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Martin Thomas Pesl – Autor, Übersetzer, Sprecher und Lektor

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HINTERHOLZ 2.0 – Interview mit Roland Düringer im WIENER 395

November 23, 2014 Martin Pesl
Roland Düringer  © Andreas Jakwerth

Roland Düringer  © Andreas Jakwerth

Hinterholz 2.0

Alles halb so wild: Roland Düringer lädt ein und berichtet, warum er keine Bäume umarmt, wieso eine Trilogie auch vier Teile haben kann und wie sein Treffen mit Michael Spindelegger so war

Wenn man Roland Düringer in Niederösterreich besucht, gerät man ins Schmunzeln: Kurz vor der Ankunft zeigt das Navi an, dass man durch Hinterholz fährt. Man denkt an den Film, an den Düringer-Boom Ende der Neunziger mit „MA2412“ und „Benzinbrüder“. Dann erinnert man sich, wie er vor drei Jahren alle verwirrt hat, weil er plötzlich Vorträge statt Kabarett abhielt und politisch geladene Wutbürgerreden vom Stapel ließ. Vor knapp zwei Jahren runzelte man dann noch mehr die Stirn, denn er kündigte an, sich in seinen autarken Wohnwagen zurückzuziehen und der modernen Technologie zu entsagen. Auf gueltigestimme.at regte er seitdem – durchaus unter Verwendung der modernen Technologie – mit kleinen Videos zum Nachdenken an. Wenn man Roland Düringer dann trifft, ist plötzlich alles halb so wild. Er zeigt einem die Reste seines einst überbordenden Fuhrparks, aber auch sein Gemüsebeet. Und er lässt mit Leichtigkeit so manchen Mythos platzen, der sich neuerdings um ihn rankt.

Ich war unsicher, wie ich mehr Verachtung von Ihnen ernte: wenn ich meine Fragen auf Papier ausdrucke, oder wenn ich das iPad mitbringe? Ich habe mich für das iPad entschieden, weil umweltfreundlicher. Es besteht keine Gefahr: Ist ja super, das Ding. Ich habe auch ein kleines iPad. Mit dem spiele ich meine gueltigestimme.at-Beiträge auf YouTube, wenn ich unterwegs bin.

Ist das Projekt Rückzug eigentlich vorbei? Wenn man es als Projekt bezeichnen will, ist es gegessen. Nicht, weil ich es abgebrochen habe, sondern weil ich jetzt weiß, welchen Einfluss gewisse Dinge auf mich haben und wie ich sie in Zukunft verwenden will. Mit dem Auto etwa fahre ich heute zum Bahnhof, da ist es sinnvoll. Oder vorhin war ich einkaufen bei unserem Nahversorger, da hatte ich etwas zu transportieren. Es geht nicht darum zu beweisen, dass auch alles ohne geht, sondern zu fragen: Wo macht es noch Sinn? Wo ist der Punkt, an dem unsere Dinge uns beherrschen, und wo verwende ich sie als Werkzeug?

Leben Sie weiterhin ohne Handy? Ich habe ein Handy. Das kann ja viele nützliche Sachen. Ich hatte nur eine Zeitlang keine Mobiltelefonnummer. Aber zum Beispiel habe ich immer „ÖBB Scotty“ verwendet. Da weißt du innerhalb von 30 Sekunden, welchen Zug du nehmen kannst.

Wie viele Menschen aus Beruf und Familie haben Sie verflucht, als Sie plötzlich nicht mehr per Handy erreichbar waren? Für all diese Menschen war es eine Umstellung, so wie für mich. Aber es pendelt sich ein. Es ist ja nicht so, dass ich im Wald lebe und man mich nicht erreichen kann. Du rufst an, da ist ein Anrufbeantworter oder ich bin zuhause. Es dauert halt alles ein bisschen länger.

Sie haben das ja auch gemacht, um ein Vorbild zu sein. Was waren die Reaktionen? Viele Leute erzählen mir, dass sie auch etwas ausprobieren. Sie schreiben mir Briefe, denn E-Mail habe ich ja nicht mehr.

