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Martin Thomas Pesl – Autor, Übersetzer, Sprecher und Lektor

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Martin Thomas Pesl – Autor, Übersetzer, Sprecher und Lektor

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ÖSTERREICH IST EIN FALLBEISPIEL – Interviews mit Serdar Somuncu und Michael Mittermeier im WIENER 401

May 30, 2015 Martin Pesl
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© WIENER

Österreich ist ein Fallbeispiel

Deutscher Humor – ein sehr kurzer Witz? Schon längst nicht mehr. Die Herren aus dem Nachbarland entpuppen sich als überaus pointensichere Provokateure – allen voran Serdar Somuncu

Eigentlich dürfte hier nichts über ihn stehen. Serdar Somuncu braucht keine Werbung. „Ich habe immer viele Zuschauer, obwohl nie ein einziges Plakat hängt. Das liegt daran, dass sich herumgesprochen hat, dass bei mir etwas Unberechenbares passiert“, erzählt er. „Und meist geht es gut aus.“ Nicht immer. Als der in Istanbul gebürtige deutsche Schauspieler und Kabarettist in den Neunzigern mit einer satirischen Lesung aus Hitlers „Mein Kampf“ durch die Lande zog, gingen die Wogen hoch und Somuncu spielte acht Jahre lang Polizeischutz. Auch in Österreich, obwohl hier die Behörden erst meinten: „Wurscht, spiel halt.“

Mittlerweile ist Somuncu als der „Hassprediger“ berüchtigt. Diese Figur verschonte niemanden, spie Feuer gegen alle Minder- und Mehrheiten und brachte das Publikum dazu, über sich selbst nachzudenken. Dann ließ Somuncu den „Hassprediger“ sterben. Im neuen Programm „H2 Universe – Die Machtergreifung“ ist er wieder da und tourt durch Österreich. Wie das aussieht? Weiß Somuncu selbst noch nicht. Was er weiß – das ergibt das WIENER-Gespräch im Vorfeld –, ist jede Menge über österreichische Politik.

Wie kommt es, dass Sie Ihren „Hassprediger“ wieder hervorholen? Es war ein geplantes Manöver. Zum Programm gehört, dass ich als Prophet für eine gewisse Zeit auf die Erde komme, dann auf spektakuläre Art sterbe und dann als Geist wiederkehre. Und auf dieser Tour bin ich eigentlich der Geist meiner selbst. Das hat den Vorteil: Ich kann noch viel härter sein. Die Zeit spielt uns dabei eigentlich in die Tasche. Je mehr „Charlie Hebdo“, je mehr Leute sagen: Bloß keine Witze über Mohammed, desto witziger wird mein Programm.

Eckt es denn auch immer noch so schön an wie etwa Ihre „Mein Kampf“-Lesung? Gute Frage, die habe ich mir selbst noch nie gestellt. In meinen 30 Jahren auf der Bühne hat sich ein Ruf aufgebaut, auch in Österreich: Wenn der Somuncu kommt, wird es provokant. Das nimmt natürlich die Brisanz, fordert mich aber immer wieder neu heraus, wie ich diesen Konsens aufbrechen kann. Letztens war ich in die renommierte „Anstalt“ im ZDF eingeladen, da fiel mir ein, ich müsste eigentlich einen Pro-Pegida-Sketch spielen und sagen: Die haben doch Recht, die sind gegen die Überfremdung des Abendlandes – seid ihr doch auch alle, was stellt ihr euch so an? Am Ende ist wichtig, dass ich mein Label nicht verrate. Denn ich mache das natürlich nicht, weil ich pro Pegida bin, sondern weil ich den Denkansatz verändern möchte. Ich befürworte Pegida nicht, aber ich finde es erwartbar und würde nicht so affektiv damit umgehen. Das ist ja in Österreich genauso: Die FPÖ bekommt 20 %, und dann wird darüber nachgedacht, wie man reagieren soll, damit es nicht so schlimm wird. Man müsste im Vorfeld darüber nachdenken. 

Macht es einen Unterschied, mit einem Programm wie Ihrem nach Österreich zu kommen? Absolut. Der Impetus ist ein anderer, und die Ansprache an das Publikum ist anders. Wenn ich in Wien spiele, ist es zudem anders als in Leonding. Aber in Österreich fühlt es sich für mich deutscher an als in Deutschland. Es ist ein viel klarerer Extrakt aus dem Klischee des Deutschen, als man das in Deutschland kennt.  

