzwahl mit der Bitte um Voranmeldung. Größtenteils wird die Dauer jedes Programmpunkts auf eine ganze oder sogar halbe Stunde beschränkt, zumindest auf die Pause verzichten die meisten. Fast überall gibt es Verpflegung. Was alle diese Festivals gemeinsam haben, ist, dass sie extrem spontan entstanden und programmiert wurden – aus dem Gefühl des kulturellen Mangels heraus.

 

Eine kleine Chronologie

Im ersten Schock des Corona-Lockdowns kramten Theater allüberall verwackelte Videoaufnahmen ihrer alten Inszenierungen heraus und stellten sie ins Netz. Schauspielerinnen und Schauspieler setzten sich zu Hause vor ihre Webcams und lasen Geschichten vor. Kabarettistinnen und Musiker lernten Zoom und Jitsy und veranstalteten Live-Programme im Netz. All dies geschah, damit das Publikum sie nicht vergaß und damit sie nicht den Eindruck erweckten, auf der faulen Haut zu liegen. Einkommen hatten sie dabei in der Regel keines, außer sie waren fest angestellt und in Kurzarbeit. Die Stadt Wien organisierte im Rabenhof die wöchentliche Nummernrevue „Abgesagt? Angesagt!“, die der Stadtsender W24 ausstrahlte.  

Die Talenteshow bot einen kleinen Vorgeschmack darauf, was nun im großen Stil den Kultursommer bestimmt: Künstlerinnen und Künstler aller Genres, die aufwandsarme Monologe, Musik- oder Kabarettnummern in petto hatten, nutzten die Gelegenheit, im Gegenzug für eine faire Gage ihre „Fertigkeiten zu erhalten“, wie es die ehemalige Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek einst formulierte. Wie viele und welche Menschen ihre Auftritte sahen, war für die Teilnehmer von „Abgesagt? Angesagt!“ zweitrangig.

Mehr im Falter 29/20

In Autor Tags Theater, Sommer, Wien, Falter, Kabarett, Musik, Performance
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