Es gibt also noch so etwas wie Fanpost. Das klingt wie aus einer anderen Zeit. Genau. Meistens sind sie auch handgeschrieben und beginnen so: „Es ist schon sehr lange her, dass ich einen Brief geschrieben habe, und ich entschuldige mich für meine Schrift.“

Ihr neues Kabarettprogramm – oder Ihr neuer Vortrag, wie Sie es nennen – ist Teil einer Trilogie. Auf „ICH – Ein Leben“ und „WIR – Ein Umstand“ folgt nun „ICH allein?“. Früher habe ich auf der Bühne immer eine bestimmte Personengruppe behandelt: die Häuslbauer, die Motorfreaks, mich selbst. Dann wollte ich ein neues Programm schreiben, das jeden einzelnen im Publikum einschließt, auch wenn sie ganz unterschiedliche Geschichten mitbringen. Also war mein Thema: Was ist der Unterschied zwischen Leben und Lebensgeschichte? Geburt, Heranwachsen, Erziehung, Fortpflanzung, Nahrungsaufnahme, Krankheit, Tod – diese Dinge betreffen alles, was lebt. Bei einer spontanen Veranstaltung im Kabarett Niedermair las ich einfach alles, was ich schon hatte, vor. Der Niedermair-Chef meinte, das ist eigentlich ein Vortrag und ganz lustig. Das habe ich dann weiterentwickelt, aber es entstanden immer mehr Ideen für einen zweiten und einen dritten Teil. Mit dem dritten Teil bin ich jetzt durch, und wie es aussieht, wird es einen vierten von drei Teilen geben.

Landet der dann wieder beim „Wir“? Das weiß ich nicht. Es werden eher Auskopplungen einzelner Themen, die in der Trilogie nur gestreift wurden.

Am Anfang Ihres Selbstversuchs wurde schon gemunkelt: Was ist denn jetzt mit dem Düringer los? Hat der den Verstand verloren? Er umarmt jetzt Bäume. Ha! Ich umarme keine Bäume. Ich schneide sie um, wenn sie mir im Weg sind.

Waren diese Reaktionen nicht ein klein bisschen kalkuliert? Haben Sie sich nicht spitzbübisch darüber gefreut? Überhaupt nicht. Ich hatte eine Phase Ende der Neunziger, da war so ein Druck auf mir, weil ich überall populär war. Egal, was ich gemacht habe: Kino, Stadthalle, Fernsehserie, ich hatte Tausende Leute. Und genau daran habe ich mich orientiert. Worum geht es im Leben? Einschaltquoten, viel Geld verdienen, Romy kriegen ‒ das ist wichtig. So habe ich lange übersehen, dass es mir selbst dabei immer schlechter ging. Irgendwann war mir klar: Das kann es nicht sein, dafür mache ich das nicht. Ich will Theater spielen, ich will reden auf einer Bühne. Was mache ich jetzt? Die einzige Möglichkeit war, das zu verändern, was ich auf der Bühne mache, und zwar radikal. Nur so konnte ich aus dem Druck rauskommen, den ich mir selbst gemacht habe. So habe ich mir das alte Publikum so ein bisschen zerstört. Allmählich hat sich aber ein neues aufgebaut. Wirtschaftlich ist für mich wichtig, dass Leute kommen und sich meine Vorträge anschauen. Das brauche ich, um meine Familie und die Menschen, die für mich arbeiten, zu versorgen. Im Garten habe ich einen Wohnwagen mit 28 m2, damit hänge ich an keinem Netz. Wenn rund um mich alles zusammenbräche, ich würde es nicht bemerken. Bei mir geht alles weiter: Ich habe meinen Gemüsegarten, ich habe ein paar Schweindln, ich habe den Jagdschein. Ich wäre jetzt in der Lage, mich mit dem zu versorgen, was man wirklich braucht: einem Dach über dem Kopf, Wärme, Nahrung, Wasser. Daher bin ich entspannt für den Fall, dass einmal keiner mehr zu mir kommt. Da lebe ich dann dieses Plan-B-Leben, wo ich mich selbst versorge. Das heißt nicht, dass ich alles selbst herstelle, sondern dass ich mich mit meinen Nachbarn abspreche: Was habt ihr, was braucht ihr? Du brauchst nur eine Gemeinschaft, die miteinander kooperiert. Früher hat das Dorf geheißen.