Liegt das auch daran, dass wir Österreicher etwas Deutsches erwarten, wenn wir uns einen deutschen Kabarettisten anschauen gehen? Ich glaube, das ist in den letzten zehn Jahren zusammengewachsen. Als ich vor 30 Jahren erstmals in Österreich gespielt habe, war das hier völlig fremd: anderes Geld, andere Gedanken, anderer Humor. Das hat sich geändert, weil wir über die Boulevardmedien gleichgeschaltet sind. Wir kennen in Deutschland zum Beispiel Lugner. Auch Conchita Wurst ist nach Deutschland übergeschwappt und hat eine Debatte ausgelöst, die ihr schon vor drei-vier Jahren hattet, als sie zum ersten Mal auftauchte: Darf eine Frau einen Bart tragen?

Österreich ist auch das Land, wo (zumindest ist das mein Eindruck) das Wort „Überfremdung“ erfunden wurde. Österreich war immer schon an der Demarkationslinie zwischen Ost und West, und das unmittelbare Aufeinandertreffen kultureller Unterschiede hat Spuren hinterlassen. Begriffe wie „Tschusch“ oder „die Slowenen“ sind hier viel offensichtlicher negativ gebräuchlich. In Deutschland ist der innere Zensor immer eingeschaltet, der verbietet, so etwas zu sagen. Daraus wiederum entsteht eine Schmollhaltung, die immer eskaliert, wenn jemand ein Buch schreibt und sich zum Stellvertreter der schweigenden Mehrheit macht. In Österreich sagt ein Strache ganz offensichtlich Dinge, bei denen sich einem die Haare sträuben. Deshalb spiele ich mein Programm hier ganz anders.

Bedarf es da einer besonderen eigenen Vorbereitung? Bei mir ja, weil ich mich für Österreich sehr interessiere. Hier ist die Ausländerfeindlichkeit klarer und sichtbarer strukturiert, denn die AfD in Deutschland riecht zwar das Potenzial, traut sich aber nicht, FPÖ zu sein. Österreich ist ein Fallbeispiel und interessiert mich daher sehr.

Braucht es spezielle Tricks, diese „Bild“- oder „Krone“-Leser in die Vorstellung zu bekommen? Ich habe das Alleinstellungsmerkmal, dass mein Publikum sehr inhomogen ist. Bei anderen Kollegen kommt Kabarettpublikum oder Ethnopublikum. Bei mir sitzen 13-jährige Hiphop-Kids und 70-jährige drin. Ich kann hochtrabend intellektuell erzählen und auch sehr einfach mit Fäkalbegriffen hantieren. Ich will diese Schnittmenge und auch den Dialog zwischen den Zuschauern. 

Am 13. und 14. Juni 2015 gastiert Serdar Somuncu mit „H2 Universe – Die Machtergreifung“ im Stadtsaal.


 

Mit „Blackout“ in Wien
ittermeier: Pegida wäre hier ein Linksableger der FPÖ

Drei Fragen an Michael Mittermeier (2. bis 5. Juni 2015, Wiener Stadthalle):

Herr Mittermeier, sind Österreicher ein besonderes Publikum? Jedes Publikum hört gerne Dinge aus dem eigenen Land. Ich bringe immer österreichische Dinge ein. Wir werden sicher über den Song Contest reden und darüber, dass ihr dieses Jahr letzte geworden seid, obwohl ihr doch letztes Jahr erste wart!  

Sie wurden auf Anti-Pegida-Demos gesichtet. Die Bewegung Pegida gibt es jetzt ja auch in Österreich und hat wesentlich mehr Gegendemonstranten als Teilnehmer. Ist die Bewegung mittlerweile tot? Ihr braucht doch kein Pegida, ihr habt den Strache. Pegida wäre hier nur ein Linksableger der FPÖ. Pegida war ein Zeitgeistphänomen, aber es war wichtig, dagegenzugehen. Allein auf meine Ankündigung der Anti-Pegida-Demo kam ein Shitstorm auf Facebook: „Wir sind nicht alles Nazis!“ Diese Leute wollen auch ernstgenommen werden, aber ich muss die Vollidioten nicht ernstnehmen. Es gibt keine Islamisierung des Abendlandes.  

