Auftrag
Besprechung der Premiere „In Ewigkeit Ameisen“ in der Sendung „Fazit – Kultur vom Tage“
Auftraggeber
Deutschlandfunk Kultur
Projektinfo
Live am 22. März 2019, nach 23:05 Uhr auf Deutschlandfunk Kultur.
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Aenne Schwarz © Reinhard Werner/Burgtheater
Besprechung der Premiere „In Ewigkeit Ameisen“ in der Sendung „Fazit – Kultur vom Tage“
Deutschlandfunk Kultur
Live am 22. März 2019, nach 23:05 Uhr auf Deutschlandfunk Kultur.
© Piper
Den Vorwurf, #MeToo und die damit einhergehenden Debatten darüber verpasst zu haben, kann man Helmut Krausser nicht machen. Der 1964 geborene Bestsellerautor („Der große Bagarozy“, „Fette Welt“) hat das alles durchaus mitbekommen, er nimmt es nur nicht besonders ernst. Beziehungsweise geht es ihm offenbar gehörig auf die Nerven. Für seinen neuen Roman „Trennungen. Verbrennungen“ greift sich Krausser alle erdenklichen Diskurse über die Dominanz weißer Männer, Sprachregelungen und „Genderwahn“ und stopft sie in eine einzige Figur, die dadurch natürlich zu einer ziemlichen Nervensäge wird.
Die behütete Berliner Professorentochter Alisha Reitlinger kriegt Schnappatmung, wenn ihr Vater Spenden für „Flüchtlinge“, nicht „Geflüchtete“ sammelt, Männern unterstellt sie ohne wirkliche Anhaltspunkte, sie sehr wahrscheinlich im Schlaf missbraucht zu haben, und im Schreibklub auf der Uni verteidigt sie ihr schlechtes Gedicht damit, dass „es keine falschen Konjunktive gebe, es gebe ja auch keine illegalen Menschen“. Eine Figur zum Davonlaufen. Oder aber ein willkommener Boxsack für entsprechend geartete Aggressionen, je nach Geschmack der Leserinnen und Leser.
Wie das Klischee vorsieht, rasiert sich Alisha aus Prinzip die Beine nicht und entdeckt im Laufe des Romans ihre lesbische Liebe zur 19-jährigen Caro. Aber die hat halt längst für sich geklärt, dass sie vor allem straight ist und außerdem im Nebenjob Escort-Girl. Einer ihrer Kunden ist Leopold, der unter der suboptimalen Figur seiner Lebensgefährtin ebenso leidet wie sein Kommilitone Gerry darunter, dass seine Freundin, deren reiche Eltern nur im Fortpflanzungsfalle was springen lassen, keine Kinder will.
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Rina Juniku © Ingo Pertramer/Rabenhof
Der Regisseur und Dramaturg Roman Freigaßner-Hauser stemmt in der Regel jede Saison zwei Produktionen für das Theater der Jugend im Rabenhoftheater. Für die älteren Kinder hat er sich zuletzt immer wieder bei dem Versuch verzettelt, personenreiche epische Erzählungen wie "König Artus" zu entwirren. Die Märchen für die Jüngeren geraten dafür oft vergleichsweise unterkomplex, dafür machen sie mehr Spaß, so wie auch jetzt "Das tapfere Schneiderlein".
König und Kraftlackel
In der Rabenhof-Version ist das Schneiderlein eher wohlwollend und bauernschlau als der gewiefte Hochstapler aus dem Grimm-Märchen. Sieben auf einen Streich hat es trotzdem erlegt, dass es nur Fliegen waren, will keiner hören. Auch Wildschwein, Riesen und Einhorn kommen vor, dazu ein hinzuerfundener royaler Berater namens Frunz von Furunkel, der die Königstochter heiraten will, nicht aus Liebe, sondern der Macht wegen.
Sprüchesängerin im Kimono: Manuela Linshalm mit der Jelinek-Puppe @ Alexi Pelekanos
St. Pölten, 16. März 2019. Elfriede Jelinek hat oft Tagesaktuelles zu sagen, zeigt sich aber ungern in der Öffentlichkeit. Also ist es seit der Nestroyverleihung 2013 üblich – wird mittlerweile geradezu erwartet –, dass der Puppenspieler Nikolaus Habjan auszieht, ihre Botschaft zu verkünden. Er hatte für Matthias Hartmanns Burg-Inszenierung von Jelineks "Schatten (Eurydike sagt)" eine seiner großäugig furchterregenden Klappmaulpuppen mit Jelinek-Frisur ausgestattet und performte später, die Hand in dieser vergraben, ihren Dank für den Nestroy-Autorenpreis. Habjan, der so das von Nicolas Stemann eingeführte Stilmittel, Jelinek selbst durch eine Schauspielerin auftreten zu lassen, einen Schritt zurück in Richtung Künstlichkeit trug, wurde in Österreich weltberühmt und begann, sich als Regisseur auszuprobieren. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er auch einen Text der Nobelpreisträgerin in Angriff nehmen würde.
Weltpolitik Muppet Show
"Am Königsweg" wirkt schon durch die einleitende Regieanweisung "Überhaupt hätte ich in der Folge gern Figuren aus der Muppet Show" wie für Habjan erdacht. Zur sonst ungreifbaren Autorin scheint ihn auch eine persönliche Nähe zu verbinden, in Ankündigungen der österreichischen Erstaufführung führte das Landestheater Niederösterreich sie gar unter "Kostümmitarbeit". Dieser Hinweis ist wieder verschwunden, dafür wird Jelinek im Programmheft für kostümspezifische Inspiration und ihre Stimme gedankt – sie hat etwas Text für die Aufführung eingelesen. "Von wem will ich da überhaupt sprechen?", fragt sie eingangs vom Band, und auf der Bühne ergänzt ihr Puppenkörper im Kimono, wie das Vorbild selbst gealtert und mit rot gefärbtem Haar: "Darüber muss ich mich mit mir verständigen."
Die Antwort dieser Inszenierung lautet: von Elfriede Jelinek. Natürlich geht es auch darum, wie die Welt im Zuge der Trump-Präsidentschaft und des Rechtspopulismus mit Blindheit geschlagen ist – König Ödipus ist die mythologische Referenzfigur für den namentlich nie genannten "König" Donald. Doch den in Jelineks Textflächen üblichen selbstreferenziellen Passagen über ihr fortschreitendes Alter, ihre Eltern und ihre Ohnmacht als "Sprüchesängerin" ("Sprücheklopferin!", korrigieren die Muppets quiekend) widmet sich der Regisseur am liebevollsten.