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Martin Thomas Pesl – Autor, Übersetzer, Sprecher und Lektor

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DIE PHYSIK DER MIGRATION – Essay von Ayad Akhtar im „Album“ des „Standard“ vom 4./5. August 2018

July 30, 2018 Martin Pesl
Ayad Akhtar © Nina Subin

Ayad Akhtar © Nina Subin

Erschienen im „Album“ des „Standard“ vom 4./5. August 2018

Übersetzung aus dem Amerikanischen: Martin Thomas Pesl

Unsere Nationen beruhen nicht auf bloßen Ideen. Wir alle haben ein Zuhause, in dem wir geboren, einen Ort, an dem unsere Lieben gestorben sind. Wir haben die Felder und Straßenecken, wo wir uns ver- und entliebt, Helden, denen wir nachgeeifert haben, und Gegenspieler, die zu besiegen uns am Ende doch noch gelungen ist. Vor allem aber haben wir unsere Sprachen, die uns geformt haben, die uns die Welt beschreiben, in denen wir unsere Hoffnungen äußern, mit unseren Enttäuschungen ringen, Wörter, die unserem Leben seinen Klang, seine Bedeutung und seinen Trost schenken. Ist es falsch von uns, all das nicht verlieren zu wollen? Es bewahren zu wollen vor der Invasion jener, die – wie wir annehmen oder sogar wissen – ihr eigenes Zuhause, ihre eigenen Felder und Helden und Wörter besitzen und die die unseren unmöglich so würdigen können, wie wir es unweigerlich tun?

Sie sind da, die mannigfaltigen Krisen der Zukunft. Gut möglich, dass Syrien ein Präzedenzfall für vieles ist, was uns bevorsteht: Dürre führt zu wirtschaftlicher Not und unverhältnismäßig starker Binnenwanderung aus den ländlichen in die städtischen Gebiete. Die Bevölkerungsverschiebungen heizen den seit langem schwelenden Verdruss über das politische System weiter an. Spannungen zwischen dem Regime und seinen Menschen erzeugen Widerstand, dann Krieg. Die Infrastruktur bricht zusammen, die Gemeinschaft verliert all jene, die über das nötige Kleingeld verfügen, woanders hinzuziehen, um sich den eigenen Wohlstand oder schier das eigene Überleben zu sichern (oder beides). Es erfolgt also eine Bewegung aus einer Todeszone in eine Zone des Überflusses.

Das Wasser – für manche Kern der Syrienkrise – ist nur eines der künftigen Probleme. Weltweit steigt der Meeres- und sinkt der Grundwasserspiegel. Dadurch wird sich das Zusammenleben von mehr als eineinhalb Milliarden Menschen in den nächsten dreißig Jahren radikal verändern. Die Physik der Migration hat etwas Unvermeidliches an sich. Die Gezeiten jener, die mit uns unbekannten Silben sprechen, die andere Gesichtszüge und Hautfarben haben als die Erzeuger unserer Nationen – diese Gezeiten des Unvertrauten sind unbestreitbar unterwegs zu uns. Man kann einen Damm bauen, um den Strom zu kontrollieren, aber den Fluss kann man nicht aufhalten.

Mehr im „Standard“ vom 4./5. August 2018 und hier

In Übersetzer Tags Theater, Politik, Flucht, Philosophie, Standard

MIT LINKEM POPULISMUS GEGEN ORBÁN – Gastkommentar von Márton Gulyás im „Standard“ vom 31. Juli 2018

July 30, 2018 Martin Pesl
Márton Gulyás © Sióréti Gábor

Márton Gulyás © Sióréti Gábor

Erschienen im „Standard“ vom 31. Juli 2018

Ich würde Ihnen gerne einige wesentliche Faktoren der Zerschlagung der liberalen Demokratie in Ungarn darlegen, dem Hauptproblem mit der Politik des Orbán-Regimes. Außerdem möchte ich erläutern, warum ich glaube, dass nur eine linkspopulistische Bewegung die Demokratie in Ungarn – und in der Europäischen Union – retten kann. 