Schrecken einen als bekannten Kabarettisten solche Erlebnisse davon ab, die sozialen Medien zu nutzen? Menschlich war das in vielen Fällen sehr schlimm, aber deswegen nutze ich doch nicht weniger soziale Medien. Ich habe ja auch gesagt: Jeder Künstler, der sich von Bedrohungen einschüchtern lässt – „Wir verbrennen deine CDs“, „Komm nicht nach Dresden, sonst passiert was“ – und sein Programm ändert, hat seine Berechtigung als Künstler verloren. 

 

In Autor Tags Interview, Kabarett

HAIDER AUF DER SPUR – Interview mit Nathalie Borgers im WIENER 401

May 26, 2015 Martin Pesl
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© Kurt Mayer Film

Gerüchte. Als Nathalie Borgers’ 2002 ihren Film „Kronen Zeitung“ präsentierte, in dem sich die Redaktion und die Lieblingskunden der erfolgreichsten Zeitung der Welt vor laufender Kamera selbst entlarvten, lief der Film zunächst bei der Viennale. Damals ging das Gerücht um, Hans Dichand, der damalige Herausgeber des Blattes, habe alle Premierenkarten aufgekauft, damit niemand sich den Film anschauen konnte. Nach zwölf Jahren habe ich endlich Gelegenheit, die belgische Regisseurin nach dem Gerücht zu fragen. Es stimmt nicht. Schade. Wäre auch zu lustig gewesen.

Sehr lustig ist dafür jetzt Borgers’ neuester Film „Fang den Haider“. Mit scheinbarer Naivität zog die Frau mit dem französischen Akzent, die inzwischen in Österreich lebt, los, um das Phänomen Jörg Haider zu erforschen. Inmitten des Hypo-Dramas interviewte sie Fans und Weggefährten des verstorbenen Ex-FPÖ- und BZÖ-Chefs, um zu verstehen, wie der erste Rechtspopulist Europas so erfolgreich (oder doch nicht so erfolgreich?) werden konnte. Das Ergebnis ihrer ganz persönlichen Österreich-Story erinnert an eine Politsatireshow in Spielfilmlänge. Meint Westenthaler oder Dörfler das gerade wirklich so, oder ist es ihnen rausgerutscht?, fragt man sich immer wieder.

So viel Spaß wie dem Zuschauer hat es ihr selbst nicht gemacht. Als Produzent Kurt Mayer sie mit dem Projekt beauftragte, hatte sie so gar keine Lust auf alle die FPÖ-Menschen – und auch ein bisschen Angst vor ihnen. Wahrscheinlich war sie dann auch eher erleichtert, viele, aber keineswegs alle vor die Kamera bekommen zu haben.

Frau Borgers, Sie zeigen im Film immer wieder sich selbst mit den Anrufbeantwortern FPÖ-naher Menschen sprechen. Hatten Sie Angst, dass das ein Film darüber wird, wie Sie keine Gesprächspartner finden? Es gibt tatsächlich viele, die nicht mit mir sprechen wollten. Bei Schüssel, Riess-Passer, den meisten „Buberln“ bin ich jeweils beim Anwalt schon abgebrettert. Also fing ich an, diese erfolglosen Versuche zu filmen.

War es wichtig für Sie, sich selbst als Leitfaden in den Film zu schreiben? Die Subjektivität war von Anfang an mein Konzept. Es brauchte diesen Blick von draußen. 

Was war Ihre größte Überraschung bei der Recherche? Vieles an meinem Haider-Bild wurde eigentlich bestätigt. Am meisten habe ich gar nicht über Haider ihn gelernt, sondern über die Menschen: wie schnell sie bereit sind, jemanden zu lieben, wenn er ihnen den Eindruck von ein bisschen Anerkennung gibt. Das war ja seine große Gabe. Wenn sie einen Blick ihres Idols kriegen, sind sie ewig dankbar und geblendet von seiner Politik. Denn eine Politik hatte er. Viele sagen, da war nichts dahinter. Natürlich stand er als Person im Zentrum, aber wenn er an die Macht gekommen ist, hat er schon eine klare Politik gemacht, nämlich eine von weniger Freiheit und weniger sozialer Gerechtigkeit, also das Gegenteil von dem, womit er wahlkämpfte. Das Geld hat dabei halt er selbst verteilt und nicht das Staatssystem. 

