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Martin Thomas Pesl – Autor, Übersetzer, Sprecher und Lektor

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Martin Thomas Pesl – Autor, Übersetzer, Sprecher und Lektor

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DER WAL ZUR WAHL

October 5, 2014 Martin Pesl
© Urlaubslektüre: Heinrichs Steinfests ziemlich sicher nicht Buchpreis-gekrönter „Allesforscher“

© Urlaubslektüre: Heinrichs Steinfests ziemlich sicher nicht Buchpreis-gekrönter „Allesforscher“

Wenig ist sicherer, als dass Heinrich Steinfests Roman „Der Allesforscher“ den Deutschen Buchpreis 2014 morgen Montag nicht gewinnen wird. Des Österreichers Ausflug aus dem skurrilen Krimifach in ein Gefilde, das sich erst nach längerem Lesen ins skurrile Romantikfach einordnen lässt, ist zu sehr Überraschungskandidat auf der Shortlist, um tatsächlich auch als Überraschungssieger hervorzugehen. Man stellt sich vor, wie die Jury diese sechste Nominierung eigentlich gar nicht vergeben wollte, sich nicht so recht einig war und dann aber das eigene leicht verstörte Schmunzeln zum Anlass nahm, diesem eben keineswegs alles erforschenden, sondern sehr individuellen Werdegang eines Mannes vom Profimanager und Hürdenläufer zum Hobbyvater und Hobbykletterer einen Aufmerksamkeitsboost zu verpassen.

Umso seltsamer, dass das schon im Frühjahr erschienene Buch bei Thalia zuletzt kaum zu finden war. Als ich es dann doch fand, war ich wirklich überrascht: Es fand sich bei den österreichischen Gegenwartsautoren und ging mit seinem kleinteilig-schrulligen Cover völlig unter. Kein Aufkleber: „Shortlist Deutscher Buchpreis!“, keine Vorrückung auf die mariahilferstraßennahen vorderen Quadratmeter. Ich dachte, ich lese das Werk eines Quereinsteigers in den Literaturbetrieb, der selbst nicht weiß, wie ihm geschieht. Aber Steinfest wird wohl standfest in seiner Nische bleiben, der Nische des „Detailromantikers“, wie er sich nennt, der im Cheng-Krimi wie in seiner sonstigen Welt durch präzise Sprache und manchmal ein bisschen liebevolles Obergescheitsein besticht.

Schade eigentlich, denn es ist ein gutes Buch. Bis zur Hälfte hätte ich sogar gesagt: ein famoses Buch. Es wird von einem Mann namens Sixten Braun erzählt, der zweimal hintereinander knapp dem Tod entrinnt und dann sein Leben trotzdem nicht umkrempelt. Im Detail jedoch wird es von einem Mann erzählt, den ein platzender toter Wal in Taiwan ausknockt (angeblich gibt es sowas wirklich) und dem in weiterer (in sehr viel weiterer) Folge ein kleiner Bub zur Vaterschaft untergejubelt wird, der eine Sprache spricht, die sonst niemand spricht. Das Besondere hier ist die Art und Weise, wie derlei Kuriositäten sich in John-Irving-Manier (ein Autor, der im Text sogar vorkommt und eindeutig seine Spuren bei Steinfest hinterlassen hat) nahezu selbstverständlich ins Leben des Protagonisten einfügen, der damit gut argumentiert, umgeht, sie lieber beschreibt als etwas zu unternehmen. Denn Sixten Braun unternimmt wenig. Die Dinge passieren ihm. Der romantische Autor ist eben auch heutzutage einer, der dazu steht, das Leben seiner Figuren völlig unter Kontrolle zu haben.

So passiert eben auch das mit dem Kind. Simon heißt es, und Sixtens große Liebe Lana, die er aus geheimnisvollen Gründen selbst beim Sex nicht ganz ausziehen durfte, hat ihn vor ihrem Tod zur Welt gebracht. Aber Sixten forscht nicht nach, er bleibt ein Nichtsforscher mit positiver Grundhaltung, der die Dinge schon irgendwie meistern wird. Ein tröstlicher Zug, der die Lektüre mit leisen Dur-Melodien umschmeichelt – das wird Heinrich Steinfest freuen, denn er beschreibt am Anfang, wie schade er es findet, dass Filme Musik haben, Bücher aber nicht. Das führt aber auch dazu, dass sich manche Rätsel nicht ganz auflösen und dass in der dünnen Luft  der Tiroler Berge, in die die Protagonisten (später dann eine ganze Familie) aufsteigen, manch einer lieblichen, auch spirituell-esoterischen Detailschrulle der Atem ausgeht. Man kommt dann eben aus dem Staunen doch noch heraus.