Apropos Dorf: Wollen Sie Wiener Bürgermeister werden? Bitte was?

Es gibt Gerüchte. Ist das leicht in der Zeitung gestanden?

Ja. Sie sollen dementiert haben: „Das wäre ja ein sozialer Abstieg.“ Ah! Es gab eine Pressekonferenz von unserer Aktion „Tatort Hypo“. Da hat einer allgemein gefragt, ob das jetzt der Anfang ist und ich in die Politik gehe. Ich habe gesagt, das wäre ein sozialer Abstieg, weil ich jetzt ein freies Leben lebe und von niemandem abhängig bin. Was nicht heißt, dass ich nicht weiterhin, wenn es wichtig ist, zu bestimmten Themen etwas sage oder Menschen zum Nachdenken anrege. Aber: Was mache ich denn in Wien?

Dabei gibt es doch Erfolgsgeschichten von politisch aktiven Künstlern à la Jón Gnarr oder Beppe Grillo. Wenn ich bei einer Wahl in Wien antreten würde, gäbe es sicher Menschen, die mich wählen. Die wissen aber nicht, was sie tun. Wenn du einen Kübel mit lauter stumpfen Messern hast und du wirfst ein scharfes hinein, werden davon die stumpfen Messer dann scharf? Es haben schon viele gehofft, dass sie innerhalb des Systems etwas verändern können. Aber wenn du einmal drinnen bist... Die fahren ein Programm mit dir, so schnell kannst du gar nicht schauen.

Aber irgendwer muss doch versuchen, das System aufzubrechen. Das probiere ich ja auch.

Aber außerhalb des Systems. Außerhalb dieses einen Teils unseres Systems. Das System ist ja viel komplexer. Aber dieses parteipolitische System mit Parlament, Regierung und Klubzwang kann man von außen schon stören. Das ist uns auch gelungen. Wenn ein Kasperl wie ich einen Brief an den Finanzminister zum Thema Hypo-Skandal schreibt, den in seinem Blog vorliest, der dann zwei Tage später in einer Zeitung abgedruckt ist und drei Tage später der Finanzminister und Vizekanzler um eine Termin bittet, dann ist die Kacke am Dampfen bei denen. Wir haben 200.000 Unterschriften gekriegt. Ich durfte 15 Minuten im Petitionsausschuss sprechen, konnte mir das also von innen anschauen und weiß, das ist kein Ort, an dem ich sein möchte.

Wie war es dort? Na ja, eigentlich traurig. Die sitzen dort mit ihren iPhones und iPads, tratschen und hören einander nicht zu. Am Schluss habe ich gesagt: Wie würden Sie sich verhalten, wenn die Menschen, die Sie gewählt haben, Ihre Kunden wären, Sie also nur dann bezahlen, wenn Sie eine Leistung erbringen?

Wurde auf die Frage reagiert? Nein, an denen prallt so etwas ja ab. Man muss schon eine dicke Haut haben in diesen Ämtern, die werden ja pausenlos angebrunzt: von den Medien, von allen. Warum tut sich das jemand an? Das habe ich auch den Herrn Spindelegger gefragt. 

Und daraufhin ist er zurückgetreten? Nein, das war vorher. Er hat gesagt, weil er etwas verändern möchte. Aber irgendwann merkst du, du kannst nichts verändern. Also: Ich werde nicht Bürgermeister.


ORIENTIERUNG
Düringer über seinen neuen Vortrag „ICH allein?“

„In Teil 1 ging es um den Neandertaler, in Teil 2 um die von uns kreierte Wirklichkeit. Der dritte Teil kreist um die Frage: Was ist denn in diesem Ich überhaupt noch drinnen? Wir Menschen kommen halbfertig auf die Welt. Wir müssen lernen, lernen und lernen. Unser Neocortex ist dreimal so groß wie der eines Schimpansen, die Wirklichkeit wird auf uns erst draufgespielt. Wir haben nicht mehr so viele Instinkte wie Tiere, aber die Möglichkeit, aus vielem auszuwählen, ist auch für viele ein Fluch. Du brauchst eine Orientierung, und die wird von deinen Rahmenbedingungen vorgeben, von der Gesellschaftsstruktur. Das schaue ich mir in drei Themenblöcken an: Information, Religion und Zeit.“