Waren Sie offen dafür, positive Seiten an ihm zu entdecken? Ich war schon offen, weil mich hauptsächlich die Psychologie der Persönlichkeit interessiert hat. Ich habe auch positive Seiten entdeckt: Am Ende seines Lebens war er kultiviert und hat ziemlich viel gelesen. Er war sehr talentiert, ein gutes Chamäleon, er konnte sich immer so verwandeln, dass er bekam, was er wollte. Das war bestimmt auch Taktik, aber bis zu einem gewissen Grad Instinkt. Er hat Situationen kreiert, in denen der Eindruck entstand, dass er im Hintergrund ist und die anderen im Vordergrund. Nur was wollte dieser Mann in der Politik?

Ursprünglich wollte er Schauspieler werden. Hätte er sollen? Als Sänger oder Schauspieler hätte er wahrscheinlich weniger Schaden angerichtet, auch für sich selbst. Er war ja auch in der Politik nicht besonders gut, hat sich immer wieder selbst ins Knie geschossen. Wann immer er ein Problem bekam, war er selbst schuld. 

Wie war es, viel mit Menschen zu tun haben, in deren Gegenwart Sie sich nicht wohlfühlten? Viele von denen haben auch eine menschliche Dimension. Die Fans waren auch nicht schwierig, nur die Politiker, die sind teilweise wirklich klebrig und affektiert. Ich hatte im Schnittraum tatsächlich keine gute Stimmung. Aber wenn ich so etwas mache, denke ich immer nur ans Endprodukt. 

Mussten Sie sich oft zurückhalten, um den Interviewpartnern nicht die Meinung zu sagen? Es ist schon oft am besten, gar nichts zu sagen, weiter zu fragen und abzuwarten. Oft geben sie dann die Antwort, die man hören will. 

Wie werden die Mitwirkenden reagieren, die sich im Film ja teilweise selbst bloßstellen? Es ist immer schwierig, sich selbst zu sehen. Vielleicht beschweren sich einige, dass ich nur einen Teil von dem, was sie gesagt haben, hineingeschnitten habe – ich habe ja ja Stunden mit diesen Leuten verbracht, und im Film kommt dann nur eine Minute vor. Aber ich finde, diese Minute trifft schon jeweils den ihren Kern der Leute. Sie sind nicht lächerlich. Sie sind, wer sie sind. 

Manche machen sich schon selbst lächerlich. Ich finde zum Beispiel köstlich, wenn Peter Westenthaler, wenn er stolz erzählt, wie er Volksbegehren erfunden hat, weil Haider sich langweilte. Ja, aber er sieht das nicht so. Er sieht nicht, was Sie sehen.

Ist das nicht bitter? Dass der Film die einen bestätigen und die anderen, die „Haider-Menschen“, nicht überzeugen wird? Eines werden sie vielleicht begreifen: wie er sich die Stimmen gekauft hat. Vielleicht sehen merken die Leute, dass sie vorsichtiger sein müssen. Wenn man ein Geschenk kriegt – sei es ein Würstel oder ein Kugelschreiber oder 100 Euro –, muss man fragen, woher das kommt. 

Sie haben H.C. Strache aus Ihrem Film komplett rausgelassen. War das Absicht? Ich habe zwar schon ihm Zuge des Wahlkampfs mit ihm gedreht, aber das wäre eigentlich ein eigener Film: wie gut Strache die Rezepte von Haider gelernt hat. Man darf ihn nicht unterschätzen. Er hat weniger Talent und ist weniger charmant, aber er besitzt aber eine unfassbare Zielstrebigkeit. Er macht das so gut wie möglich.

Am Ende gibt mir Nathalie Borgers noch ihre Telefonnummer für Nachfragen. „Aber geben Sie sie nicht an FPÖ-Leute weiter“, sagt sie. „Für die habe ich ein eigenes Handy.“

Zur Website von Nathalie Borgers

 

In Autor Tags Film, Politik, Interview

DON QUIJOTE – Blitz-Bildung im WIENER 400

April 27, 2015 Martin Pesl
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© Hanser Verlag

Miguel de Cervantes Saavedra

Don Quijote von der Mancha

Deutsch von Susanne Lange

Hanser Verlag, € 70,00

Der WIENER liest für Sie Klassiker der Weltliteratur. Diesmal ein Roman, der hat an Jahr' wie der WIENER Exemplar', oder: das beste Buch der Welt

“Da erst hüpft das Herz, da kämpft man mit dem Lachen, da zuckt der ganze Leib, kurzum: Quecksilber in allen Sinnen.”