Wenn sich der Roman auch anders entwickelt als in der dichten ersten Hälfte vermutet, so mündet er doch in eine Zen-Gelassenheit, wie sie gar nicht mehr so leicht hinzukriegen ist. Gut gemeint kann also doch auch gut sein. Viel gut. Feel good.

 

In Blog Tags Roman, Buch, Rezension, Sprache

WELT VON GESTERN – Nachtkritik aus dem Landestheater Niederösterreich

October 4, 2014 Martin Pesl
Stramm in Uniformen: "Radetzkymarsch und Die Rebellion" © Alexi Pelekanos

Stramm in Uniformen: "Radetzkymarsch und Die Rebellion" © Alexi Pelekanos

In St. Pölten haben sie Halloween einen Monat vorverlegt. Von der Bühne des Landestheaters gaffen tiefschwarze Augenringe aus knochigen Totenköpfen. Je später der Abend, desto toter die Gäste. Wenn der titelgebende „Radetzkymarsch“ von Johann Strauss (Vater) nach zweieinhalb Stunden endlich in einer grotesk verzerrten Fassung ertönt und jemand die Ermordung des Thronfolgers ankündigt, ist fast jeder in Zombieland angekommen. „Wir alle leben nicht mehr“, hat kurz vorher der Graf Chojnicki zum Baron von Trotta gesagt und damit die verblassende österreichisch-ungarische Monarchie unter Kaiser Franz Joseph gemeint. Aber zu diesem Zeitpunkt haben alle schon verstanden, dass es auch für die Beteiligten der heutigen Eröffnungspremiere gilt.

Die Untotheit eines Systems, das sich längst überlebt hat, ist konzeptueller Ausgangspunkt der Inszenierung von Burgschauspieler Philipp Hauß. Er hat sich am Landestheater Niederösterreich bereits mit einer Nestroypreis-nominierten Inszenierung („Mamma Medea“) bewährt und erzählt jetzt dem allgemeinen Jahresmotto „Stell dir vor, es ist Krieg“ folgend eine Geschichte, die aus österreichischer Sicht zum Ersten Weltkrieg hinführt. Joseph Roths Monarchie-Abgesang „Radetzkymarsch“ schildert das Leben des Leutnants Carl Joseph von Trotta und seiner Vorfahren, deren einer dem Kaiser in der Schlacht von Solferino das Leben rettete und zum Helden hochstilisiert wurde. Die Allgegenwart des Großvaters, des Helden, und die kühle Strenge des Vaters, des musterhaften Beamten, lasten auf Carl Joseph, er findet nie so richtig zu sich, obwohl bzw. weil er zwangsläufig auch die Militärlaufbahn antritt.

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In Autor Tags Kritik, Theater

JENSEITS VON GUT UND BÖSE – Interview mit Sarah Gadon & Co. im WIENER 394

October 1, 2014 Martin Pesl
Vereint in Eleganz und Mystik: Dominic Cooper an der Seite von Prinzessin Sarah Gadon und Dracula Luke Evans © WIENER

Vereint in Eleganz und Mystik: Dominic Cooper an der Seite von Prinzessin Sarah Gadon und Dracula Luke Evans © WIENER

JENSEITS VON GUT UND BÖSE

Der Blutsauger als Blockbuster: „Dracula Untold“ erzählt die fantastische Geschichte des Vlad Tepesch. Der WIENER traf die Stars ins London und verliebte sich in die Prinzessin. Der Film läuft in Österreich ab 2. Oktober im Kino.

Laut Filmdatenbank wurde Vlad Tepesch alias Dracula bereits über 400-mal von Schauspielern in einer wie auch immer gearteten Filmversion verkörpert: zuerst 1921 in einem ungarischen Stummfilm, dann von Max Schreck im berühmten „Nosferatu“, es folgten Kapazunder wie Klaus Kinski, Gary Oldman und natürlich Christopher Lee. Nun verspricht eine Neuverfilmung buchstäblich Unerhörtes: „Dracula Untold“ von Gary Shore ist als gigantischer Blockbuster aufgezogen und erzählt eine fiktive, weil völlig fantastische, aber auf diversen historischen Quellen basierende Vorgeschichte des von Bram Stoker in die Welt gesetzten Mythos. Wie wurde Vlad Tepesch zu ihm, den sie den Pfähler nannten?