25. November und 10. & 11. Dezember 2014 im Wiener Stadtsaal

www.dueringer.at

www.gueltigestimme.at

 

In Autor Tags Interview, Kabarett

PARALLELSPUREN/PÁRHUZAMOS NYOMOK. BUDAPEST–WIEN 1914–2014 – Ausstellung der Akademien der bildenden Künste in Wien und Budapest

November 20, 2014 Martin Pesl
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© Maurizio Cirillo,  „Weißer Ort“

Auftraggeberin

xhibit akademie der bildenden künste wien

Auftrag

Lektorat der deutschen Katalogtexte und Übersetzung zweier Aufsätze aus dem Ungarischen ins Englische 

Projektinfo

„Parallelspuren/Párhuzamos nyomok. Budapest-Wien 1914-2014“ erforscht beide Städte als Modelle der sich rasch verändernden gesellschaftlichen, urbanen und geopolitischen Strukturen am Beginn der Moderne und beleuchtet deren Verhältnis im Gedenkjahr 2014. 

Die Projektgruppen des Fachbereichs Kunst und Fotografie der Akademie der bildenden Künste Wien und des Doktorinstituts der Ungarischen Akademie der bildenden Künste orientierten sich an situationsbezogenen Praxen, erkundeten zunächst den urbanen Raum in Budapest und Wien und entwickelten ihre jeweiligen Arbeiten aus diesem Austausch und den gemachten Erfahrungen. Dieser Prozess ermöglichte andere, unerwartete Sichtweisen auf Stadtgeschichte(n), Moderne und kollektives Erinnern und mündete in eine Reflexion des Verhältnisses zwischen den beiden Staaten, deren historische Entwicklungen im 20. Jahrhundert nicht unterschiedlicher hätten sein können.

xhibit Akademie der bildenden künste wien

Der fertige Katalog von außen &nbsp;&nbsp;© Martin Thomas Pesl

Der fertige Katalog von außen   © Martin Thomas Pesl

In Lektor, Übersetzer Tags Ausstellung, Kunst, Ungarn

DEALER, DOLLARS, DEMOKRATIE – Nachtkritik aus dem Werk X

November 14, 2014 Martin Pesl
&nbsp;Dennis Cubic, Tim Breyvogel, Christian Dolezal und Constanze Passin in „Seelenkalt“ © Chloe Potter

 Dennis Cubic, Tim Breyvogel, Christian Dolezal und Constanze Passin in „Seelenkalt“ © Chloe Potter

Wladimir Putin ist böse, da sind sich bei uns wohl die meisten einig. Freilich gilt das nicht für eine ganze Menge Russen: Die mögen Putin oder nehmen ihn zumindest als gegeben hin. Das hallt als verstörende Erkenntnis einer Uraufführung nach, die den "Schlüsselroman der Generation Putin" auf die Bühne bringt. Millionen 30-jährige Russen haben ihn seit 2006 gelesen, auf Deutsch hingegen landete Sergej Minajews "Seelenkalt" nur in der Hardcore-Nische des Heyne-Verlags.

Dieses Stück Popliteratur heute hier in Wien auf die Bühne zu bringen, ist gewagt. Nicht dass der Autor sich als Putin-Anhänger deklarieren würde: Der sieht das schon alles recht sarkastisch distanziert – aber eben aus einer Innenperspektive heraus, was den liberalen westlichen Konsens doch irritieren könnte. Minajew schildert eine herzlos-dekadente Managerwelt, wie wir sie bei Bret Easton Ellis schon lasen, mit Koks, rauem Sex und eher disharmonischem Arbeitsklima. Nur besteht für Erzähler Alexander das eigentliche Problem darin, festzustellen, dass sein Kollege von einem Typen einen geblasen kriegt und nicht von einer Frau.

