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Martin Thomas Pesl – Autor, Übersetzer, Sprecher und Lektor

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Martin Thomas Pesl – Autor, Übersetzer, Sprecher und Lektor

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LOLITA – Blitz-Bildung im WIENER 407

December 4, 2015 Martin Pesl
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© Rowohlt

Lolita Forever

Der WIENER liest für Sie Klassiker der Weltliteratur. Diesmal: wie uns das Geständnis eines herzhaft unanständigen Mannes um den Finger wickelt

“Lolita, Licht meines Lebens, Feuer meiner Lenden. Meine Sünde, meine Seele. Lo-li-ta: die Zungenspitze macht drei Sprünge den Gaumen hinab und tippt bei Drei gegen die Zähne. Lo. Li. Ta.”

Nymphetten. Was eine Lolita ist, weiß wohl jeder, es steht sogar im Duden. Würden wir Humbert Humbert fragen, was Lolita ist, er würde sie als Nymphette bezeichnen. Das ist sein genüsslich halbwissenschaftlicher Ausdruck für die Art Frau, der er hoffnungslos verfallen ist: für die Gerade-noch-Kinder, deren Reife gerade erst in Knospe steht. So eine Vorliebe geht natürlich gar nicht, und Humbert Humbert weiß das nur zu gut. Aber was soll er machen? Er ist halt einerseits das, was wir heute wohl einen Pädophilen nennen würden, und andererseits ein Charmeur erster Güte. Der Charmeur und das Gör: Autsch!

Lolita ist sein Kosename für Dolores Haze, die seine Lieblingsnymphette ist, schon deshalb, weil er ihr nicht nur nachlechzt, sondern sie tatsächlich erobert hat. Er heiratete ihre Mutter, um ihr nahe zu sein, die starb eines Unfalltodes (nein, er hat sie nicht umgebracht, das legt er ziemlich überzeugend dar), und dann verführte die kleine Göre ihn, nicht umgekehrt (auch das legt der Ich-Erzähler, na ja, relativ überzeugend dar).

Zu diesem Zeitpunkt sind wir bereits mitten in der perfidesten Verteidigungsrede der Literaturgeschichte. Kurzerhand zu Mitgeschworenen erklärt, sind wir gezwungen, gebannt den sprachlich geschliffenen Ausführungen eines Übeltäters zu folgen, den wir eigentlich einfach nur hassen sollten. Zeigt sich Humbert Humbert geständig? Ja. Reuig? Nein. Vladimir Nabokov hat ein Monster kreiert, und zwar eines der lesenswertesten Monster der Literaturgeschichte. Vor 60 Jahren, Ende 1955, erschien sein Roman in Paris. Er war sofort vergriffen und so gut, dass dem pikanten Thema zum Trotz zu erwartende Skandal-/Verbots-/Zensur-Aktionen ausblieben.

Wie sehr sich die Geschichte auch zum fast normalen Beziehungsdrama mit Eifersucht, Flucht, Mord und Totschlag ausweitet, immer wird sie von diesem Mann erzählt, der den galligen Sprachwitz des Vladimir Nabokov nicht einmal ablegen könnte, wenn er es wollte. Nicht zuletzt diese Ambivalenz lässt das Buch des Mannes, der zuerst auf Russisch schrieb und dessen amerikanische Sprache (hier brillant auf Deutsch wiedergegeben) den Gipfel der Virtuosität erklomm, auf mehreren Listen bester Bücher des 20. Jahrhunderts ganz weit oben stehen.


DER REIZ DER NYMPHETTE

„Lolita“ im Fleischwolf der Nachwelt

 

Filme

Nabokov schrieb eine Drehbuchadaption für den großen Stanley Kubrick, die dieser komplett umschrieb. Eine Oscarnominierung bekam Nabokov trotzdem. Der Film erschien 1962, James Mason war der schwülstig verliebte Humbert, Sue Lyon das Mädchen. Die Neuverfilmung durch Adrian Lyne 1997 galt als „skandalös“ und davon abgesehen als nicht besonders gut. Aber wer würde Jeremy Irons den grimmigen Kinderverzahrer nicht abkaufen?

