Der intellektuelle Komödiant
Er ist ein echter Wiener, weil er von woanders kam, und sein Diktat ist die Eleganz. Schauspieler Dominic Oley über „Der Gockel“ und die Komödie an sich
Nein, wie ein Schwerenöter sieht Dominic Oley hier auf Markus Thums’ Fotos wirklich nicht aus. Von Schwere und Not ist hier nix zu sehen. Und doch wird mit diesem Leben die erste große Hauptrolle des 35-jährigen am Theater an der Josefstadt beworben: Als „Der Gockel“ Pontagnac in einer verstaubten französischen Komödie aus dem 19. Jahrhundert, die in den Achtzigern des 20. von Übersetzerin Elfriede Jelinek einer Pointiertheitskur unterzogen wurde, darf Oley ab 19. November bei einer Tür raus- und bei der anderen Tür reinhecheln, seitenspringend und trügerisch eloquent. Und diese Eloquenz spannt dann erstaunlich schnell wieder den Bogen von diesem altmodischen „How I Met Your Mother“-Barney zu dem, der ihn spielt: „Ich bin endlich in meiner Hauptdisziplin angekommen: der Komödie“, freut sich Dominic Oley. In der Wiener Theaterlandschaft ist er damit relativ eigenartig: ein Komödiant aus intellektuellen Motiven.
Kann ein Autor diskursiver, postdramatisch angehauchter Trash-Komödien für das TAG („Plotting Psycho“, „Kissing Mister Christo“) auf der Josefstadt-Bühne überhaupt atmen? Und wird er als gebürtiger Deutscher vom Otto-Schenk-verliebten Josefstädter Publikum angenommen? Nun, es scheint ganz so! Dieser Mann zerschlägt mit sanfter Stimme und leichtem Fingerrühren so manches Klischee, gewaltfrei, elegant, wortgewandt. Grund genug, ihn in einer Umgebung abzulichten und abzufragen, die seiner Lieblingsepoche entspricht (in die Regisseur Josef E. Köpplinger übrigens auch das Geschehen von „Der Gockel“ verlegt hat): einem Amerika der Sechzigerjahre. Wir treffen Dominic Oley in der Wiener Eden-Bar inmitten von Rauchschwaden, leicht anrüchigem Skandalcharakter und, vor allem, Eleganz.
„Das ist nicht Überheblichkeit, sondern Beobachtungsgabe“, sagt Ihre Figur einmal im Stück. Da ist jemand in eine fremde Wohnung eingedrungen und versucht, mit dem blinkenden Schwert der Eloquenz Punkte zu machen.
Sind Sie selbst ein geübter Trickser? Ich würde mich nicht als Situationsopportunist bezeichnen, aber eine positive Manipulation gewisser Umstände kann zuträglich sein. Da geht es nicht um Fehlinformationen, sondern darum, die Dinge ein bisschen zu steuern.
Ist Ihr Pontagnac ein erfolgreicher Schwerenöter, also eigentlich ein Leichtenöter? Er hat es meistens geschafft, es entweder vor seiner Frau zu verheimlichen oder immer wieder von ihr zurückgenommen zu werden. Im Stück geht das am Ende aber nicht mehr auf. Es gibt vier Pärchenkonstellationen, die dann alle wieder in eine bürgerliche Art von Mechanik zurückkommen.
Welchen Unterschied macht es denn, wenn eine Elfriede Jelinek diese Mechanik unter ihre Fittiche kriegt? Ihre Setzung korrigiert die im Stück implizite Benachteiligung der Frauen, sodass eigentlich alle geschlechtsübergreifend ihr Fett abkriegen. Die Technologie des Begehrens legt sich auf alle Figuren gleich, Frauen und Männern ist der Spaß am Ausflug gleichwertig gegönnt.
An der Josefstadt spielen doch noch sehr viele Österreicher. Sie kommen aus Nordrhein-Westfalen. War das bisher schon mal ein Problem? Mein erstes Stück an der Josefstadt war ein amerikanisches, „Speed“ von Zach Helm. Da hat sich das mit dem Idiom neutralisiert. Danach habe ich zwei Stücke gespielt, die im nationalsozialistischen Milieu angesiedelt waren, da hat man mir halt den deutschen Part zugetragen. Aber das hat auch Spaß gemacht, in eiserner Tragik. Jetzt freue ich mich sehr, in meiner Hauptdisziplin angelangt zu sein: der Komödie.
