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Martin Thomas Pesl – Autor, Übersetzer, Sprecher und Lektor

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WER KLAGT ALS ERSTER? – Nachtkritik aus dem Volkstheater Wien

October 15, 2021 Martin Pesl
Zeit zu spielen – und zu sterben. Claudia Sabitzer © Nikolaus Ostermann/Volkstheater

Zeit zu spielen – und zu sterben. Claudia Sabitzer © Nikolaus Ostermann/Volkstheater

Zertretung – 1. Kreuz brechen oder Also alle Arschlöcher abschlachten – Volkstheater Wien – Kay Voges inszeniert Lydia Haiders ersten Teil einer Reihe der Verbalvernichtung

Wien, 14. Oktober 2021. Lydia Haider jettet gerade von einem Volk zum anderen. An der Berliner Volksbühne gestaltet sie eine monatliche Performancereihe, während Direktor Kay Voges sie am Volkstheater Wien sogar zur Hausautorin ernannt hat. Dabei war die 1985 ebenda geborene selbsternannte "Feminazi" bisher nicht als Dramatikerin in Erscheinung getreten. Lediglich ihre Erzählung Am Ball, in dem die Gästeschar des FPÖ-nahen Akademikerballs splatter-style niedergemetzelt wird, diente als Vorlage für Inszenierungen in Wien und Klagenfurt. Davor kannte man Haider vor allem als vermeintlich Babykatzen tretenden Sidekick von Stefanie Sargnagel, mit der sie gemeinsam der Frauen-Burschenschaft Hysteria und dem Kollektiv Wiener Grippe angehört.

Das Arschloch in der U-Bahn

Angesichts ihrer ersten Uraufführung in der Dunkelkammer – einem kleinen, elliptischen Raum ganz oben im Volkstheater, der früher Schwarzer Salon und noch früher Plafond hieß – lässt sich sagen: Eine Dramatikerin ist Lydia Haider immer noch nicht. Sie schreibt Suaden, die das Theater ob ihrer Musikalität durchaus dankbar annimmt. Teil eins ihrer geplanten Serie "Zertretung" mit dem Titel "Kreuz brechen oder Also alle Arschlöcher abschlachten" hat mit "Am Ball" gemein, dass darin Personen, die dies in den Augen der Autorin verdient hätten, grausam zu Tode kommen. Eine Liste von Männern vom ÖVP-Politiker Andreas Khol bis zum "Arschloch in der U-Bahn" wird einer nach dem anderen verbal aufs Schafott geführt, in blumig-obszöner Sprache abgekanzelt und dann auf mehr oder weniger originellem Wege exekutiert (nur nicht Baumeister Richard Lugner, der würde gerne abgeschlachtet werden, darf aber nicht und stirbt sodann gemeinerweise eines natürlichen Todes).

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In Autor Tags Theater, Kritik, Nachtkritik, Volkstheater, Wien

HAUS USHER: POES POESIE MIT SCHÖNEM SCHAUER UND MINIMALER MUSIK – Theaterkritik im Falter 40/21

October 10, 2021 Martin Pesl
Michael Maertens als einer von sechs Sprechern im Haus Usher © Matthias Horn

Michael Maertens als einer von sechs Sprechern im Haus Usher © Matthias Horn

Eine 20-seitige Kurzgeschichte als zweistündiger Theaterabend, wie soll das gehen? Ganz einfach, mit vier weiteren Texten vom selben Autor, viel Musik und Pausen, um Worten und Klängen nachzuhören. Gar nur aus Minimal Music besteht die erste Viertelstunde von „Der Untergang des Hauses Usher“: Josh Sneesby und Tommy Hojsa klopfen Tonleitern in ihre Klaviere. Die theatrale Hommage der Regisseurin Barbara Frey an den amerikanischen Meistererzähler Edgar Allan Poe (1809–1849) kam bei der heuer von ihr geleiteten Ruhrtriennale heraus. Jetzt wandert die Inszenierung ans Burgtheater.

In der titelgebenden Hauptgeschichte verfolgt der Erzähler den gesundheitlichen Verfall seines Kindheitsfreundes Usher und dessen Zwillingsschwester. Schwermut und Entsetzen, Krankheit und Tod sind wiederkehrende Motive auch in den anderen Ich-Erzählungen, die das sechsköpfige Ensemble im kargen Bühnenbild von Martin Zehetgruber – ein paar Stühle, haufenweise Bücher – anreißt. Nicht alle passen gleich gut dazu: Rezitiert Markus Scheumann „Die Grube und das Pendel“, fällt zuerst nicht auf, dass der Protagonist weder Usher noch sein Gast ist, die von Michael Maertens’ gesprochenen Passagen aus dem frühen Krimi „Der Doppelmord in der Rue Morgue“ hingegen sprengen die konzentrierte Atmosphäre poetisch verklärten Schauers.