In London, Wochen vor dem weltweit gleichzeitigen Filmstart, bleibt dieses Geheimnis vorerst „untold“. Man bekommt einen Trailer zu sehen, der Action und Düsternis verspricht. Man fragt Dominic Cooper, der Vlads Gegenspieler Mehmed spielt, ob man eigentlich Humor in dem Film zu erwarten hat, und er überlegt etwas zu lange. Also nein. Man erinnert Cooper, dass das nach „Abraham Lincoln Vampirjäger“ ja schon seine zweite Mitwirkung in einem Blockbuster mit Blutsaugerbezug ist, und er sagt: „Wie ist das nur passiert?“ Aber er sagt auch den schönen Satz: „Mir gefällt, dass ich den Bösewicht in einem Film über einen Bösewicht spiele.“

Diesen Bösewicht, der hier annähernd so etwas wie der Gute ist, gibt der walisische Schauspieler Luke Evans („Der Hobbit – Smaugs Einöde“), der sich von dieser Hauptrolle den Durchbruch verspricht. „Böse Menschen wurden nicht böse geboren; er war kein böser Mensch, als er zum Blutsauger wurde“, erklärt Evans. „Vlad entscheidet sich dafür, gewisse Kräfte anzunehmen, um seine Familie und sein Erbe zu retten.“ Ein bisschen ist hier neben Fantasy, Action und Historienschinken also auch ein Familiendrama im Spielberg’sch großen Stil zu erwarten. Und tatsächlich erfahren wir später, dass Steven Spielberg der große Held von „Dracula Untold“-Regisseur Gary Shore ist. 

Und zwar erfahren wir das von ihr. Nach den beiden Männern schleicht Sarah Gadon in einem grünen Kleid nahezu unbemerkt in den Raum. Bevor sie lächelt, macht ihr glattes, puppenhaft helles Gesicht einem fast ein bisschen Angst, wie die tote Mutterfigur, die sie gerade in „Maps to the Stars“ verkörpert, ihrer dritten Zusammenarbeit mit Kultregisseur David Cronenberg in Folge. Und bevor ich meine erste Frage stelle, lächelt sie auch nicht. Cronenberg-Kunst und Studio-Blockbuster – ist das ein großer Unterschied? „Wieso? Das ist doch hier ein Cronenberg-Film! Zumindest hat man mir das erzählt, damit ich mitmache!“

Jetzt erst offenbart die 27-jährige Kanadierin, dass sie zum Scherzen aufgelegt ist, und lächelt neckisch. Etwas hat sich geändert, seit sie im Raum ist. Man fragt sich: Wie ist diese filigrane, intellektuelle Frau, die sich gerade behutsam an der Hand ihres Landsmannes Cronenberg in schauspielerische Höhen arbeitet, in diesen Blockbuster geraten? Und was wird sie mit ihm anstellen? Meist – auch hier – spielt sie an der Seite eines Mannes, wo sie ihre Loyalität herausgefordert sieht, aber schon nächstes Jahr wird sie in „Girls’ Night Out“ die junge Queen Elizabeth II. darstellen.

Und so endet ein kryptischer Pressetag in London mit der Lebensgeschichte einer kleinen Prinzessin jenseits von Gut und Böse, einer Vollblutschauspielerin mit dem gelehrten Blick von außen. „Es war ein großer Unterschied“, gesteht sie schließlich. „Aber ich habe mich gezielt darauf eingelassen: Ich wollte wissen, wie es ist, in solchen Maßstäben zu arbeiten. Und es war unglaublich: gigantische Kulissen, grandiose Locations, Frisuren und Kostüme haben uns komplett verwandelt, es war Wahnsinn, ein immenses Spektakel.“

Was war einschüchternder: Queen Elizabeth oder Draculas Frau zu sein? Ich habe vor jedem Film eine Art Panik: Hätten sie mich bloß nicht ausgewählt! Es ist eine große Verantwortung, einem Charakter Integrität zu verleihen. Und nur weil Mirena eine fiktive Figur ist, heißt das nicht, dass ich sie nicht so real wie möglich gestalten will. Bei Elizabeth gibt es natürlich ein enormes reales Vorbild, gleichzeitig spiele ich einfach ein junges Mädchen.