 

Parodien

Lustig: Hollywood-Schauspieler und Groteskenschreiber Steve Martin verfasste die Kurzgeschichte „Lolita at 50“ und fantasiert über deren Karriere mit vielen Ehemännern. Noch lustiger: Umberto Ecos kurze Parodie „Granita“, in der ein gewisser Umberto Umberto einer alten Oma verfällt. Die Erben Nabokovs fanden eine dritte Parodie nicht so lustig: Pia Peras „Diario di Lo“, die die Geschichte aus Lolitas Perspektive erzählt. Sie wollten die Übersetzung ins Englische verbieten lassen, aber: Parodien sind erlaubt!

 

Bühne

Besonderes Glück hatte der Stoff auf der Bühne nie: Iren haben Nabokovs quasi unverwendetes Drehbuch als Bühnenstück aufgeführt, Edward Albee („Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“) schrieb ebenfalls eine eher erfolglose Stückfassung. Balette und Opern in allerlei Sprachen existieren nebeneinander, nur „Lolita! – Das Musical“ fehlt noch. In New York zeigte Richard Nelson „Lolita“ als Monolog mit dem bekannten Schauspieler Brian Cox 2009: Humbert Humbert sitzt allein in der Zelle und erinnert sich. Was ist dabei wahr, was verschwimmt?

 

Reflexion

In „Lolita lesen in Teheran“ (2003) beschreibt die iranisch-amerikanische Literaturprofessorin Azar Nafisi, wie sie im streng muslimischen Iran versuchte, Studentinnen unter anderem diese heitere Geschichte über Nymphomanie und Pädophilie näherzubringen. Wie Humbert der Lolita, so die Autorin, zwinge das iranische Regime den Iranern seinen Traum auf und mache sie damit zu einem Fantasiegebilde.


NYMPHISCHES: MARK UND BLUT UND GRÜNSCHILLERNDE FLIEGEN

Vladimir Nabokovs Humbert redet sich um Kopf und Kragen

“Seien wir korrekt und zivilisiert. Humbert Humbert gab sich große Mühe, brav zu sein. Wirklich und wahrhaftig, das tat er. Er hatte äußersten Respekt vor gewöhnlichen Kindern, vor ihrer Reinheit und Verletzbarkeit, und unter keinen Umständen hätte er die Unschuld eines Kindes angetastet, wenn die geringste Gefahr eines Skandals bestand.”
— S. 30f.
“Unter meinen huschenden Fingerspitzen fühlte ich, wie der winzige Flaum an ihrem Schienbein sich ganz leicht sträubte.”
— S. 97
“Ich bin nur der Natur gefolgt. Ich bin der getreue Spürhund der Natur. Warum also dies Grauen, das ich nicht abschütteln kann? Habe ich sie ihrer Blüte beraubt? Feinfühlige Damen Geschworene, ich war nicht einmal ihr erster Liebhaber.”
— S. 222
“Dies also ist meine Geschichte. Ich habe sie nochmals durchgelesen. Mark klebt daran und Blut und schöne grünschillernde Fliegen.”
— S. 508
In Autor Tags WIENER, Roman, Buch, Blitz-Bildung

SCHAURIG ERFOLGREICH – Interview mit Martin Gschlacht im BESSER

December 3, 2015 Martin Pesl
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Sehen oder nicht sehen © Ulrich Seidl Filmproduktion

Schaurig erfolgreich

Der kluge Horrorfilm „Ich seh, Ich seh“ ist nicht nur Österreichs Kandidat für den Fremdsprachen-Oscar 2016, sondern gerade ein Sensationserfolg beim US-Publikum. Wir sprachen mit Kameramann und frischgebackenem Träger des Europäischen Filmpreises, Martin Gschlacht

Es war der Film, den niemand recht auf dem Zettel hatte. Ja, „Ich seh, Ich seh“ war bei den Filmfestspielen in Venedig gelaufen, andere Festivals hatten ihn sogar ausgezeichnet. Ja, einer unser Big Names, Ulrich Seidl hatte ihn produziert. Dann lief er, wie es sich für gute, aber nicht unbedingt kommerziell gedachte heimische Projekte gehört, im Gartenbaukino. Aber: ein österreichischer Horrorfilm? Subtiler als „In drei Tagen bist du tot“ und doch mindestens so genrebewusst wie etwa „Blutgletscher“? Geht das? Es ging! Vielmehr ist es genau das richtige Ereignis für Menschen, die zwar nicht süchtig nach Blut und Gekreische sind, den Grusel auf hohem Niveau aber doch zu schätzen wissen.