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In Autor Tags Kritik, Theater, Roman

DER HUNDERTJÄHRIGE, DER DURCHS FENSTER STIEG UND NICHT MEHR GEHEN WOLLTE – Buchrezension zu Elena Messners „Das lange Echo“ im bellelit 2014

November 13, 2014 Martin Pesl
© Edition Atelier

© Edition Atelier

Der Hundertjährige, der durchs Fenster stieg und nicht mehr gehen wollte

Über eine gesamtgesellschaftliche Sinnsuche des vergangenen Gedenkjahres zum 1. Weltkrieg in Romanform

Jetzt ist es auch schon wieder vorbei, das große Gedenkjahr 2014. Keine Institution kam daran vorbei, den großen Krieg zu thematisieren, wenn sie nur in irgendeiner Form ein Programm zu gestalten hatte: ein informatives, ein kulturelles, ein unterhaltendes. Es nicht zu tun, ging nicht, gleichzeitig musste man sich dessen bewusst sein, dass alle anderen es auch tun werden, und sich kreativ von ihnen abheben. So manche Kuratoren, Verlegerinnen, Dramaturgen und Intendantinnen werden den Ersten Weltkrieg verflucht haben, und das nicht nur, weil er halt schrecklich war.

Auch die Edition Atelier hat ein Buch zum Thema herausgebracht, klar. Aber Das lange Echo von Elena Messner ist ein ganz besonderer Beitrag, weil es das Metabuch zum Gedenkjahr ist. Es ist das prophetische Prequel, die vorgeschickte Erinnerung an die Erinnerung. Es behandelt den Krieg, vor allem aber die Behandlung des Krieges im überspannten wissenschaftlichen Diskurs anno 2014. Erschienen ist es im Frühjahr, geschrieben wurde es naturgemäß noch bevor das große Jahr eingeläutet wurde. Und wie war es jetzt wirklich?, haben wir Elena Messner gefragt. »Museen, politische Gruppen, Verlage, Theater und Medien haben ihren politischen Positionen entsprechend agiert, insofern gab es da keine großen Überraschungen«, resümiert sie, die mittlerweile in Marseille lebt. »Das Österreichische Kulturforum und die österreichische Botschaft in Belgrad haben Vorträge dazu organisiert, welche Schuld Habsburg am Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte, die Kriegstreiberei im Rahmen der Julikrise 1914 von damaligen Militärs und Politikern wurden thematisiert. Pa­rallel dazu wurden aber auf ›inoffizieller‹ Ebene in Medien oder von einzelnen österreichischen Verlagen mit entsprechender Ausrichtung ganz entgegengesetzte Interpretationen der Ereignisse geliefert, die entlastende Funktion hatten. ›Sinn‹ ist ohnehin etwas, das politisch und kulturell mitkonstruiert wird, und insofern, wenn ich polemisch sein darf, dienen solche Gedenkjahre der gesamtgesellschaftlichen Sinnsuche.«

Die 1983 in Klagenfurt geborene Elena Messner hat in die Vorbereitungen zu dem einen oder anderen Gedenkprojekt hineingeschnuppert und dabei gerade in Österreich eher eine Verteidigungshaltung als ein reflektiertes Gedenken vorgefunden. Das inspirierte die Literaturwissenschaftlerin, Übersetzerin und Dozentin dazu, für ihren Roman einen Wiener Weltkriegsgedenkkongress zu erfinden, wie er bestimmt genau so irgendwann im Jahr 2014 stattgefunden hat, und an dem sich zwei Historikerinnen über die Interpretation eines Vorfalls aus dem Jahr 1916 streiten. Dabei gelingt es der Autorin, auf nicht einmal 200 Seiten sowohl besagten Vorfall aus dem Kriegsgeschehen als auch die darüber geführte – und über einem Bier beim Stadtheurigen fortgesetzte – Debatte auf den Punkt zu bringen und zu verdichten.