Traurige Gestalt. Alles beruht auf einem simplen Witz, einer Persiflage: Ein Mann hat zu viel Fantasy gelesen und glaubt, es sei was Wahres dran. Er heuert einen einfältigen Ziegenhirten an, sattelt ein altersschwaches Pferd, zieht los und durchquert als fahrender Ritter die iberische Halbinsel. Die Menschen, denen er begegnet, erkennen, dass er total gaga ist, finden ihn aber so lustig, dass sie mitspielen. So wird bis zu einem gewissen Grad der Wahn wahr. 

Die genial einfache Prämisse des „geistvollen Hidalgo Don Quijote von der Mancha“ von Miguel de Cervantes wuchs sich zu zwei Teilen von über 1000 Seiten aus. Seitdem hat jedes Kind ein Bild vom dürren Bärtigen, der stolz den Beinamen „Ritter von der traurigen Gestalt“ vor sich herträgt; von seinem gedrungenen Knappen, dem Vielfraß Sancho Panza; vom treuen, aber armseligen Pferd Rocinante und von der platonisch zutiefst verehrten Dulcinea von Todoso, die keineswegs eine Prinzessin, sondern eine resche Bauernmagd ist – wobei: auch das ist nicht sicher, niemand traf sie je persönlich an. So traurig wie lustig sind die Kämpfe dieser beharrlichen Möchtegernhelden gegen Windmühlen, Weinschläuche und verkleidete Schauspieler. Eingeflochtene Novellen von Liebenden und Rivalen, Kämpfern und Glaubensgestörten bilden – ganz ohne fantastische Elemente – eine treffliche Karte des goldenen Zeitalters von Spanien ab.

Der 1605 in wenigen Kopien veröffentlichte erste Teil seiner als lehrreiches Gegenstück zur blühend unsinnigen Ritterliteratur Spaniens erdachten Geschichte wurde so erfolgreich, dass Cervantes die Berühmtheit des Werks in geradezu postmoderner Manier in Teil II einbaute und wiederum persiflierte. Sogar aufs Thema Fan-Fiction griff er – genau 400 Jahre ist das her – vor: Denn wie Don Quijote und Sancho Panza entsetzt feststellen, kursieren Storys von ihren Doppelgängern, die ganz gegen ihren Charakter handeln!

2002 wählte eine Expertenrunde den „Don Quijote“ zum besten Buch der Welt. Seit 2008 kann das in der genialen Neuübersetzung von Susanne Lange auch der deutschsprachige Leser nachvollziehen. Richtig traurig freilich ist, dass sich am Ende der im Sterben liegende Don Quijote vom Wahn befreit für das nervige Herumgetue entschuldigt. Da wirken dann alle im Dorf, die bisher stets auf seine „Heilung“ drängten, irgendwie bedrückt. Der Leser auch.


SO TREFFLICH! SO VERGNÜGLICH!

Einige der wichtigsten Figuren im Leben des Don Quijote und seines Sancho Panza

 

Dulcinea von Toboso

So beschreibt sie der Ritter: „Ihre Haarflechten sind gülden, ihre Stirn elysische Felder, (...) ihre Haut ist Schnee, und die Teile, die Sittsamkeit dem Menschenblick verhüllt, sind so beschaffen, wie ich glaube und mir ausmale, dass ein feiner Geist sie nur loben, aber nimmer zu vergleichen vermag.“ In Teil II reitet er in Toboso ein, verzweifelt, sie zu sehen. Sancho behauptet kurzerhand, sie in einem nach Knoblauch stinkenden Bauerntrampel zu identifizieren. Schlussfolgerung: Böse Zauberer haben ihr Bild vernebelt!

 

Cardenio

Ein anderer Irrsinniger taucht in Teil I in den Bergen auf. Aber der hat guten Grund: Cardenios angeblicher Freund Don Fernando spannte ihm die Braut aus. Noch während des ersten Teils löst sich die komplizierte Tragödie jedoch – ziemlich an Don Quijotes Wahrnehmung vorbei – in Wohlgefallen auf: Alle Liebenden finden zu ihren ursprünglichen Favoriten zurück, der Ritter bleibt der einzige von trauriger Gestalt.

