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Martin Thomas Pesl – Autor, Übersetzer, Sprecher und Lektor

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Martin Thomas Pesl – Autor, Übersetzer, Sprecher und Lektor

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SIMON BUNT – Interview mit Simon Schwarz im WIENER 376

May 20, 2013 Martin Pesl

SIMON BUNT

Vom Schauspielerproletariat in den Theaterhimmel – oder die Hölle? Simon Schwarz spricht über seinen neuen Film „Zweisitzrakete“, das Dasein als Berufsjugendlicher und sein Salzburg-Engagement

Das Teuflische an Simon Schwarz ist, dass er bei den Salzburger Festspielen im neuen „Jedermann“ mitmacht – als: der Teufel –, obwohl er Theater eigentlich nicht ernst nehmen kann. Das Teuflische an Simon Schwarz ist auch, dass er sich in den letzten Jahren ohne großes Startum in viele österreichische Filme und Serien geschlichen hat und dort einfach so unprätentiös gut war, dass man ihn sich merken musste. Das Teuflische ist, dass er sich als nicht exzentrisch bezeichnet, sich aber letztens mit seinem besten Freund Manuel Rubey eine Farbberatung geleistet hat: „Schwarz geht gar nicht, für uns beide nicht“, erzählt Simon, der jetzt immer mehrere, farblich selbstbewusste Pullover dabei hat, und eine grellgrüne Jacke.

In ihrem neuesten Film „Zweisitzrakete“ spielen die besten Freunde beste Freunde in einer fantasievollen Märchenwelt (Wien), wo Detlev – so heißt Schwarz’ Rolle – als Coach für Männer Optimismus lehrt.

„Am Ende des Tages“, „Braunschlag“, jetzt Detlev: Sie spielen in letzter Zeit öfter diese Managertypen, die alles im Griff haben. Ich glaube, das hat mit dem Alter zu tun. Welche Typen gibt es im Film oder TV mit 42? Die, die irgendeine Position erreicht haben. Auch der Detlev hat es geschafft, durch seine wahnsinnig positive Ausstrahlung: „Wir machen das! Wir gehen da durch, und wir schaffen es!“

Dieser Optimismus steht im ganzen Film im Vordergrund. Diese Welt ist ziemlich perfekt und kuschelig, weil in ihr niemand erwachsen geworden ist. Das ist, weil der Regisseur so ist. Hans Hofer ist überzeugt davon, dass das, was er tut, für uns alle nur das Beste ist. Der will keine böse Stimmung, kein böses Wort, keine Sorgen am Set. Wenn es jemandem schlecht geht – keine Ahnung, was dann wäre. Es muss allen gut gehen. Vielleicht ist es fast schon sektenhaft.

Bin ich jetzt ein schlechter Mensch, wenn ich frage: Ist das nicht manchmal anstrengend? Wie gesagt, sektenhaft... Ich glaube, Manuel hatte das gleiche Empfinden wie ich, als er ihn kennengelernt hat. Dass es unfassbar ist, mit was für einer Energie und Freude er einen mitnimmt. Das war schon sehr okay. Auf Dauer wäre es wahrscheinlich zu viel. Aber ich wohne ja nicht mit ihm zusammen.

Sie sind jetzt 42. Wie stehen Sie zum Ausdruck „Berufsjugendlicher“? Bin ich Berufsjugendlicher? Meine Tochter sagt, ich sehe in meiner grellgrünen Jacke aus wie ein neureicher Prolet. Die sind auch oft Berufsjugendliche. Ich habe Turnschuhe an, die muss man in meinem Alter auch nicht zwingend tragen. Der Detlev ist eher kein Berufsjugendlicher, denn Simon Schwarz hat mit Detlev wirklich nichts zu tun. Der führt ein unbekümmertes Leben, wie ich es nie erlebt habe.

Detlev und seine Freunde schmeißen einen Paradeiser vom Südturm, um die Falldauer zu messen. Was war das Schrulligste, was Sie je gemacht haben? Ich bin immer gerne außen auf Brücken und Häusern herumgeklettert. Das war aber nicht verrückt, einfach die Suche nach irgendeinem Gefühl. Ich habe wirklich nicht den Eindruck, dass ich ein Irrer bin oder ein schrulliger, seltsamer Schauspieler. Oder exzentrisch. Ich bin froh, wenn alles harmlos ist und möglichst unaufgeregt über die Bühne geht. Dieses In-andere-Figuren-Hineingehen, das kostet eh schon so viel Energie. Klar, es ist auch schön, ich kann aus meinem eigenen Ich flüchten und weiß, wie es ausgeht. Bei mir weiß ich nie, ob es gut wird oder schlecht. Vielleicht ist das ja schrullig, dass ich viel von den Figuren selbst in mein privates Leben übernehme. Und dass mich das in dem Moment wahnsinnig unausstehlich macht. Aber nichtsdestotrotz bin ich Schauspielerproletariat. Ich bin kein Künstler, der ab und zu etwas macht, und dann ist es etwas Großes. Ich bin Arbeiter. Ich drehe die eine Woche einen Wehrmachtsoffizier, die nächste einen deutschen Kommissar aus den Fünfzigern und dann wieder einen Transsexuellen. Und noch einen Mörder in einem „Tatort“. Mir bleibt wenig Zeit, schrullig zu sein. Gut, ich freue mich, wenn ich in einem guten Hotel untergebracht bin, meinen Grießbrei zum Frühstück bekomme und der Teebeutel nicht gleich weggeräumt wird. Aber das ist harmlos. 