Gerade waren Sie auch in „Dido Elizabeth Belle“ zu sehen, erstmals unter der Ägide einer weiblichen Regisseurin, Amma Asante. Ich wollte damals gezielt mit einer Regisseurin arbeiten, weil ich auf der Uni einen Kurs über feministischen Film belegte. Ich hatte alle Statistiken darüber gelesen, dass Filmemacherinnen oft nicht mehr als einen Film machen. Und „Belle“ war Ammas zweiter Film, also war das meine Chance, die Statistik zu besiegen.

Wären Sie denn selbst gerne eine weibliche Regisseurin? Ich habe es versucht mit einer halbstündigen Doku über Caitlin Cronenberg, Davids Tochter, die Kamerafrau ist, die kommt nächstes Jahr raus. Aber es hat mir nicht besonders viel Spaß gemacht. Lieber würde ich Filmfestivals programmieren.

Woher kommt dieses offensichtliche Interesse an Film abseits der eigenen Rollen? Meine Eltern sind Akademiker: meine Mutter ist Psychologin, mein Vater unterrichtet. Ihnen war sehr wichtig, dass ich auf die Uni gehe, obwohl ich nach der Schule eigentlich Vollzeit schauspielern wollte. Meine Mutter sagte: „In diesem Geschäft nimmt man so viel von dir, aber so einen Abschluss kann dir niemand wegnehmen.“ Also habe ich Teilzeit Film studiert und abgeschlossen und bin sehr froh darüber, weil es meine Arbeit untermauert. Es gibt viele frühe Stummfilme, die ich sonst nie zu sehen gekriegt hätte.

Macht dieses kritische Auge es nicht schwerer, die eigenen Filme zu sehen? Ja, man wird wahnsinnig kritisch gegenüber der eigenen Arbeit. Aber es hilft auch, dass ich gelernt habe, mir einen Film nicht nur dahingehend anzuschauen, ob er gut oder schlecht ist.

Haben Sie für diese Rolle eine Inspiration? Der Regisseur hat mir gesagt, ich soll mir viel Spielberg anschauen. Wenn man einen Film dieser Größenordnung macht, ist Spielberg der perfekte Anhaltspunkt, denn er hat den Blockbuster erfunden.

Und wer hat Sie dazu inspiriert, Schauspielerin zu werden? Ich war von der Ballerina Margot Fontayn fasziniert, denn zuerst habe ich ja Ballett studiert. In Sachen Film haben mich Katherine Hepburn und Grace Kelly angezogen: klassische Ladys.

Wie kam es zu der fruchtbaren Beziehung zwischen Ihnen und David Cronenberg? Das Faszinierendste an Davids Arbeit ist die Vielschichtigkeit im Denken. Nichts ist so dicht wie ein Cronenberg-Film. Als Schauspieler darf man all diese Schichten, die alle etwas bedeuten, nacheinander freilegen – alles hat Kontext und Bezüge. Man arbeitet an einem riesigen Puzzle. Ich habe ihn aber erst kennengelernt, als ich die Rolle im Freud-Film „Eine dunkle Begierde“ schon hatte. Ich traf ihn erst, als ich voll kostümiert und frisiert am Set ankam. Es war furchterregend. Den ganzen Film hindurch hatte ich Panik. Dabei ist er sehr liebenswert und offenherzig. Aber er verhätschelt einen nicht. Er pusht dich.

Auf Twitter werden Sie immer noch täglich nach Robert Pattinson gefragt. Das ist nicht normal! Robert und ich hatten sieben gemeinsame Drehtage, und ich glaube, dass ich in Zukunft jedes Mal werde darüber sprechen müssen. Diese Art Ruhm ist extrem einschüchternd für mich. Prominenz hat sehr viel mit dem Ego zu tun und nichts damit, was du als Schauspieler machst. Ich versuche, darüber nicht allzu viel nachzudenken und mein Leben davon nicht bestimmen zu lassen. Auch Stars spielen einfach eine reale Person.