Die Geschichte vom Zwillingspaar, das mit seiner Mutter nach der Gesichts-OP nicht mehr so ganz klarkommt, war ein Kritikererfolg in Österreich und ist eine Publikumssensation im Ausland, weil die berüchtigten Weinstein Brothers aus Hollywood sich seiner unter dem Titel „Goodnight, Mommy“ annahmen. Dass die Bilder top sind, dafür ist – wie so oft im heimischen Kino – Kameramann Martin Gschlacht verantwortlich, der dafür am 12. Dezember mit dem Europäischen Filmpreis 2015 belohnt wird. Ungefähr zu diesem Datum wird er auch wissen, ob der Film, der von Österreich bei den Oscars 2016 in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ eingereicht wurde, auf der Shortlist landet: Neun von 81 Einreichungen landen dort, nominiert werden davon dann Mitte Jänner fünf.

„Die rechnerische Chance ist sehr gering“, sagt Martin Gschlacht zunächst bescheiden zu BESSER, kalkuliert dann aber fröhlich weiter: „Ob man hier jetzt weiter kommt, ist neben der Qualität des Films und des nötigen Glücks auch eine Frage des gezielten Lobbyings in den USA. Dazu benötigt es Willen, Zeit, Kraft und viel Geld. Wenn Weinsteins so grandiose Arbeit leisten, wie beim Kinoeinsatz, dann ist ein Sprung in die Shortlist nicht unmöglich.“

„Ich seh, Ich seh“ ist der erste Spielfilm eines ungewöhnlichen Duos: Veronika Franz war bislang als „Kurier“-Filmkritikerin und Drehbuchautorin von Ulrich Seidl bekannt (die seine Interviews wohlwollend gegenlas). Severin Fiala ist Seidls Neffe, noch gar nicht so lang aus der Filmakademie draußen und eine Generation jünger. „Die beiden funktionieren sehr symbiotisch“, erinnert sich Gschlacht, „und es war ausgesprochen einfach, gemeinsam Entscheidungen zu finden.“ Eine Herausforderung besonderer Art war die Arbeit mit elfjährigen Zwillingen, den Brüdern Schwarz, die einander wirklich sehr, sehr ähnlich sehen. Sie sind die Co-Stars von „Mommy“ Susanne Wüst, die auch noch die längste Zeit ihr Gesicht hinter einer Maske verbergen musste. „Kinder in Hauptrollen sind immer eine gewisse Unbekannte“, so Gschlacht. Um sie bei der Stange zu halten, verriet das Regieduo ihnen während des Drehs nie die ganze Geschichte.

Ist der Horrorfilm die neue Austro-Schiene, Martin Gschlacht? „Da waren schon einige erfolgreiche in den vergangenen Jahren, das stimmt. Und das ist gut und wichtig. Das tolle am österreichischen Film ist allerdings seine Vielschichtigkeit. Wir haben jede Menge erfolgreicher Nischen erschaffen. Toll ist ja der Begriff des ,typical Austrian feel-good movie‘. Leider ist der Erfolg im Ausland deutlich größer als daheim wahrgenommen – wobei sich das Leider auf die Wahrnehmung daheim bezieht.“

Jetzt, wo sein Film im Hollywood-Umfeld Karriere macht, fragt sich natürlich, warum Martin Gschlacht das noch immer nicht tut. Österreichs bester ist auch Österreichs treuester Kameramann. „Es gibt immer wieder Angebote, schon seit ,Revanche‘ für den Oscar nominiert war. In den letzten Monaten ist es wieder verstärkt, und seit der Veröffentlichung des Europäischen Filmpreises nochmals mehr. Im Moment habe ich aber keine Pläne diesbezüglich, denn der österreichische Film bietet in seiner Vielschichtigkeit und Qualität eine unglaublich tolle Arbeitsplattform für mich als Kameramann. Da möchte ich nicht mit irgendwelchen B-Ligen im Ausland tauschen. Außerdem habe ich meinen privaten Lebensmittelpunkt in Wien, und das will ich nicht noch mehr torpedieren, als ich es ohnehin schon muss.“

Wann ich „Ich seh, Ich seh“ auf DVD seh, steht noch nicht fest. Im Falle einer Oscar-Nominierung seh ich „Ich seh, Ich seh“ aber sicher wieder im Kino.