1) Das Scheitern der Wende in Osteuropa – die Bankrotterklärung der liberalen Demokratie

Die großen Verheißungen beim Übergang von der Zentralverwaltungs- zur Marktwirtschaft in Osteuropa waren die Garantie grundlegender Bürger- und Menschenrechte und der persönliche ökonomische Wohlstand. Versprochen wurde im Wesentlichen, dass der Aufbau der zentralen rechtsstaatlichen Einrichtungen und die Implementierung des Kapitalismus Stabilität und Wohlstand bringen würden. Eingetreten ist ziemlich genau das Gegenteil: Unmittelbar nach Wende verloren eine Million Menschen ihre Arbeitsplätze, die zuvor staatlich betriebenen Firmen und Unternehmen wurden privatisiert und landeten in den Händen einiger weniger Oligarchen. Das Höchstgericht lehnte es ab, die politischen Spitzen der Diktatur zur Verantwortung zu ziehen, und verabsäumte es, die Rechte der Minderheiten zu verteidigen. Schon lange vor 2010 herrschte eine Segregation an öffentlichen Schulen zwischen weißen und Roma-Schülern. Das Arbeitsrecht bot den arbeitenden Massen keinen Schutz mehr: Sie wurden ausgebeutet, mussten mehr als acht Stunden täglich arbeiten und bezogen nicht einmal den Mindestlohn.

Man kann zu Recht sagen, dass Ungarn in den Neunzigern aus der Sicht unserer Partner im Westen ein Musterschüler war und unsere Elite recht brav das Gerüst einer liberalen Demokratie aufgebaut hat – nur leider eben, ohne die Bevölkerung mit einzubeziehen. Die gelernte Lektion ist hart und grausam: Kein Gericht kann die Unvollkommenheiten der Demokratie reparieren. Meiner Meinung nach wäre eine solche Reparatur nur durch die Beteiligung und Ermächtigung der Bevölkerung möglich. Nachdem aber diese Institutionen den Bürgern nicht zugänglich sind, nimmt es kaum wunder, dass die Masse der Ungarn diese Errungenschaften nicht verteidigt, seit Orbán 2010 mit seiner ersten Zweidrittelmehrheit – der Verfassungsmehrheit – ins Amt gewählt wurde.

Mehr im „Standard“ vom 31. Juli 2018 oder hier

In Übersetzer Tags Politik, Ungarn, Standard, Englisch

SPRACH // WELTEN – Literaturperformance im Rahmen des Theaterfestivals Theaterzeit Freistadt

July 26, 2018 Martin Pesl
© Loucaz Steinherr

© Loucaz Steinherr

1. August, 20 Uhr, Messehalle Freistadt

Ein Text aus meinem „Buch der Tiere“ wird performativ zum Besten gegeben.

PROJEKTINFO

Das Projekt hat zum Ziel, von nun an jährlich interessante literarischer Neuerscheinungen aus dem Sprachraum Oberösterreich / Südböhmen in Form einer Literaturbörse zu präsentieren. Dabei sollen Verlage, Autor*innen und Schreibende mit Publikum vernetzt werden, eine Art literarische Plattform für Neuerscheinungen aus dieser Region aufgebaut werden und ein verstärkter Austausch stattfinden. Präsentiert wird der spannende Querschnitt aktueller zeitgenössischer Literatur an einem abwechslungsreich gestalteten Abend aus Performance/Literatur/Messe.