Folgen Ihnen denn schon Paparazzi? Manchmal. Aber ich habe das Glück, dass mein äußeres Erscheinungsbild sich von Film zu Film stark verändert. Ich sehe in Wirklichkeit nie so aus und spreche anders. Oft sind Leute, die mich treffen, überrascht, dass ich keine Engländerin bin. Bei der Premiere des Freud-Films in Venedig saß ich neben Vincent Cassel, der auch mitspielt. Und er erkannte mich nicht. Das heißt wohl, dass ich meine Sache gut gemacht habe...


UNERHÖRTES AUS TRANSSYLVANIEN: DRACULA UNTOLD

DER FILM. Dass es den Grafen Dracula wirklich gab, wissen die meisten. Dass er im 15. Jahrhundert dem Fürstentum Walachei (heute Rumänien) vorstand, so genau hat man es dann doch nicht recherchiert. Mit vielen Spezialeffekten verspricht Universal nun eine Geschichtsstunde der blutigen Art. Der Waliser Luke Evans rächt sich, indem er zum Pfähler wird, Sarah Gadon ist seine Frau, Dominic Cooper der Quasi-Halbbruder und erbitterte Gegner. Mehr ab 2. Oktober im Kino.

www.draculauntold.com

SARAH GADON. Eigentlich wollte die 1987 in Kanada geborene Akademikertochter Balletttänzerin werden, dann wurde sie Schauspielerin und studierte nebenbei noch Filmwissenschaft, um zu wissen, was sie da tut. In „Enemy“ sieht man sie nackt (aber schwanger) an der Seite von Jake Gyllenhaal, der Rest ist Cronenberg. In dessen beklemmendem „Maps to the Stars“ spielt sie etwa einen Geist. Noch twittert sie heiter und vom Starruhm des Schauspielkollegen Robert Pattinson unbehelligt. Kommt schon noch.

In Autor Tags WIENER, Kino, Interview, Film

INNENANSICHTEN

September 22, 2014 Martin Pesl
Verpasste Paula-von-Preradovic-Nachfolgerin. © AP Photo, Frank Augstein

Verpasste Paula-von-Preradovic-Nachfolgerin. © AP Photo, Frank Augstein

Heute Abend hat im Theater Drachengasse eine Produktion Premiere, die sich einer Vorankündigung entsprechend dem „Sprechen über Frauen“ widmet, den Titel „Die Kümmerinnen in: Leuchtkraftformel“ trägt und womöglich gar nichts mit dem Gendern von Texten (also quasi mit dem Binnen-I) zu tun hat – ich werde es selbst feststellen und bin schon sehr gespannt. Ich wollte diese Premiere dennoch zum Anlass nehmen, meinen Senf zu dem eh gerade wieder im Abebben begriffenen Thema dazuzugeben, das einige als „geschlechtergerechte Sprache“ bezeichnen und andere als „Kampf um die sprachliche Normalität“. Stichwort „Gender-Wildwuchs-Brief“. Stichwort „Hymnentöchter“. Ich habe 15000 Zeichen geschrieben und dann festgestellt, dass es gar nicht zu mir passt, mich groß in polemische Webdebatten einzumischen. Außerdem habe ich keine Ahnung von der historischen Entwicklung und der richtigen Terminologie in diesem Feld. Und doch hat fast alles, was ich mache, irgendwo mit der deutschen Sprache zu tun; ich muss mich damit beschäftigen. Also habe ich mir erlaubt, den Text etwas zu entpseudoprofessionalisieren, etwas einzudampfen und auf eher zusammenhanglose Punkte zu reduzieren, die aus meiner Sicht relevant sind. Ich äußere mich nicht als Verfechter einer Seite oder einer Ideologie, sondern als praktischer Sprachanwender – teils beim Verfassen eigener Texte, teils beim Lektorat der Texte anderer.

1. Übermäßige Aufregung im Zusammenhang mit dem Gendern (also der wie auch immer gearteten systematischen Kennzeichnung des Geschlechts von Personen oder Personengruppen Formulierungen) wie im Brief 800 genervter Schreibender an die Unterrichtsministerin an den Tag gelegt ist eigenartig, weil zwingend wirkungslos. Und es erhitzt nur die Gemüter einer politisch aufgeladenen Gegenseite. Zwar gendert das Ministerium in seinen eigenen Texten, aber es handelt sich ja um kein Gesetz, das es erlassen hat und an das man sich halten muss, wenn man etwas schreibt. Es steht daher allen Schreibenden (bzw. allen Publizierenden, die eine Richtlinie vorgeben) offen, es in welcher Form auch immer anzuwenden oder auch nicht.