Eine als Roman getarnte trockene historische Abhandlung ist das schon deshalb nicht, weil sowohl die alte, als auch die neue Geschichte zwar gründlichem Quellenstudium entwachsen, aber rein fiktiv sind. Vielmehr zeigt Messners Streitgespräch, von wie vielen Schichten die Beschäftigung mit der Vergangenheit überlagert wird, und wenn es nur eine gar gegenwärtige persönliche Antipathie ist, kombiniert mit dem Wunsch, einen stillen Zuhörer zu beeindrucken. Dass sich die Verfasserin dabei ungeniert auf die Seite der jungen Assistentin wirft, die die rückwärtsgewandte Direktorin des Heeresgeschichtlichen Museums angreift, stört dabei nicht. Im Gegenteil, es erleichtert den Zugang zur anderen Geschichte: zu jener des slawischstämmigen Soldaten Milan Nemec, der auf der Seite der Habsburger kämpfen musste und dabei angesichts skrupelloser Gräuel, wie sie in militärhistorischen Kontexten beim Erinnern gerne vergessen werden, seines Patriotismus verlustig ging. Und ganz am Rande reüssiert der Roman noch auf einer anderen, durchaus überraschenden Nebenfront: »Jemand hat mir gesagt, ich hätte die schönste Liebesgeschichte geschrieben, die er je gelesen hat«, berichtet Elena Messner.

Da die Autorin in Marseille lebt und unterrichtet – übrigens in Vorbereitung eines neuen Romans über diese Stadt –, hat sie 2014 relativ wenig österreichischen Gedenkprunk besucht. Im Heeresgeschichtlichen Museum war sie aber natürlich, und obwohl sie betont, dass das gleichnamige Haus in ihrem Buch nicht mit dem realen Museum identisch sei – »auch wenn weder Figuren noch Räume und Denkweisen völlig frei erfunden sind« –, fühlte sie sich in ihren sarkastischen Prophezeiungen bestätigt. »In diesem Jahr wurden mehrere Millionen für einen Umbau im Museum ausgegeben. Die Fetischisierung der Militärobjekte wurde innenarchitektonisch weitergetrieben, indem man versucht, den Blick auf die Objekte zu lenken, die wie Reliquien ausgestellt sind. Dieses Konzept ist eine aussagekräftige Antwort auf die letzten Zeilen meines Romans.«

Der altbekannte Slogan des Hauses, »Kriege gehören ins Museum«, lasse zwar auf eine reflektierte Betrachtung österreichischer Militär- und Gewaltgeschichte hoffen, doch sei, so beobachtet die Autorin, das Heeresgeschichtliche Museum mit der neuen Ausstellung »einen armee- und habsburgaffinen Weg« gegangen. »Ausgeblendet werden weiterhin Kriegsverbrechen der Habsburgischen Truppen, die komplizierten Ursachen des Krieges, das Grauen in den Schlachten, das zivile Leben im Krieg, das tägliche Leiden der Soldaten oder die komplizierte Frage des Zusammenhangs von Politik und Gewalt«, kritisiert sie. »Dabei sind Militärmuseen nicht zwangsweise dazu verdammt, armeeaffine Ausstellungen zu produzieren, die unkritisch mit der Militärgeschichte ihres Landes umgehen. Das vergleichbare Museum der Bundeswehr in Dresden hat etwa einen ganz anderen Weg eingeschlagen.«

Und das Thema Krieg geht weiter. »Nächstes Jahr kann man mit vier Anlässen gleich weitermachen: 200 Jahre Wiener Kongress, 70 Jahre Kriegsende, 60 Jahre Staatsvertrag, 20 Jahre EU-Beitritt«, macht Messner nicht gerade Lust auf die nahe Zukunft. »Nicht jedes ›Jubiläum‹ wird von einer breiten Bevölkerungsschicht und vielen Medien gleichermaßen ›angenommen‹ – es bleibt eine Frage der gesamtgesellschaftlichen Ausverhandlung, ob und wie stark bestimmte historische Ereignisse auf Interesse stoßen.« Und was den Ersten Weltkrieg betrifft: Noch bis 2018 wird man sich künstlich und künstlerisch exakt hundert Jahre später an den Krieg und hoffentlich auch an seine Gräuel erinnern; dieser Krieg ist der Hundertjährige, der durchs Fenster hereinkletterte und nicht aufhörte, Faxen zu machen. Gequält wird man sich über die Grenze zwischen Erinnern, Gedenken und Zelebrieren manövrieren. Zwischendurch darf man getrost den einen oder anderen Fernsehbericht auslassen und in Elena Messners fiktives Heute eintauchen, das nicht weniger real ist, aber besser geschrieben.


Elena Messner
Das lange Echo
Roman
192 Seiten | 18,95 Euro
E-Book: 12,99 Euro

 

In Autor Tags Rezension, Buch, Roman
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