In Autor Tags Buch, Literatur, Tier, Oberösterreich, Performance

WILLKOMMEN IM CLUB – Vorbericht über die [8:tension]-Reihe in der Falter-Impulstanzbeilage 2018

July 19, 2018 Martin Pesl
„Black Velvet – Architectures and Archetypes“ © Alex Apt

„Black Velvet – Architectures and Archetypes“ © Alex Apt

Die jungen Choreografinnen und Performer der Reihe [8:tension] sind ein Spiegel aktueller Trends

Die jungen Choreografinnen und Choreografen des Jahres 2018 sind nah dran an den aktuellen Sounds. Klassische Frontalsituationen – hier Bühne, dort Publikum – sind dafür weniger ihr Ding. Die acht Performances junger, aufstrebender Künstler, die ImPulsTanz jedes Jahr im [8:tension]-Format versammelt, sind ein Spiegel aktueller choreografischer Trends. Und die gehen heuer verstärkt raus aus dem Theater und rein in den Club. Raumgreifend laden sie alle ein, Teil der Performance zu sein. Umhüllt von elektronischer Musik widmen sie sich der eigenen Identität und jener der Zuschauer voller Energie und natürlich auf hohem tänzerischen Niveau.

Da ist zum Beispiel der schweizerisch-brasilianische Künstler Mathias Ringgenberg aka Price. Der Name der Kunstfigur, die sich Ringgenberg geschaffen hat, erinnert ganz bewusst ironisch an die Musiklegende Prince. Auch Price versucht aus einer queeren Community heraus einen Ausdruck zu finden, der sich nicht eindeutig zuordnen lässt und Zwischenräume öffnet, in der sich die zuschauende Generation auf seltsam heimelige Weise wiederfindet. Im Zuge der Show wechselt er häufig seine Kostüme, während er zu seinem selbst hergestellten Sound singt. Wie im Club sammeln sich die Zuschauer um den Künstler und sind eingeladen, aus ihrer grundlegenden Existenzangst das Beste rauszuholen: ein bisschen Drama und letztlich gute Unterhaltung. Die Performance selbst ist also die ideale Antwort auf ihre titelgebende Frage: „Where do you wanna go today?“

Wie ein Konzert mutet auch die Arbeit der Choreografin und Sängerin Ofelia Jarl Ortega an. Ihr Stück „B.B.“, das sie gemeinsam mit dem Live-Elektro-Komponisten Patrik Patsy Lassbo und der Tänzerin Alexandra Tveit entwickelt hat, hat sie schon erfolgreich in ausgebrannten Kellern von Discotheken und Sexclubs gezeigt, bei ImPulsTanz nistet sie sich in der mumok-Ausstellung „Doppelleben“ ein. Aber nicht auf Dauer, denn erstmals wird hier auch eine Theaterversion im Burgtheater-Kasino zu sehen sein. Das Nebeneinanderstellen einer Museums- und einer Theaterversion ist mittlerweile zum Markenzeichen von ImPulsTanz geworden. Die drei Performenden, die viel spontan aus den Zuschreibungen des Publikums heraus entwickeln, können sich und ihren Club durch das richtige Licht und ein neckisches Spiel mit den Zuschauererwartungen jedes Mal neu konstruieren. 

Den österreichischen Beitrag zu [8:tension] steuert dieses Jahr Karin Pauer mit der Uraufführung von „five hundred thousand years of movement“ bei, ebenfalls im mumok. Die aus den Arbeiten von Chris Haring und Liquid Loft bekannte Tänzerin bringt ihr Bewegungsvokabular hier zu höchster Präzision. Zu einem selbst montierten Soundtrack manövriert sie ihren Körper durch einen leeren Raum, den nichts weniger als die gesamte Erdgeschichte umrahmt. Denn eine Projektion an die Wand fasst in einem Zeitstrahl die fünfhunderttausendjährige geologische und zoologische Entwicklung auf unserem Planeten zusammen. Ob darauf alle Daten und Fakten korrekt sind oder sich vielleicht auch manch Fiktives eingeschlichen hat, bleibt angesichts von Karin Pauers Charme und ihrer ansteckenden Lust am eigenen Körper Nebensache.

Mehr in ImPulsTanz 18 (Falter 27/18)

In Autor Tags Tanz, Performance, Bericht, Impulstanz, Wien, Falter
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