2. Die in dem Brief angebotene und auch vom österreichischen Normungsinstitut vertretene „Lösung“, statt des Binnen-I durchgehend eine männliche und eine weibliche Form gesondert anzuführen, kann kaum ernstlich von jemandem gekommen sein, der regelmäßig Texte schreibt. Damit hat man es sich sehr leicht gemacht. Stellen Sie sich einen Text vor, in dem es nur so von Personengruppen wimmelt: Besucherinnen und Besuchern eines Museums, die von den Aufseherinnen und Aufsehern angehalten werden, die Bilder nicht zu berühren, um die Künstlerinnen und Künstler nicht zu pikieren, was sich in einer negativen Besucherinnen- und Besucherstatistik niederschlägt. Wenn ich mich bei einem Lektorat mit der Vorgabe konfrontiert sehe, in jedem Fall, in dem Personen ebenso weiblich wie männlich sein können, dies auch so zu kennzeichnen, möchte ich am liebsten mit dem Kopf gegen die Wand rennen. Mit einem solchen Text ist es nahezu unmöglich, noch etwas anderes zum Ausdruck zu bringen als den Umstand, dass die Welt der Museen aus männlichen Menschen und weiblichen Menschen besteht.

3. Dass sehr, sehr viele nach wie vor nicht gendern (sei es, weil sie es für sinnlos oder falsch halten, weil sich die Sprache in etlichen Konstruktionen dagegen sperrt oder auch weil sie es einfach nicht so gut können), zeigt, dass es sich nicht wirklich durchgesetzt hat. Auch nach mehreren Jahrzehnten ist es nicht gelungen, eine einheitliche Form zu finden, die von breiten Schreibenden- und Sprechendenschichten angenommen wurde. Journalistische Qualitätspublikationen, die einigermaßen hochfrequent erscheinen, können es sich schlichtweg nicht leisten, ihre aus verschiedensten Ecken kommenden Beiträge konsequent durchzugendern. 

4. Beim Lektorieren von Texten mit dem Auftrag, konsequentes Gendern zu beachten, setze ich oft alle Tricks in Bewegung, um krude, als unlesbar verschriene Formen zu umgehen, und stelle dann fest, dass ich den Text mehr und mehr entmenschlicht habe, weil ich eben von der „Assistenz“ spreche und nicht mehr von Assistentinnen oder Assistenten. Wollen wir das? 

5. Manchmal werden die männliche und die weibliche Form abwechselnd verwendet. Theoretisch eine kompromissfreudige Idee, die den „Lesefluss nicht so stört“ wie die anderen Innen-Versionen. Aber wenn dann die Rede von „Ärzten, Patientinnen, Dienstgebern und Dienstnehmerinnen“ ist, ja dann erst wäre es gerechtfertigt, im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit und politischen Korrektheit auf die Barrikaden zu steigen. Aha, Sie finden also, dass Ärzte eher männlich sind? Und die armen Kranken, die sich ihren gierigen Untersuchungsaugen unterziehen müssen, das sind eher die Frauen? – Dann formuliere es halt umgekehrt, wäre die Ad-hoc-Antwort.

6. Egal, wie man es dreht und gendert, im Kopf wird ein Film ablaufen, der mit Geschlechterverteilung zu tun hat. Das ist dann gewollt, wenn das Kommunikationsziel des Textes darin bestand, geschlechterbezogene Inhalte anzuregen. Wenn dem aber nicht so ist, hat der Text sein Thema und die Sprache ihr Ziel verfehlt, mittels Zeichen Verständigung über etwas Bezeichnetes zu schaffen. Und vor allem ist in all diesen Fällen die geschlechtergerechte Sprache eben wegen der Assoziationen, die sie weckt, das nicht, was sie sein sollte: geschlechtergerecht. Ich finde es sogar ziemlich geschlechterungerecht, Geschlechtlichkeit dort zu säen, wo keine ist, nur um sich an ein diffuses Regelwerk an Korrektheit zu halten, das man nicht unter Kontrolle hat.