Zur Homepage des Films

In Autor Tags Kino, FIlm, Oscar, Horror, Interview

DER INTELLEKTUELLE KOMÖDIANT – Interview mit Dominic Oley im WIENER 407

December 2, 2015 Martin Pesl
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Dominic Oley im Epizentrum der Eleganz © Markus Thums

Der intellektuelle Komödiant

Er ist ein echter Wiener, weil er von woanders kam, und sein Diktat ist die Eleganz. Schauspieler Dominic Oley über „Der Gockel“ und die Komödie an sich

Nein, wie ein Schwerenöter sieht Dominic Oley hier auf Markus Thums’ Fotos wirklich nicht aus. Von Schwere und Not ist hier nix zu sehen. Und doch wird mit diesem Leben die erste große Hauptrolle des 35-jährigen am Theater an der Josefstadt beworben: Als „Der Gockel“ Pontagnac in einer verstaubten französischen Komödie aus dem 19. Jahrhundert, die in den Achtzigern des 20. von Übersetzerin Elfriede Jelinek einer Pointiertheitskur unterzogen wurde, darf Oley ab 19. November bei einer Tür raus- und bei der anderen Tür reinhecheln, seitenspringend und trügerisch eloquent. Und diese Eloquenz spannt dann erstaunlich schnell wieder den Bogen von diesem altmodischen „How I Met Your Mother“-Barney zu dem, der ihn spielt: „Ich bin endlich in meiner Hauptdisziplin angekommen: der Komödie“, freut sich Dominic Oley. In der Wiener Theaterlandschaft ist er damit relativ eigenartig: ein Komödiant aus intellektuellen Motiven.

Kann ein Autor diskursiver, postdramatisch angehauchter Trash-Komödien für das TAG („Plotting Psycho“, „Kissing Mister Christo“) auf der Josefstadt-Bühne überhaupt atmen? Und wird er als gebürtiger Deutscher vom Otto-Schenk-verliebten Josefstädter Publikum angenommen? Nun, es scheint ganz so! Dieser Mann zerschlägt mit sanfter Stimme und leichtem Fingerrühren so manches Klischee, gewaltfrei, elegant, wortgewandt. Grund genug, ihn in einer Umgebung abzulichten und abzufragen, die seiner Lieblingsepoche entspricht (in die Regisseur Josef E. Köpplinger übrigens auch das Geschehen von „Der Gockel“ verlegt hat): einem Amerika der Sechzigerjahre. Wir treffen Dominic Oley in der Wiener Eden-Bar inmitten von Rauchschwaden, leicht anrüchigem Skandalcharakter und, vor allem, Eleganz.

„Das ist nicht Überheblichkeit, sondern Beobachtungsgabe“, sagt Ihre Figur einmal im Stück. Da ist jemand in eine fremde Wohnung eingedrungen und versucht, mit dem blinkenden Schwert der Eloquenz Punkte zu machen.

Sind Sie selbst ein geübter Trickser? Ich würde mich nicht als Situationsopportunist bezeichnen, aber eine positive Manipulation gewisser Umstände kann zuträglich sein. Da geht es nicht um Fehlinformationen, sondern darum, die Dinge ein bisschen zu steuern.

Ist Ihr Pontagnac ein erfolgreicher Schwerenöter, also eigentlich ein Leichtenöter? Er hat es meistens geschafft, es entweder vor seiner Frau zu verheimlichen oder immer wieder von ihr zurückgenommen zu werden. Im Stück geht das am Ende aber nicht mehr auf. Es gibt vier Pärchenkonstellationen, die dann alle wieder in eine bürgerliche Art von Mechanik zurückkommen.

Welchen Unterschied macht es denn, wenn eine Elfriede Jelinek diese Mechanik unter ihre Fittiche kriegt? Ihre Setzung korrigiert die im Stück implizite Benachteiligung der Frauen, sodass eigentlich alle geschlechtsübergreifend ihr Fett abkriegen. Die Technologie des Begehrens legt sich auf alle Figuren gleich, Frauen und Männern ist der Spaß am Ausflug gleichwertig gegönnt.