Mehr im Falter 40/21

In Autor Tags Theater, Kritik, Burgtheater, Festival, Falter

GEFANGEN IN DER META-KISTE – Buchrezension in der Buchkultur 198a

October 5, 2021 Martin Pesl

Thomas Sautners aktueller Roman verzettelt sich gekonnt ins Populärphilosophische

Folgte man den Andeutungen, hätte Thomas Sautner sein neues Buch gar nicht selbst verfasst. Die teils in der Ich-Form erzählende Protagonistin, die Schriftstellerin Aliza Berg, habe ja schon ihren letzten Roman unter dem Namen eines befreundeten Kollegen herausgebracht. Bei „Die Erfindung der Welt“ scheint das wieder der Fall zu sein. Berg hat einen geheimnisvollen Auftrag erhalten, samt unerbetenem Vorschuss: Sie soll sich für ihr neues Werk über „das Leben“ in dem Ort Litstein inspirieren lassen. Widerwillig tut sie es, fährt hin, trifft – und verpasst – Figuren, teils aus Sautners früheren Büchern, die längst von ihrem Vorhaben wissen und viel zu interessant sind, um ein friedliches Leben am Waldrand unbeschadet zu überstehen. Aus dem Nichts heraus führt einer nobelpreisverdächtige physikalische Experimente durch, eine andere hat astronomisch bahnbrechende Erkenntnisse, die dritte verführt Postboten in der Waldhütte und der vierte hat sich ein Postfach auf seinem Grab eingerichtet.

Mehr in der Buchkultur 198a (Sonderausgabe Österreich)

In Autor Tags Rezension, Buchkultur, Österreich

DER TOD KOMMT TIEFGEKÜHLT – Porträt von Ferdinand Schmalz in der Buchkultur 198a

October 4, 2021 Martin Pesl

Vier Jahre nach dem Gewinn des Bachmannpreises legt der erfolgreiche Dramatiker Ferdinand Schmalz seinen ersten Roman vor: ein Panoptikum an morbiden Gestalten.

Gut Ding braucht Weile. Noch hat Ferdinand Schmalz nicht entschieden, ob die Prosa sein neues Hauptgenre wird oder er der Dramatiker bleibt, als der er seit acht Jahren Furore macht. Auch nach dem Gewinn des Ingeborg-Bachmann-Preises in Klagenfurt 2017 hat es vier Jahre gedauert, bis der gebürtige Steirer, Jg. 1985, aus seinem Beitrag „mein lieblingstier heißt winter“ einen Roman gemacht hat. „Obwohl mich alle gewarnt haben vor dem medialen Trubel in Klagenfurt, hat er mich doch überrascht“, so Schmalz im Buchkultur-Gespräch, „danach habe ich einfach gemerkt, dass der Text auch ein bissl Ruhe braucht. Außerdem hatte ich auch zwei Stückaufträge mit Theatern abgeschlossen, die ich nicht absagen wollte. Und dann bin ich zweimal Vater geworden.“

Mit wenigen Veränderungen übernommen wurde die im Siegertext beschriebene Passage rund um einen Tiefkühlwarenvertreter, der von seinem Kunden gebeten wird, den Transport von dessen Leiche zu organisieren, nachdem er sich wie geplant würde das Leben genommen haben. Es kommt noch eine Reihe weiterer skurriler Gestalten hinzu, die alle eine gewisse Todessehnsucht aufweisen, verbunden mit dem Widerwillen, dem Leben (und in weiterer Folge dem Tod) einfach seinen Lauf zu lassen. „Das Internet bietet zum Glück ja jedem die Möglichkeit, über den eigenen Kanal seine Botschaft zu senden“, meint Schmalz. „DIY-Jungbrunnenbau, Eigenurintherapie, Selbstmumifizierung. Da kommt man schnell in Bereiche, die einfach zu verrückt sind, um sie in eine fiktive Geschichte einzubauen.“ Einige haben es trotzdem in den Roman geschafft.

Mehr in der Buchkultur 198a (Österreich-Sonderheft)

In Autor Tags Porträt, Literatur, Buchkultur, Österreich
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