7. Wenn die Ministerin den Briefschreibenden antwortet, wer Frauen sprachlich ausblende, mache sie unsichtbar, dann stimmt das meiner Meinung nach gerade nicht – nicht mehr. Wenn Sie hören: „Lehrer verdienen so schlecht“, stellen Sie sich dann wirklich vor, wie neben einer Schultafel lauter Menschen mit Brusthaaren und Penissen stehen und mit heruntergezogenen Mundwinkeln ihre leeren Hosentaschen herzeigen? Ich nicht. Ich stelle mir, wenn überhaupt, Frauen und Männer vor, und ihre Geschlechtsteile sind mir in diesem Zusammenhang relativ egal. Das war vor zehn Jahren vielleicht anders. Und geändert hat es sicherlich aufgrund all der sprachkritischen Debatten zum Thema, die in den letzten Jahren geführt wurden. Frauen sind sichtbar aufgrund der implizit in unseren Hinterköpfen sitzenden Mahnung, dass sie sichtbar sind. Eigens hervorgehoben zwangsbeglückt man sie tendenziell mit einer Überrepräsentierung, die ihnen unter Umständen mehr schadet als nutzt. Heute erweckt die mit der männlichen Form gleichlautende neutrale Form mittlerweile geschlechtlich vielfältigere Assoziationen als früher, und sei es bei vielen womöglich nur aus lauter unterbewusster Dankbarkeit darüber, dass das ihnen so verhasste Splitting oder Binnen-I vermieden wurde.

8. Es MUSS möglich sein, über Menschen zu sprechen, ohne über ihr Geschlecht zu sprechen. Einige Universitäten und andere Institutionen haben zu diesem Behufe die weibliche zur neutralen Form erklärt (generisches Femininum). Das könnte (mit wenigen Abstrichen in Fällen, bei denen es einfach keine weibliche Form gibt) funktionieren, würden es alle so machen. Innerhalb bestimmter eingeschworener Gemeinden sprachlich hoch begabter Sprachrevolutionäre funktioniert es auch. Aber das führt keinen gesellschaftlichen Wandel herbei, sondern befriedigt nur Einzelne. Niemals werden sich alle Deutschsprachigen auf das generische Femininum einigen, dazu ist es einfach nicht massentauglich genug, schon aus dem banalen Grund, dass „Leserin“ länger ist als „Leser“, also mehr Aufwand bedeutet. Und was Aufwand verursacht, das mögen die Leute nicht, also meiden sie es, wenn möglich. Der lektorische und editorische Aufwand für Publikationen von Einrichtungen, die sich auf das generische Femininum verständigt haben, an denen sich aber auch institutsferne Autoren beteiligen, muss immens sein! Das heißt nicht, dass gegenderte Texte niemals gute Texte sein können: Es bedarf nur großen Geschicks – es ist eine elitäre Angelegenheit.

9. Autocorrect will bezeichnenderweise aus „gegendert“ immer „gekentert“ machen. 

10. An die Briefschreibenden: Wenn Sie gegenderte Texte für unlesbar halten, dann lesen Sie sie nicht, wenn es nicht sein muss. Und wenn es doch sein muss: Augen zu und ... Na gut, Augen auf und durch. So schlimm wird es schon nicht sein.

11. Wenn ich beauftragt werde, bei Lektoraten auf das einheitliche und durchgängige Gendern zu achten, werde ich das auch in Zukunft nach bestem Wissen und Gewissen tun und dabei die Empfehlungen des Normungsinstituts, des Duden und anderer Wörterbücher sehenden Auges missachten. Wenn ich jedoch Texte verfasse, die auf meine eigene Kappe gehen, bei deren Erstellung ich mich also nicht an bestimmte Hausregeln halten muss (beim WIENER zum Beispiel: kein Gendern; bei Texten der creativ wirtschaft austria: Gendern unter Verwendung neutralisierender Formulierungen oder des Binnen-I), werde ich, wenn ich nicht gerade genderrelevante Dinge erzählen möchte, Personengruppen in der neutralen Form angeben, um meinen Kommunikationsinhalt zu vermitteln.

12. Dass diese neutrale Form mit der männlichen ident ist, ist natürlich kein Zufall. Es ist eine historische Ungerechtigkeit, aber ehrlich gesagt gerade in Bezug auf die Geschlechter eine von den weniger schlimmen. Und halt eine, gegen die sich flächendeckend nix Wirksames unternehmen lässt, wie wir erlebt haben, da trotz jahrelangen hartnäckigen Anklopfens die deutsche Sprache ihre Tore keinem Versuch eines geschlechtersensibilisierenden Eingriffs dauerhaft geöffnet hat. „Aha, und nur weil es immer so war, muss es deshalb immer so bleiben?“ Nein, natürlich nicht. Aber es kann sich nur von alleine ändern. Diejenigen, die das nicht auf sich beruhen lassen und dagegen mit sprachlich-formalen Konzepten angehen möchten, können, dürfen, sollen und werden es natürlich weiter tun. Sie sollten sich dabei aber dessen bewusst sein, dass ihre Texte nicht immer zu hundert Prozent das erzählen werden, was sie erzählen wollen, weil das, was sich erzählt, nun einmal von der Gruppe der Rezipienten abhängt. 