An der Josefstadt spielen doch noch sehr viele Österreicher. Sie kommen aus Nordrhein-Westfalen. War das bisher schon mal ein Problem? Mein erstes Stück an der Josefstadt war ein amerikanisches, „Speed“ von Zach Helm. Da hat sich das mit dem Idiom neutralisiert. Danach habe ich zwei Stücke gespielt, die im nationalsozialistischen Milieu angesiedelt waren, da hat man mir halt den deutschen Part zugetragen. Aber das hat auch Spaß gemacht, in eiserner Tragik. Jetzt freue ich mich sehr, in meiner Hauptdisziplin angelangt zu sein: der Komödie.

Was macht die Komödie denn zu Ihrer Hauptdisziplin? Das Schöne an der Komödie ist, dass sie immer an das Gelingen in dieser Welt glaubt. Die Tragödie hingegen formuliert: Schaff dir eine Subjektivität, dann wirst du sehen, dass die Verhältnisse dafür nicht gemacht sind. Du musst scheitern und bekommst den großen Sanctus nach dem Tode. Der Komödiant denkt ans Gelingen, und nur von außen sieht der Zuschauer, dass er sich in der falschen Situation befindet. Ich bin ein durchaus optimistischer Materialist.

Ihre eigenen Stücke sind auch Komödien, verweisen aber gerne auf popkulturelle Bezüge wie Hitchcock oder TV-Kuppelshows. Ich bin ein großer Freund von assoziativem Denken. Um eine Gesellschaft auszuhorchen, muss man von einer authentischen Position des Empfindens wegkommen und Querverbindungen schließen. René Pollesch sagt, es gibt eine Technik von Geschichten, die uns umlagern und uns als universell verkauft werden: Hamlet ist immer männlich, weiß und hetero. Solche Querverweise sind auch eine Möglichkeit, ein kritisches Moment herzustellen. Da ist das Schiff des Humors auch sehr wichtig, denn der Humor ist der Moment, wo du von dir selbst abstrahierst und deiner eigenen Identität ein Augenzwinkern zuführst. Das machen die Briten ja auch mit einer gewissen Eleganz, so wie man einander in der Gesellschaft begegnen sollte.

Apropos Eleganz! Sie sind 35 Jahre alt – so wie der WIENER. Sind Sie denn mittlerweile ein echter Wiener? Es gibt ja diese seltsame Fehlschaltung gewisser freiheitlicher politischer Subjekte, die sich immer auf so eine Art Urösterreicher berufen wollen. Der Irrtum liegt darin, dass diese Stadt so schön und großartig ist, weil sie seit Jahrhunderten den Zustrom verschiedener Völker hat. Der echte Wiener ist vielleicht der, der von woanders kam. Es ist eine schöne Arbeit, sich hier diese Heimat zu schaffen.

Wollten Sie zuerst Schauspieler, Autor, Regisseur oder Musiker sein? Ich komme vom Land, bin im Rheinland im Grünen aufgewachsen. Meinen ersten Bezug zu Schrift hatte ich schon als Kind, da habe ich Gedichte und Theaterstücke geschrieben. Mit 15 kam ich zum Theater und spielte in Jugendclubs. Irgendwann fasste ich den Entschluss, auf die Schauspielschule zu gehen, und bestand die Aufnahmeprüfung am Reinhardt-Seminar. Damit war dieser Weg vorgezeichnet. Durch das Schreiben und Inszenieren kann ich den Beruf des Schauspielers gelassener ausüben. Als junger Schauspieler ist man kritisch, versucht Sturm-und-Drang-mäßig, Fehlerquellen aufzutun. Wenn man einmal auf der anderen Seite gesessen hat, erkennt man, dass der von unten einfach andere Sachen sieht als ich.

Sie sind also durch eigene Arbeiten nicht kritischer, sondern unkritischer geworden? Ja, weil die positive Korrektur nötig ist. Theater ist eine gemeinschaftliche Kunst, wie Max Reinhardt gesagt hat.

Das haben Sie ‒ eben am Reinhardt-Seminar ‒ auch Schülern weitergegeben. Ich habe Rollengestaltung unterrichtet. Diese Erfahrung war interessant, weil die Schüler zwar zehn Jahre jünger sind als ich, es aber so lange auch wieder nicht her ist, dass ich selbst Schüler war. Anfangs fragt man sich: Kann ich denen überhaupt was beibringen? Aber sobald man es tut, merkt man rasch, was man schon alles an Bord genommen hat und was man weitergeben kann. Ich habe immer versucht, ihnen Mut zu machen und positive Energie zuzuführen.

