Auftrag
Besprechung der Premiere „Zu der Zeit der Königinmutter“ in der Sendung „Fazit – Kultur vom Tage“
Auftraggeber
Deutschlandfunk Kultur
Projektinfo
Live am 23. Februar 2019, nach 23:05 Uhr auf Deutschlandfunk Kultur.
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Gertraud Jesserer © Elisabeth Gruber/Burgtheater
Besprechung der Premiere „Zu der Zeit der Königinmutter“ in der Sendung „Fazit – Kultur vom Tage“
Deutschlandfunk Kultur
Live am 23. Februar 2019, nach 23:05 Uhr auf Deutschlandfunk Kultur.
Wenn man Gaston Leroux überhaupt kennt, dann als Autor der Romanvorlage zum Musical „Das Phantom der Oper“ – und auch hier denken viele, das habe Andrew Lloyd Webber erfunden. In Wirklichkeit wäre Leroux dafür zu rühmen, dass er das Genre der Locked-Room-Mystery geprägt und damit anglophonen Granden der Unterhaltungsliteratur wie John Dickson Carr, Arthur Conan Doyle und ein klein bisschen Agatha Christie den Weg geebnet hat (die Queen of Crimefreilich ging es entspannter an und sparte sich meist das bei entdeckter Leiche zum Himmel geschriene pathetische „Es ist unmöglich!“).
Es ist wirklich ein Jammer, dass dieses Subgenre des Krimis, das handwerkliche Meisterschaft erfordert, in Zeiten von DNA-Analysen und Leserschwund kaum noch eine Chance hat: Verbrechen, deren technische Ausführung auf den ersten Blick nur übersinnlichen Kräften möglich scheint, typischerweise weil sich das Opfer in einem von außen verschlossenen Raum ohne Fluchtmöglichkeit befindet. Der Pariser Reporter Gaston Leroux schien dafür aus seiner journalistischen Praxis zu schöpfen. In Lerouxs ersten Romanen „Das Geheimnis des gelben Zimmers“ (1907) und „Das Parfum der Dame in Schwarz“ (1908) spürt sein Alter ego, der 18-jährige Joseph Rouletabille, diversen scheinbar unmöglichen Situationen nach und dröselt sie schließlich, wie später Holmes oder Poirot, zum allgemeinen Erstaunen auf. Begangen wurden sämtliche Morde und Beinahe-Morde vom Meisterdieb Ballmeyer, nur dass das am Ende des „Zimmers“ eine große Überraschung darstellt, während es im „Parfum“ darum geht, zu entschlüsseln, als welcher der Anwesenden sich Ballmeyer verkleidet hat. Komplex? Ja, sogar kompliziert, aber im Übrigen kein Spoiler für Neugierige: Wer Ballmeyer ist, wird hier natürlich nicht verraten.
Mehr in der Buchkultur 182
Christophe Slagmuylder © Andreas Jakwerth
Er weiß nicht, wo sein Bett jetzt ist. Dreimal waren sie da, um es zu liefern, er war nie zu Hause. So liegt seine Matratze immer noch auf dem Boden. Nun, da die Programmpräsentation vorbei ist, sollte er endlich Zeit haben, sich – neben beginnendem Deutschunterricht – um die Möbel in seiner Wiener Wohnung zu kümmern.
Christophe Slagmuylder hat ein intensives Dreivierteljahr hinter sich. Im Juni übernahm er die Intendanz der Wiener Festwochen. Zuerst nur interimistisch, nachdem Tomas Zierhofer-Kin sie nach gerade einmal zwei Festivalausgaben (offiziell) freiwillig niedergelegt hatte. Im Oktober wurde bekannt, dass Slagmuylder der Stadt bis mindestens 2024 erhalten bleibt. Vergangenen Donnerstag hat der gebürtige Belgier sein erstes Festwochenprogramm präsentiert.