13. Mir ist klar, dass das eigentlich nichts mit dem Rest zu tun hat, aber meine Freunde nerve ich schon seit Monaten mit dieser Überlegung, und hier schaffe ich ihr nun Platz: Die Kommission zur zeitgemäßen Abänderung der Bundeshymne hat eine große Chance verpasst. Natürlich geht es heute nicht mehr an, dass in einem so identitätsstiftenden Text nur von Söhnen und Brüderchören die Rede ist (denn im Gegensatz etwa zu dem Wort Lehrer enthalten „Sohn“ und „Bruder“ im Deutschen eindeutig geschlechtsbezogene Informationen). Aber dieses Lied ist trotzdem ein poetischer Text und keine mathematische Formel, in der man einfach Variablen ändern kann, damit sie wieder passt. Und was passiert, wenn man willkürlich herumfuhrwerkt? Die Bevölkerung ist gespalten, patriotische Schlagersänger streiken angesichts des neuen Textes. Das kann ja nicht gewollt sein. Wir hätten es ähnlich machen müssen wie die Schweiz und einen gänzlich neuen und zeitgemäßen Text ausschreiben, über den dann alle abstimmen. Oder eben am Tag nach dem Song-Contest-Sieg in Kopenhagen das Momentum der gemeinsamen Euphorie der Patriotischen und der Weltoffenen ausnutzen und Conchita Wurst mit der Erstellung einer neuen Hymne beauftragen. 

Die Kümmerinnen in: Leuchtkraftformel
von Katharina Tiwald
22. September bis 4. Oktober, 20 Uhr
Theater Drachengasse, 1., Fleischmarkt 22


Nachtrag: Das Stück

Wie erwartet verging die kurzweilige Premiere „Die Kümmerinnen in: Leuchtkraftformel“ ohne ein einziges Binnen-I, nur ein paar sprachliche man/frau-Jonglagen hat sich Katharina Tiwald erlaubt, die den musikalischen Fluss ihrer „found footage opera“ aber nur perfektionieren. Dieses Stück will tatsächlich nicht mehr sein als ein lustvolles Sprachspiel, das sich an Floskeln und Un-Sätzen aufhängt, wie sie über Frauen oft unreflektiert geäußert werden, durchaus auch – vor allem im Mittelteil, der eine hysterische Redaktionssitzung einer Frauenzeitschrift abbildet – von Frauen selbst. Nachdem sich Katharina Tiwald ebenfalls in der Drachengasse am hochdramatischen Well-Made-Play versucht hat („Stalins Heiliger“), war die launige, ganz bewusst an der Oberfläche bleibende Sprachspielerei eine positiv überraschende Abwechslung.

Potenziert wird der Spaß durch die hervorragend organisierten Schauspielerinnen. Drei Kümmerinnen und eine Praktikantin mit grandios suchendem Blick stehen ganz in Weiß auf der Bühne und strudeln sich immer tiefer in den Sumpf des femininen Um-Kopf-und-Kragen-Redens hinein. Julia Nina Kneussel hat inszeniert und choreografiert und offensichtlich Wert darauf gelegt, dass Tempo und Rhythmus passen. Anna Maria Eder, Katharina von Harsdorf, Constanze Passin und Lisa Schrammel heißen die vier Sprechoperndiven, die den Abend auch dann erfreulich enden lassen, wenn der Redaktionssitzungssatz gefallen ist, der für Kritiker ein gefundenes Fressen darstellen müsste: „Liebe Damen, uns fehlt noch ein Thema.“

Hysterische Redaktionssitzung bei den Kümmerinnen, in der Mitte Lisa Schrammel. © Barbara Palffy

Hysterische Redaktionssitzung bei den Kümmerinnen, in der Mitte Lisa Schrammel. © Barbara Palffy

In Blog Tags Sprache, Essay, Kritik, Theater
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