Ihre Homepage ist auf Englisch. Hoffen Sie auf Hollywood? Die Wege werden ja kürzer, das hat die Globalisierung gezeigt, einige Erfolgsgeschichten beweisen das ja. Die Hoffnung stirbt zuletzt, und selbst wenn es sich nicht einstellt, kann man ja weiter daran glauben.

Vielleicht klappt es ja als Musiker? Ich bin ein großer Fan des American Songbook, diese Zeit der eleganten Dekadenz. Die hatte eine große Wärme und einen analogen Glanz: ein großes Orchester auf der Bühne, man spürt das Blech. Und diese Literatur der American Standards, die auf die Ewigkeit abzielt. Das möchte ich in Zukunft als auch als Sänger zum Ausdruck bringen.


THEATRALES: TÜR AUF, TÜR ZU

Altfranzösisches Vergnügen

Sie sterben nicht aus, die Herren Labiche und Feydeau, die sich Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur einen Jux machten, sondern viele. Das hieß dann Vaudeville und war meist schlüpfriger Verwechslungsspaß mit vielen Türen. Im „Gockel“ sind es der Türen sechs, bei „Die Affäre Rue de Lourcine“ (Burg) fünf, und im heuer am Volkstheater gelaufenen „Floh im Ohr“ waren es so viele, dass man sie gar nicht zählen konnte. Die Stücke leben trotz (oder wegen) des Staubs, der auf ihnen liegt, weil sie Publikum bringen und ‒ mit dem richtigen Tempo ‒ Schauspielern geradezu sportliche Leistungen abverlangen. Nächster Vorweihnachtshit also: Dominic Oley in „Der Gockel“.

www.josefstadt.org

www.dominicoley.de

 

In Autor Tags Theater, Josefstadt, Interview, Porträt

ANGRIFF DES TOLERATORS – Interview mit Thomas Maurer im WIENER 406

November 15, 2015 Martin Pesl
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Maurer et moi © Thomas Maurer

Angriff des Tolerators

Ohne Empörung geht es nicht, sagt Thomas Maurer. Wurschtigkeit lehnt der zum Toleranter mutierte Kabarett-Star ab. Warum, verrät er hier

Wurde am Abend des 11. September 2001 eigentlich alles an Kulturveranstaltungen in Wien abgesagt? Nein, weiß Thomas Maurer noch: Depeche Mode haben in der Stadthalle gespielt. Er weiß das deshalb noch so genau, weil sein Programm, in dem es um Normalität ging, am 12. September Premiere haben sollte. Die Vorpremiere am 11. sagte er ab (er war ja nicht Depeche Mode), stattdessen setzte er sich hin und schrieb fast sein ganzes Programm um.

Wenn Thomas Maurer nun über einen Monat vor seiner neuesten Premiere „Der Tolerator“ – und eine Woche vor der seitdem erfolgten Wien-Wahl – Vorpremieren spielt, hofft er, auf ähnlich weltbewegende Zwischenfälle verzichten zu können. „Mein Programm ist zu größeren Teilen atmosphärisch als tagespolitisch. Es bewegt sich irgendwo zwischen Mohammed-Karikaturen und H.C. Strache. Aber der Abend ist auch geeignet, auf aktuelle Details einzugehen.“ Auch die müssen gewissermaßen toleriert werden. Toleranz, das ist nicht nur das Thema Flüchtlinge. „Je länger man sich mit dem Begriff beschäftigt“, sagt er, „desto amorpher wird er. Einerseits ist Toleranz irgendwo wichtig, andererseits auch mit einem gewissen Hochmut verbunden: Toleriert zu werden ist nicht unbedingt eine Erfahrung, um die man sich reißt. Und der, der toleriert, ist statushöher und kann es sich leisten.“