Schlicht und doch elegant gekleidet, vermittelt der Belgier eine sympathische Lässigkeit beim Gespräch in seinem Büro. Er ist ein routinierter Festivalmacher. Bevor er nach Wien kam, leitete er seit 2007 das Brüsseler Kunstenfestivaldesarts. Seine Vorgängerin dort war übrigens Frie Leysen, die 2014 eine der spannendsten Festwochen-Ausgaben der letzten Jahre mitverantwortete und dann das Festival wegen seiner allzu starren Strukturen verließ. Auf die Frage, ob Leysen ihm nicht abgeraten habe, den Job zu übernehmen, antwortet Slagmuylder: „Natürlich hat sie das. Aber sie hat auch gesagt, ich soll mich nicht fürchten.“
Obwohl es eine Herausforderung war, eine Festivalausgabe in vier Monaten auf die Beine zu stellen, ist das Ergebnis kein Notprogramm: „Ich stehe hinter jeder einzelnen Produktion“, stellt er fest. „Ich musste einfach viel intuitiver als sonst handeln.“
Bei der Programmpräsentation im Studio Molière herrschte wohlwollende Neugier, auch eine gewisse Erleichterung war im Publikum zu spüren. Während das Programm in den letzten zwei Jahren nicht nur unübersichtlich, sondern auch dünn wirkte, hält man jetzt ein dickes Programmbuch in den Händen. An 27 Spielorten gibt es in fünf Wochen 45 Produktionen zu sehen.
Von Zierhofer-Kin übernahm Slagmuylder lediglich zwei schon geplante Projekte, wobei er betont: „Ich hätte auch zu diesen beiden nein sagen können, aber zu ihnen stehe ich wirklich.“ Es handelt sich um David Martons Musiktheaterproduktion „Narziss und Echo“ und Robert Wilsons „Mary Said What She Said“. Hier spielt der französische Filmstar Isabelle Huppert die Hauptrolle. Dass ihr Name sofort von den Medien aufgegriffen wurde, obwohl er ihn bei der Vorstellung gar nicht erwähnt hatte, ist eine Wiener Eigenheit, die er kopfschüttelnd zur Kenntnis nimmt.
Mehr im Falter 8/2019
Lob der Arbeit: Sebastian Hufschmidt, Benedikt Steiner, Jenny Weichert, Angela Waidmann, Gunda Schanderer © Norbert Artner
Linz, 22. Februar 2019. Die VOEST als Thema eines Theaterabends – warum erst jetzt? Bedeutung und Thema des "Mythos VOEST" für die Stadt Linz liegen ja auf der Hand. Während der erste Teil der dokumentarischen Stückentwicklung von Regine Dura und Hans-Werner Kroesinger in den Kammerspielen des Landestheaters läuft, fragt man sich allerdings das Gegenteil: Den Linzer*innen von der VOEST erzählen, heißt das nicht Eulen nach Athen tragen? Die wissen das doch alles. Sebastian Hufschmidt muss sich nur eine Brille aufsetzen, schon lacht der halbe Saal, weil er ihn als Dr. Eder erkennt, den aktuellen Vorstandsvorsitzenden. Die Rede Hermann Görings zur Eröffnung der zunächst nach ihm benannten Stahlwerke wird angeblich sogar in Oberösterreichs Schulen durchgenommen.
Stahlgerüst und Metalltreppe
Ohne die VOEST (ursprünglich VÖEST, also Vereinigte Österreichische Eisen- und Stahlwerke, aber das E wurde nie gesprochen) hätte Linz wohl nicht seine heutige Größe als Industriestadt. Das mittlerweile als voestalpine AG firmierende Unternehmen entstand flugs nach dem "Anschluss" Österreichs an NS-Deutschland 1938. Nach dem Krieg wurde es die Vorzeigefirma der verstaatlichten Industrie, ein bequemer Jagdgrund für die Sozialdemokratie, 1995 schließlich als Aktiengesellschaft privatisiert. Heute stellt es sich den Herausforderungen der Industrie 4.0.
Das alles wird vor der Pause im Detail abgearbeitet, zügig und doch lähmend, weil 80 Minuten lang und mit wenig szenischem Futter. Eingangs spricht das fünfköpfige Ensemble noch zu sparsamer Klavierbegleitung von Nebojša Krulanović eine die phosphorgeschwängerte Werksatmosphäre poetisch verklärende Einleitung vor dem – genau! – eisernen Vorhang. Der gibt sodann eine Drehbühne mit – logisch! – Stahlgerüst und Metalltreppe frei, dahinter eine Videowand mit wechselnden Visuals (meist: schwarzem Rauch aus den Schloten der VOEST, deretwegen es früher oft hieß: "In Linz, da stinkt's").