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Martin Thomas Pesl – Autor, Übersetzer, Sprecher und Lektor

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CASTORPHE AUF DER INSEL – Kurzreportage im Falter 32/18

August 7, 2018 Martin Pesl
Aleksandar Denićs „Hunger“-Bühnenbild auf der Pernerinsel bei Einlass © Martin Thomas Pesl

Aleksandar Denićs „Hunger“-Bühnenbild auf der Pernerinsel bei Einlass © Martin Thomas Pesl

Frank Castorf inszeniert „Hunger“ und feierte in der Halleiner Außenstation der Salzburger Festspiele Premiere

Inmitten des Trubels der Salzburger Festspiele ist die Pernerinsel ein besonderer Aufführungsort. Mitarbeiter der Technik berichten, sie würden hier vom allgemeinen Druck eher verschont. Gäste können, ohne schief angeschaut zu werden, krawattenlos bzw. in einem Kleid auftauchen, das weniger gekostet hat als die Eintrittskarte. Und Hallein, eine Viertelstunde südlich, wirkt im Sommer wie eine kleinere, weniger überlaufene Version von Salzburg, die einem das Durchatmen gönnt. Die Premiere des Castorf-Abends „Hunger“ fällt mit dem Abschluss der italienischen Marktwoche zusammen, den zu besuchen die freundliche Rezeptionistin im Hotel empfiehlt, weil sie das mit den Festspielen gerade gar nicht am Schirm hatte.

Der Unterschied zwischen außen und innen fällt dennoch auf. Vor der auf die Pernerinsel gebaute Theaterhalle paradiert eine fröhliche Blasmusikkapelle, drinnen erstreckt sich eine Inszenierung, wie sie noch vor gut einem Jahr genauso an der Berliner Volksbühne gelaufen wäre, die Frank Castorf damals noch leitete. In „Hunger“ (1890), dem autobiografischen Debütroman des Norwegers Knut Hamsun, streift ein genialer Schriftsteller hungernd durch Oslo. In der ebenfalls ins Stück verwursteten Fortsetzung „Mysterien“ (1892) ist der Mann reich, exzentrisch und lebensmüde. Zu sehen sind energiegeladene Ex-Volksbühnen-Stars wie Sophie Rois und Kathrin Angerer, ein sich drehendes Holzhaus, Live-Video, liebevolle Amerika-Kritik (ein ganzer McDonald’s steht auf der Bühne) und Hakenkreuze, weil Hunger-Hamsun sich, als er nicht mehr so hungrig war, an Hitler anbiederte.

Laut Programmheft dauert das viereinhalb Stunden mit Pause, laut Auskunft des Saalpersonals fünfeinviertel. In der Pause sagt einer am Herren-WC, es werde noch bis halb eins dauern, zurück im Zuschauerraum spricht ein anderer von „noch zwei Stunden“. 

Mehr im Falter 32/18

In Autor Tags Bericht, Theater, Salzburg, Falter

„WHERE ARE YOUR PHONES?“ – Nachtkritik von Impulstanz

August 7, 2018 Martin Pesl
Zwei Selbstdarsteller © Martin Thomas Pesl

Zwei Selbstdarsteller © Martin Thomas Pesl

Ivo Dimchev, A Selfie Concert – Beim Wiener Festival Impulstanz lädt der Performer Ivo Dimchev zum Knipsen ein

Wien, 6. August 2018. Ich hatte mir vorgenommen, kein Selfie mit Ivo Dimchev zu machen. Aber irgendwann kam er dann halt zu mir und kniete sich neben mich, und ein Boykott des grundlegenden, titelgebenden, ja einzigen Konzepts seines Impulstanz-Abends "Ivo Dimchev, A Selfie Concert" erschien mir unverhältnismäßig. Also habe ich ein Selfie mit Ivo Dimchev gemacht.

Man ahnt es schon ...

Das Festival Impulstanz nutzt seit einigen Jahren verstärkt die Räumlichkeiten der Wiener Museen als Spielorte und stimmt seine Inhalte so weit wie möglich mit deren Programmen ab. Im Museum moderner Kunst (mumok) läuft derzeit die Ausstellung "Doppelleben", die Schnittstellen zwischen Kunst und Musik beleuchtet. Das kam wohl auch dem bulgarisch-britischen Performancekünstler Ivo Dimchev zu Ohren, der spätestens seit seinem Stück Icure 2014 als schockierend unerschrockener Radikalperformer gilt und sich seither zu einem Impulstanz-internen Superstar entwickelt hat, der jährlich mehrere Projekte im Rahmen des Festivals verwirklicht. Diesen Sommer sind es zwei Workshops und vier Performances – eine davon das "Selfie Concert" in einem White Cube des Mumok. Es geht, man ahnt es schon, so: Ivo Dimchev singt, und die Leute machen Selfies mit ihm.