Ein internationaler Durchbruch à la Christoph Waltz interessiert Sie also gar nicht? Es gibt niemanden, den das nicht interessiert. Aber Waltz ist ein unfassbares Sprachentalent. Ich glaube, er spricht fünf Sprachen fließend. Da ich keine zweite Sprache wie meine Muttersprache spreche, werde ich international nie darüber hinauskommen, einen Österreicher zu spielen, der sich für kurze Zeit im Ausland aufhält. Man hat mir durchaus Castings für internationale Produktionen angeboten. Viele habe ich abgelehnt, eben weil das nicht mein Feld ist.

Ist denn Theater Ihr Feld? Ich habe mit Theater begonnen. Als dann Stefan Ruzowitzky mit „Tempo“ kam, habe ich festgestellt, was Kino kann und Theater verloren. Und ich muss auch sagen, je länger ich weg bin: Dieses Kasperltheater und dieses Sich-selbst-wichtig-Nehmen des Theaters als Hochkultur, das ist nicht meins. Ich kann es nicht ernst nehmen. Das kulturell Relevanteste für die jungen Menschen sind YouTube-Videos. Seit 15, 20 Jahren ist in Österreich am Theater nichts passiert, was irgendwen schockiert hat. Es ist verstaubt und nimmt sich wichtig. Damit habe ich Schwierigkeiten.

“Mit Salzburg betrete ich die Hölle, und was ist besser in der Hölle als den Teufel zu spielen?”
— Simon Schwarz

Das ist natürlich in Salzburg nochmal zur Potenz so. Genau, ich gehe jetzt in die Hölle hinein. Und was ist besser in der Hölle als den Teufel zu spielen? Insofern finde ich, dass ich da schon gut hineinpasse. Der „Jedermann“ wird neu inszeniert, und für diesen Regisseur und seinen musikalischen Leiter ist das kein verstaubtes Thema. Für die als Engländer zählt der Mystery-Gedanke, denn das hat etwas Mysteriöses: Salzburg, „Jedermann“, Max Reinhardt, der Domplatz, diese Kirche, diese alten Gebäude.

Wie kam das Engagement zustande? Ich wurde gefragt und habe mir wahnsinnig viel Zeit gelassen. Dass die so lange gewartet haben, finde ich erstaunlich. Erst habe ich zur Agentur gesagt: „Ich probe doch nicht zwei Monate, da kann ich ja nicht drehen. Sag ab!“ Dann habe ich nachgedacht: Ich habe ehrlich gesagt die letzten zehn Jahre mehr oder weniger das Gleiche gemacht und mich nicht viel verändert. Aber durchaus gezeigt, dass ich was kann. Da darf ich mich doch mal hinstellen und sagen: Jetzt probier ich was. Ich kann mit der Figur des Teufels wahnsinnig viel anfangen. Ich kann von mir behaupten, dass ich gläubig bin: Ich glaube – ich hoffe, dass es irgendetwas gibt. Und ich weiß, dass mich eine Figur wie der Teufel, egal wie man sie nennt, in meinen Entscheidungen beeinflusst. Also rief ich die Agentur an: „Hast du schon abgesagt?“ – „Nein, nein, hab ich eh nicht.“ Nach ein paar Wochen habe ich mich entschieden, und am nächsten Tag wurde es gleich an die Presse gegeben. Da wurde mir erst bewusst, was das bedeutet. Dass das in der Zeitung berichtet wird, bevor ich überhaupt spiele! Das ist ein Weg, der mir fremd ist.

Was sind Ihre Erwartungen an das völlig andere Arbeiten? Ich hoffe natürlich schon, dass man viel ausprobieren darf. Proben waren immer, was ich am Theater am meisten geliebt habe. Diese finanziellen Möglichkeiten sind auch etwas Neues für mich. Da ist nicht mehr die Frage: Müssen wir die billige Hose nehmen, obwohl sie ein bisschen einen anderen Farbton hat?

Kurios, Ihr budgetstärkstes Projekt ist eine Theaterinszenierung. Eigentlich ist es tragisch. Wenn der österreichische Film die Autoindustrie wäre, dann wären wir eine Autonation. Die Politik würde sich überschlagen. Wir müssen mehr investieren, wir müssen die Abwrackprämie machen. Aber so passiert nichts, außer, dass die Politiker sagen: „Wir holen eh internationale Preise.“ Mein einziger Wunsch, was Berufliches angeht, ist, dass wir den Film im deutschen Sprachraum so hinbekommen wie in Frankreich: Die haben Thriller, Drama, Komödie, Hardcore-Arthouse: das gesamte Programm, mit Liebe und Freude. Es wäre mir ein großes Anliegen, für ein breites Publikum deutschsprachige Filme zu machen. Die WIENER-Leser sollen in Zukunft bitte nicht nur dem österreichischen Film eine Chance geben, der auf einem Festival gewinnt und in den Medien präsent ist, weil irgendwer Bekannter mitspielt, sondern bitte auch dem österreichischen Film, der einfach so startet.