 

Pfarrer und Barbier

Die beiden Herren aus Don Quijotes Heimatdorf sind sehr um sein Heil besorgt und denken sich – in Teil II vom Bakkalaureus Samson Carrasco unterstützt – Tricks aus, um den armen Mann von seinen Irrfahrten zurückzulocken. Doch gerade, wenn es darum geht, seine Illusionen aufrechtzuerhalten, erweist sich der Tollpatsch als erstaunlich windig und geschickt.

 

Herzog und Herzogin

Das adelige Paar hat „Don Quijote“ gelesen und ist ganz verzückt, ihm in echt zu begegnen. Mit gigantischem Aufwand bauen sie eine Welt um ihn herum, die seiner Fantasie entspricht. Dem Sancho Panza schenkt der Herzog sogar ein „Eiland zum Gubernieren“. Auf dieser lange herbeigesehnten Insel (die, was keinem auffällt, keineswegs von Wasser umgeben ist) fällt Sancho ein paar Tage salomonische Urteile über die Bevölkerung, bis er feststellt, dass das doch nix für ihn ist.


“Solltet Ihr mir, Herr fahrender Ritter, nochmal begegnen, dann helft und steht mir um Gottes willen bloß nicht bei und sollte man mich auch in Stücke hauen, sondern überlasst mich meinem Unglück, das so groß nicht sein wird wie das, was mir durch Euer Gnaden Hilfe entsteht, (...).”
— Teil I, S. 346f.
“Gott steh dir bei, armer Don Quijote, mir scheint, du stürzt dich da vom hohen Gipfel deines Wahns in den tiefen Abgrund deiner Einfalt!”
— Teil II, S. 16
“Und recht hat er gehandelt, denn die Wahrheit fällt nicht und stirbt nicht, sie geht nicht wie die Lüge auf gefährlichen Stelzen, sondern schwimmt wie das Öl immer obenauf.”
— Teil II, S. 84
“Nur die Bedingung lehne ich ab, dass der Ruhm seiner Heldentaten auf mich übergehen soll, denn ich weiß nicht, welcher Art und Beschaffenheit die seinen sind. Mit den meinen begnüge ich mich und mit der Art, in der diese beschaffen sind.”
— Teil II, S. 546
In Autor Tags Blitz-Bildung, Roman, Literatur, WIENER

UNSERE KÖRPER SIND MASCHINEN – Interviews zu „Ex Machina“ im WIENER 400

April 17, 2015 Martin Pesl
Domhnall Gleeson, Alicia Vikander und Oscar Isaac.&nbsp; 
 
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Domhnall Gleeson, Alicia Vikander und Oscar Isaac.  © freepresshouston.com

Unsere Körper sind Maschinen

Alex Garland gelingt mit „Ex Machina“ ein Sci-Fi-Film, der das Hirn in Gang setzt ‒ nicht nur bei dem Computer, den er zum Leben erweckt. Der WIENER traf das Team

Künstliche Intelligenz. Na gut, das Thema ist gerade in. Aber das war es doch immer schon. „Stimmt nicht“, sagt Computerexeperte Murray Shanahan. „Ich bin Datenfanatiker und habe jedes einzelne Vorkommen von Robotern und künstlichen Intelligenzen dokumentiert. So richtig boomen sie erst seit den Neunzigern in Filmen.“

An einem davon hat Shanahan kürzlich als Berater mitgearbeitet: „Ex Machina“ ist das Regiedebüt von Alex Garland, und ein junger, reicher Einzelgänger hat darin einen Computer entwickelt, von dem er meint, ihm ein Bewusstsein verliehen zu haben. Damit hätte er einen entscheidenden Schritt auf diehin zur „technologische Singularität“ zu gemacht, dawenn, sehr vereinfacht ausgedrückt, Mensch und Maschine nicht mehr zu unterscheiden sind.

