Vorsprechen am Petersplatz
Zwei freischaffende Schauspielerinnen. Eine, in sich ruhend, lächelt wissend (Katrin Grumeth), der anderen steht die Verunsicherung ins Gesicht geschrieben (Carina Werthmüller). In koketter Rivalität erinnern sie sich an ihre Nestroypreis-nominierte erste Zusammenarbeit (es war „Macht und Rebel“ in der Inszenierung von Ali M. Abdullah 2017). Sie debattieren über #MeToo-Fälle und gestehen, durchaus „danach“ schon Jobs der jeweiligen Männer ergattert zu haben. Ein musikalisches Intermezzo des singenden Schlagzeugers Andreas Dauböck später sind die beiden plötzlich in andere Figuren geschlüpft, die aber ebenfalls ziemlich viel und atemlos reden, denken und sich abmühen, das Prekariat unserer Ära von Klimarettungs- und gleichzeitigem Selbstverwirklichungsdrang zu verstehen. Von der alleinerziehenden Mutter geht es über englisch radebrechende Influencerinnen, die sich um Müll am Strand und die Wahl des richtigen Bieres sorgen, hin zu zutiefst existenziellen Auseinandersetzungen einer Person, die etwas „gewonnen“ hat, mit Realität und Möglichkeit.
Gemeinsam mit Regisseur Peter Pertusini haben Grumeth und Werthmüller das Stück„who can swim, swim“ entwickelt, in dem sie, unterstützt von Live-Musik und Video (Claudia Virginia Dimoiu), vier exemplarische Situationen abwechselnd beleuchten. Grumeth beeindruckt dabei durch das Fehlen jeder Künstlichkeit – alle Argumente scheinen unmittelbar aus ihr herauszukommen –, Werthmüller vor allem mit der Schilderung eines Traums, in dem sie fällt und fällt und dabei „irgendwie nach hinten unendlich“ wird. Alle Figuren bleiben namenlos. Wie ihre Szenen zusammenhängen und wodurch sie sich voneinander unterscheiden, wird nicht erklärt. So schafft es der verkopfte Abend in seiner Dichte von 70 Minuten nicht, eine Absicht zu behaupten, und erfüllt in erster Linie die Funktion eines aufwändigen Vorsprechens der beiden ausgezeichneten Schauspielerinnen. Wenn’s also weiter nichts ist: Man besetze sie!
Falter 28/21