Dass er sich eine gewisse Gelassenheit im Umgang leisten kann (Zitat: „Ich bin kein besonderes Häferl, habe das Zelebrieren von Wutausbrüchen immer als unhöflich und indezent empfunden“), kann man der festen Größe im oberen Kabarettbetrieb wohl zugestehen: Gut 27 Jahre ist es her, dass der junge Mann, ein talentierter Zeichner (!), der sein erstes Geld mit Illustrationen verdiente, sich aber vom Elternhaus emanzipieren und daher einen Beruf erlernen wollte – er entschied sich für den des Buchhändlers –, betrunken eine Anmeldung zur Nachwuchsschiene „Sprungbrett“ im „mir bis dahin völlig unbekannten Kabarett Niedermair“ ausfüllte. „Der erste Abend war gar nicht so toll“, erinnert er sich, „aber irgendwas hat es gehabt, und man hat mich in Evidenz gehalten.“ Die Lehre hat er mit Auszeichnung abgeschlossen, und doch spielt er heute die Soloprogramme im Zweijahrestakt, tritt als „Wir Staatskünstler“ mit Florian Scheuba und Robert Palfrader auf und erklärt Oliver Baier regelmäßig im ORF, was es Neues gibt.

Rollen in Film und Fernsehen spielt er relativ selten, was er schade findet. „Zumindest das durchschnittliche Fernsehdarstellerniveau könnte ich halten. Aber die österreichische Filmwirtschaft hat einen leichten Stich ins Inzestuöse, und du kriegst dann Rollen, wenn du schon dort und dort mitgespielt hast. Ich bin immer interessiert, dazuzulernen. Ich drehe gerne, und es wäre mir angenehm, mal ein paar Monate den Schreiber in mir ein bisschen in Ruhe zu lassen.“ Und wenn das nicht passiert, gilt es eben den Tolerator hervorzukehren. Vor eine schwere Probe gestellt wird das Duldertum, wenn, wie zuletzt, der siebenjährige Sohn (Maurer hat daneben noch einen erwachsenen Sohn und eine dreijährige Tochter) ihm gerade mit einer, schwungvollen, sprungvollen Umarmung die Rippen geprellt hat.

Wie der „I’ll-be-back“-ige Titel ebenfalls andeutet, kann Toleranz auch eine Waffe sein. „Die alten Linken kannten den Begriff der repressiven Toleranz, mit dem die arbeitenden Massen eingelullt werden sollen. Man kann damit natürlich eine manipulative Energie anstreben. Ich zum Beispiel kann zornige Menschen zur Weißglut treiben durch meine Duldsamkeit und Vernunft.“ Ein bisschen Zorn ist aber vielleicht gar nicht so schlecht, gerade für einen Kabarettisten? „Klar, wenn es dieses Gefühl er Empörung nicht gibt, stagniert alles. Toleranz soll ja auch nicht in die Wurschtigkeit münden.“

Deshalb bleibt Maurer engagiert, einerseits in sozialen Zwecken, wenn auch nicht so lautstark wie andere Kollegen („Aber mir ist lieber, ein eitler Trottel sammelt Geld für einen guten Zweck, als gar niemand.“), andererseits auf der Bühne. „Wenn mir eine Idee gefällt, mache ich auch Dinge, die unangenehm sind. Davor überlege ich mir zwei Tage, ob es auch geht, ohne mich auszuziehen, mit dem Kopf nach unten irgendwo zu hängen oder für zigtausend Schilling ein aufblasbares Plastiksofa herstellen zu lassen. Im Kopfbüro überstimmt dann aber der künstlerische den kaufmännischen Leiter.“

Diesmal wird es wieder eher puristisch. „Bühnenbildtechnisch ist es klassisches, abgefucktes Kabarett und ganz und gar nicht stylisch.“ Das formale Zuckerl, nicht nur für Maurer-Kenner: Der talentierte Zeichner von anno dazumal wird auf die Bühne gebeten, wo er seine Werke teils live produziert und projiziert. „Das sieht zwar simpel aus, war aber eine technische Herausforderung. Selbst induzierte WLAN-Wolken und Apple-TV haben eine tragende Rolle gespielt.“ Das Wichtigste dabei: Es ist wieder ganz anders geworden als alles zuvor. „Das Programm hat eine andere Farbe, einen anderen Tonfall, eine andere Herangehensweise. Es ist mir ein Anliegen, nach 27 Jahren alle meine Programme noch klar voneinander unterscheiden zu können.“

„Der Tolerator“ hat am 10. November im Stadtsaal Premiere. In der Stadthalle gastieren einen Tag später übrigens die Foo Fighters. Was immer das bedeutet.

In Autor Tags Interview, Kabarett, WIENER
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