Was macht die Komödie denn zu Ihrer Hauptdisziplin? Das Schöne an der Komödie ist, dass sie immer an das Gelingen in dieser Welt glaubt. Die Tragödie hingegen formuliert: Schaff dir eine Subjektivität, dann wirst du sehen, dass die Verhältnisse dafür nicht gemacht sind. Du musst scheitern und bekommst den großen Sanctus nach dem Tode. Der Komödiant denkt ans Gelingen, und nur von außen sieht der Zuschauer, dass er sich in der falschen Situation befindet. Ich bin ein durchaus optimistischer Materialist.
Ihre eigenen Stücke sind auch Komödien, verweisen aber gerne auf popkulturelle Bezüge wie Hitchcock oder TV-Kuppelshows. Ich bin ein großer Freund von assoziativem Denken. Um eine Gesellschaft auszuhorchen, muss man von einer authentischen Position des Empfindens wegkommen und Querverbindungen schließen. René Pollesch sagt, es gibt eine Technik von Geschichten, die uns umlagern und uns als universell verkauft werden: Hamlet ist immer männlich, weiß und hetero. Solche Querverweise sind auch eine Möglichkeit, ein kritisches Moment herzustellen. Da ist das Schiff des Humors auch sehr wichtig, denn der Humor ist der Moment, wo du von dir selbst abstrahierst und deiner eigenen Identität ein Augenzwinkern zuführst. Das machen die Briten ja auch mit einer gewissen Eleganz, so wie man einander in der Gesellschaft begegnen sollte.
Apropos Eleganz! Sie sind 35 Jahre alt – so wie der WIENER. Sind Sie denn mittlerweile ein echter Wiener? Es gibt ja diese seltsame Fehlschaltung gewisser freiheitlicher politischer Subjekte, die sich immer auf so eine Art Urösterreicher berufen wollen. Der Irrtum liegt darin, dass diese Stadt so schön und großartig ist, weil sie seit Jahrhunderten den Zustrom verschiedener Völker hat. Der echte Wiener ist vielleicht der, der von woanders kam. Es ist eine schöne Arbeit, sich hier diese Heimat zu schaffen.
Wollten Sie zuerst Schauspieler, Autor, Regisseur oder Musiker sein? Ich komme vom Land, bin im Rheinland im Grünen aufgewachsen. Meinen ersten Bezug zu Schrift hatte ich schon als Kind, da habe ich Gedichte und Theaterstücke geschrieben. Mit 15 kam ich zum Theater und spielte in Jugendclubs. Irgendwann fasste ich den Entschluss, auf die Schauspielschule zu gehen, und bestand die Aufnahmeprüfung am Reinhardt-Seminar. Damit war dieser Weg vorgezeichnet. Durch das Schreiben und Inszenieren kann ich den Beruf des Schauspielers gelassener ausüben. Als junger Schauspieler ist man kritisch, versucht Sturm-und-Drang-mäßig, Fehlerquellen aufzutun. Wenn man einmal auf der anderen Seite gesessen hat, erkennt man, dass der von unten einfach andere Sachen sieht als ich.
Sie sind also durch eigene Arbeiten nicht kritischer, sondern unkritischer geworden? Ja, weil die positive Korrektur nötig ist. Theater ist eine gemeinschaftliche Kunst, wie Max Reinhardt gesagt hat.
Das haben Sie ‒ eben am Reinhardt-Seminar ‒ auch Schülern weitergegeben. Ich habe Rollengestaltung unterrichtet. Diese Erfahrung war interessant, weil die Schüler zwar zehn Jahre jünger sind als ich, es aber so lange auch wieder nicht her ist, dass ich selbst Schüler war. Anfangs fragt man sich: Kann ich denen überhaupt was beibringen? Aber sobald man es tut, merkt man rasch, was man schon alles an Bord genommen hat und was man weitergeben kann. Ich habe immer versucht, ihnen Mut zu machen und positive Energie zuzuführen.
Ihre Homepage ist auf Englisch. Hoffen Sie auf Hollywood? Die Wege werden ja kürzer, das hat die Globalisierung gezeigt, einige Erfolgsgeschichten beweisen das ja. Die Hoffnung stirbt zuletzt, und selbst wenn es sich nicht einstellt, kann man ja weiter daran glauben.
Vielleicht klappt es ja als Musiker? Ich bin ein großer Fan des American Songbook, diese Zeit der eleganten Dekadenz. Die hatte eine große Wärme und einen analogen Glanz: ein großes Orchester auf der Bühne, man spürt das Blech. Und diese Literatur der American Standards, die auf die Ewigkeit abzielt. Das möchte ich in Zukunft als auch als Sänger zum Ausdruck bringen.