Fetisch Alicia Vikander

Vielleicht trifft dieser Film gerade jetzt einen Nerv, weil vor kurzem große Namen aus der Wissenschaft ganz reale und düstere Zukunftsvisionen gezeichnet haben: Elon Musk und Stephen Hawking warnten beide vor den Folgen der Technologie, wenn wir nicht aufpassen. Es gibt auch eine Theorie, wonach Computer, sobald sie ein eigenes Bewusstsein entwickeln und draufkommen, dass sie das, was sie wollen, nicht nurauch bekommen können, indem wenn sie nicht tun, was der Mensch ihnen befiehlt, innerhalb kürzester Zeit alle töten werden. Die Mittel dazu hätten wir ihnen ja gegeben. Zwar beruhigt Shanahan (vorläufig): „Diese Szenarien klingen alle so, als stünden wir knapp davor. Da geht es schon noch um ein paar Jahrzehnte an Arbeit.“ Dennoch: Das Thema ist schon jetzt gänsehautfördernd, und seine Ambivalenz setzt Alex Garland in einen brillanten Thriller der Ideen um, aus dem nicht allzu viel verraten werden sollte.

Ein bisschen was muss aber sein. Oscar Isaac spielt, muskulär aufgepimpt und mit genial unsympathischer Arroganz, den Start-up-Star Nathan, der seine künstliche Intelligenz – durchaus nachvollziehbar – aus Daten von Usern seines supererfolgreichen Social-Media-Unternehmens speiste. Er gab dem Roboter eine Frauengestalt und nannte ihn Ava. Warum? „Wir fetischisieren Mädchen Frauen Anfang 20: in den Medien, in Filmen, im Leben. Die Tricks, die in diesem Film angewandt werden, gründen auf der Verobjektivierung eines jungen MädchensIch kann es nicht erklären, aber es ist berechenbar“, sagt Garland. Teile von Ava sind animiert, der Rest ist Alicia Vikander, eine aufstrebende schwedische Jungschauspielerin, mit der 2015 gleich sieben Filme rauskommen werden. Ein Roboter ist sie nur in einem davon. „Alle bisherigen Rollen hatten mit mir privat zumindest gemeinsam, dass sie Menschen waren“, erklärt Vikander. „Hier musste ich mir stets vergegenwärtigen, was an mir programmiert ist und was ich selbstständig gelernt habe. So habe ich wieder angefangen, über das Menschsein an sich nachzudenken.“

Nathan lebt alleine (mit Personal) auf einem gigantischen Areal in einem hypermodernen, organisch in die unberührte Natur eingefügten Gebäude, das eigentlich ein Designhotel sein sollte. Hierher holt er sich für eine Woche den jungen Caleb (Domhnall Gleeson), der Ava testen soll. Wie menschlich ist sie wirklich? Und wie menschlich ist Caleb?

Das faszinierend Ambivalente an Alex Garlands Film erwächst vermutlich daraus, dass er selbst eine sehr klare Haltung hat. „Künstliche Intelligenz? Die Singularität? Ich bin voll dafür! Ich hoffe, dass es dazu kommt“, sagt er. Es ist Garlands erster Film als Regisseur, aber das könnte ihm wurschter nicht seinlässt ihn kalt. Schon öfter oft hat er als Autor (Romanvorlage für „The Beach“, Drehbuch bei zu „Sunshine“ und „Alles, was wir geben mussten“) und Produzent agiert, das Business ist ihm wohlbekannt. „Und Film ist eh ein Gemeinschaftsprodukt.“ Im Gespräch kurz zuvor haben seine Robotikexperten sich bewundernd (und wohl auch ein wenig frustriert) darüber geäußert, wie wenig sich Garland einreden lässt und wie er auf alle Fragen sofort eine Antwort weiß. Und so ist es auch im Interview.

„Wenn man sich mit künstlicher Intelligenz intensiv beschäftigt, geht es schnell um Menschen“, erklärt er da etwa. „Es geht um unsere Gehirne, unsere Psyche und darum, wieso wir nicht wie Hunde oder Jakobsmuscheln sind.“

Because I can!