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In Autor Tags Performance, Kritik, Nachtkritik, Impulstanz, Musik, Fotografie

SLOWFOOD MIT SWASTIKA – Nachtkritik von den Salzburger Festspielen

August 5, 2018 Martin Pesl
Marc Hosemann und Lilith Stangenberg © Matthias Horn

Marc Hosemann und Lilith Stangenberg © Matthias Horn

Hunger – Frank Castorf bedient sich bei den Salzburger Festspielen bei zwei Romanen von Knut Hamsun

Salzburg, 5. August 2018. Einen Monat nach seinem SZ-Gemecker über Regisseurinnen und Frauenfußball bringt Frank Castorf einen Knut-Hamsun-Abend mit dem Titel „Hunger“ heraus. Sowohl der gleichnamige Debütroman des norwegischen Literaturnobelpreisträgers als auch die Fortsetzung „Mysterien“ handeln von missverstandenen egomanischen männlichen Künstlerfiguren. Selbstmitleid? Koketterie? 

Frauenfeind UND Nazi!

Die Salzburger Festspiele bieten ihm diesbezüglich jedenfalls einen geschützten Rahmen: Fußballgate hat hier kaum wer mitbekommen, zudem bezahlt dieses Publikum so viel für Karten, dass es zwar in der Pause geht (und davor! und danach!), aber kein Interesse hat, sich am allgemeinen Diskurs über Regiezampanos zu beteiligen. Wenn Castorf also dem zwar talentierten, aber nervösen Teenager Rocco Mylord einen Monolog darüber in den Mund legt, dass die großen Genies überbewertet seien, applaudieren die Festspielgäste, weil der Junior das so toll gemacht hat, nicht wegen des Inhalts.

Und dann frönt Castorf wieder einmal seiner Vorliebe für Dichter auf politischen Abwegen: Hamsun „war nicht nur Frauenfeind, sondern auch Nazi“, wird seine Konzeptionsrede im Programmheft zitiert (dessen Lektüre lohnt sich übrigens – auch wegen eines vergnüglich themenverfehlten Auftragstextes von Wolfram Lotz). Aleksandar Denić hat denn in seinem gewohnt multiintegralen Bühnenbild auf der Pernerinsel in Hallein auch überall Plakate und Nazisymbole versteckt. Um die potenzielle Empörung darüber vorbeugend durch den Kakao zu ziehen, lässt Castorf zu Beginn alle erschrocken: „Swastika! Swastika!“ schreien, als hätten sie eine Spinne gesehen.

Darüber hinaus fasst Denićs Holzhäuschen mit Grasbepflanzung auf dem Dach ein altmodisches Büro, eine Dachkammer, eine perfekt nachgebaute McDonald’s-Küche (wo es aber nix zu essen gibt) und eine Art 19.-Jahrhundert-Garage. Selbstverständlich auch zwei Videowände für Live-Großaufnahmen, die ästhetisch verspielt auf ein düsteres Noir-Feeling abzielen, ja manchmal an Vampirfilme erinnern, etwa wenn der Hunger so schlimm wird, dass er den Biss in den eigenen Finger bedingt. Castorf will Stimmung machen, so scheint es, eine karge, düstere. Aber dazu wird einfach zu viel geredet.

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In Autor Tags Nachtkritik, Kritik, Theater, Salzburg

SIDESHOW-FLO UND IHRE GÖTTLICHEN MUSEN – Kritik und Vorbericht in der Falter-Impulstanzbeilage 2018

July 31, 2018 Martin Pesl
© Radovan Dranga

© Radovan Dranga

Selbstverletzungen mit Blut, Kot und Gin Tonic: Florentina Holzingers „Apollon“ ist grenzüberschreitend und ästhetisch

Zieht Florentina Holzinger jetzt das Tutu an und macht richtiges Ballett? Der österreichischen Choreografin, Akrobatin, Tänzerin und Performerin wäre es fast zuzutrauen – sie scheint alles zu können und gerne auch Dinge auszuprobieren, bei denen es um beinhartes Handwerk geht. Auf atemberaubende Zirkusakrobatik hat sie schon gemacht, auch die Ekelperformance mit Kotzen und Pinkeln scheute sie nicht. Jetzt gibt es das beides und noch viel mehr. Grundlage von „Apollon“ ist das Ballett „Apollon musagète“ von Oleg Strawinsky und die dazu von George Balanchine entwickelte Choreografie, absolute Klassiker des Genres. Da ist es fast erleichternd, dass Florentina Holzinger die nicht einfach nachtanzt.

Ganz im Gegenteil: Der antike Tanz des hehren Kunstgottes Apoll und seiner Musen klingt in „Apollon“ zwar immer wieder an, aber Tutus gibt es so wenig wie sonst irgendeine Bekleidung. Die sechs Performerinnen sind nackt bis auf die Cowboystiefel, mit ihren gestählten Bodys dienen sie eindeutig keinem Gott, sondern sind höchstens ihre eigenen Musen. Auch den Rodeo-Stier in der Mitte machen sich die sensationellen Performerinnen untertan. Der ganze Abend hat den Charakter einer Jahrmarkt-Show mit echten und geschickt vorgetäuschten Selbstverletzungen, Akrobatik, Blut, Kot und Gin Tonic. 

Mehr in ImPulsTanz 18 (Falter 27/18)

In Autor Tags Kritik, Bericht, Impulstanz, Wien, Performance, Falter
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