Im Interview wischt er die Angst, die sein Film bei manchen auslöst, vom Tisch: „Die Angst, die der Film in manchen auslöst,Das ist eher eine allgemeine Furcht vor der Technologie und davor, was wir von uns selbst aufgeben – Stichwort NSA und soziale Medien. Die eigentliche Kreation eines Bewusstseins ist nichts Furchtbares. Wir alle sind das Produkt zweier Menschen, die sich dessen bewusst sind, dass ihre Kreatur sie wahrscheinlich vermutlich überleben wird. An dieses Konzept sollten wir uns gewöhnt haben. Auch eine künstliche Intelligenz hätte etwas mit uns zu tun, wäre anfänglich wie ein Kind, das unsere Eigenschaften hat, sich aber verbessertnur besser. Der Unterschied wäre nur: Es würde länger überleben und müsste sich nicht mit Krebs und, Altern und Sterblichkeit auseinandersetzen. Das hat gewaltige Implikationen, aber ich fürchte mich nicht davor. Auf lange Sicht geht es nicht anders. Sonst sterben wir in diesem Sonnensystem. Wir werden nicht durch ein Wurmloch im Saturn in eine andere Galaxie spazieren oder mit dem Raumschiff auf einen anderen Planeten fliegen. Bis wir dort wären, wären 600.000 Jahre vergangen und wir wären eine andere Spezies.“

Dennoch kann man wahrlich nicht behaupten, der Film entwerfe eine beruhigende Vision. „Das ist eine subjektive Reaktion!“, entgegnet Garland. „Schauen Sie, eEs gibt im Film mehrere Parallelen zu Oppenheimer und der Atombombe. Man muss sich das schon genau anschauen, und es ist logisch, das man psychisch gestört wird, während man dabei ist, es zuso etwas entwickelnt. Ein Soldat, der Kinder umbringt, ohne Empathie für sie zu verspüren, weil er abgestumpft oder gar blutrünstig ist, kann zwei Tage später weinen, weil sein Kamerad im Sterben liegt. Es ist nicht so einfach. Aber Sie können ein Kind haben, das scheiße zu Ihnen ist, aber und es trotzdem lieben. Das ist unbequem und hart. Nein, dDer Film tröstet nicht, aber ich will auch nicht trösten, sondern ehrlich sein.“

Wenn man das weiterdenkt, wird einem bewusst: Jeder von uns könnte also schon jetzt ein Roboter sein! Na und? Spielt das eine Rolle? „Wenn man akzeptiert, dass in ihrem Avas Bewusstsein etwas ist, dass unserem Bewusstsein betrifftentspricht, dann gilt jegliche ethische Verantwortung, die wir empfinden, auch Ava ihr gegenüber. So einfach ist das. Wenn man eine Maschine abschalten will und sie glaubwürdig vermittelt: ,Ich will nicht abgeschaltet werden‘, dann hat dieseas Abschalten dieser Maschine eine ethische Dimension. Warum sollte das menschliche Bewusstsein wertvoller sein als das einer Maschine? Wir sind eingefasst in unsere Gehirne, u. Unsere Körper sind Maschinen. Wenn man jemandem beim Sterben zusieht, ist dassieht man eine Maschine, die sich abschaltet. Wenn Sie mir den Arm abschneiden, existiere ich weiter, aber wenn sie mir das Hirn rausnehmen, existiere ichdann nicht mehr.“ Und wie ist das mit derdie Seele? „Ich bin Atheist, ich glaube nicht an das Konzept der Seele. Ich glaube an Bewusstsein.“ 

Endlosspirale

Diesem Mann ist bewusst, was er will und was er (nicht) glaubt. Mit „Ex Machina“ hat er eine ästhetisch perfekte Science-Fiction kreiert, die verstört, weil man sich nicht entscheiden kann, ob sie Traum oder Albtraum ist, oder doch vielleicht Realität. Zumindest demnächst. „Warum machst du Ava?“, fragt Caleb einmal den großen Erfinder. „Weil ich kann.“ Schauspieler Domhnall Gleeson schließt daraus: „Wenn wir einen roten Knopf vor uns haben, wird ihn zwangsläufig jemand betätigen. Die Evolution schreitet voran, wir können sie nicht aufhalten.“

Und warum sollten wir das auchtun wollen? wollen? Auch auf diese Frage gibt es eine Reihe gültiger Antworten. „Ex Machina“ katapultiert die eigene Intelligenz in eine – künstliche oder natürliche – Endlosspirale hinein. Auch nicht das Schlechteste.

Ab 23. April 2015 im Kino.

www.exmachina-movie.com

 

In Autor Tags Film, Interview, Kino, Sci-Fi, WIENER
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