BIOGRAFISCHES

LEBEN UND WERK. Trennen von Rolle und Privat fällt ihm, der immer das echte Gefühl im Spiel sucht, schwer: Der Wiener Simon Schwarz studierte Schauspiel in Berlin, wo er jetzt wieder lebt. Nach einigen Engagements kehrte er dem Theater den Rücken. Im Austro-Kino und -TV ist er allgegenwärtig: in Ruzowitzkys Arbeiten, als Sidekick vom Brenner, in „Nordwand“, „Braunschlag“, „Aufschneider“ oder zuletzt als slicker Jungpolitiker, den die Vergangenheit „Am Ende des Tages“ einholt. Schwarz ist 42 und hat zwei Kinder.

FILMISCHES – „ZWEISITZRAKETE“ VON HANS HOFER

HERZIG. Der Südtiroler Regiedebütant Hofer hat ein romantisches Märchen auf den Spuren von Wes Anderson gedreht: Manuel liebt seine beste Freundin Mia. Kumpel Detlev und die Männer aus seiner Therapiegruppe suchen mit ihm nach originellen Eroberungsmethoden. Ab 1. März im Kino. www.zweisitzrakete.at

In Autor Tags WIENER, Interview

ALLEINER GEHT NICHT – Interview mit Reinhold Messner im WIENER 372

August 23, 2012 Martin Pesl
© WIENER / Lukas Beck

© WIENER / Lukas Beck

ALLEINER GEHT NICHT

Wir dachten, wir wissen schon alles über Reinhold Messner? Nein, sagt eine fetzige neue Kinodoku über das unwahrscheinliche Leben des Abenteurers. Mit dem WIENER kam er zum Gipfeltreffen zusammen

Manchen gilt er als besserwisserisch und eitel. Wenn er aber lächelt, weil ihn ein Gedankengang begeistert, dann legen sich die Augen des 68-jährigen Südtirolers in Schmunzelfalten wie die des liebevollsten Opas. Die Begegnung mit Reinhold Messner und die neue Dokumentation von Andreas Nickel über ihn zeigen: Man muss ihm einfach nur lassen, was seine Sache ist. So wie der Stein des Sisyphos, der den Film philosophisch umrahmt: „And I keep rolling up that stone“, heißt es im eigens geschriebenen Titelsong.

Herr Messner, sind Sie wirklich ein Sisyphos? Ich bin Existenzialist. Und Camus hat den Sisyphos ja uminterpretiert. Ich habe in mein großes Museum in Sigmundskron einen zwei Tonnen schweren Stein einfliegen lassen, das ist sozusagen der Stein des Sisyphos. Die Sisyphos-Geschichte ist eine Berggeschichte. Wir gehen Tausende Male auf diese Berge und wieder runter. Im Grunde völlig unnütz. Sisyphos ist bei Camus zwar ein glücklicher Mensch, aber im Gegensatz zu Ihnen hat er sich das Bergsteigen nicht ausgesucht. Die Götter haben ihm diesen Zwang auferlegt. Aber er befreit sich von der Strafe, indem er den Stein zu seiner Sache macht. Und das ist es. Wir haben uns das Leben auch nicht ausgesucht. Wir werden hineingeworfen, nach sehr engen Rahmenbedingungen. Es ist unsere Sache, dieses Leben in unsere Hand zu nehmen und selbstbestimmt zu führen. Das ist für mich die Aussage von Camus’ Sisyphos. Und ich muss vor niemanden rechtfertigen, warum ich da hinaufsteige und wieder runtergehe, hinaufsteige und runtergehe.

Dadurch unterscheiden Sie sich von dem, was Sie die „Edelweißbergsteiger und Gamsbartträger“ nennen. Es gibt immer noch diese Haltung. In meiner Jugend waren die Alpenvereinsmitglieder selbsternannte Idealisten. Die waren mit einer „besseren“ Moral ausgestattet als andere. Ich wollte mit diesem Pseudoidealismus nichts zu tun haben, mit der braunen Suppe schon gar nicht. Der Berg hat nichts mit Nationalismus zu tun, im Gegenteil. Da oben kommen Leute zusammen, die die gleiche Begeisterung teilen. Die Berge als Symbol zu nutzen, dass der Mensch zum Sieg bestimmt ist, das war mir so zuwider, dass ich dagegen angeredet habe. Nicht ungestraft: Ich wurde in alle Höllen verdammt. Seit damals gibt es diesen polarisierenden Messner. Weil es eine große Gruppe gab, die sagte, das ist kein richtiges Bergsteigen, denn richtiges Bergsteigen ist Berg heil! am Einstieg, Berg heil! am Gipfel und der Gamsbart, wenn man ins Vereinslokal kommt. Und wenn man so gut ist, dass man als Erster wo raufsteigt, dann pflanzt man dort die nationale Flagge.

“Ich bin sehr skeptisch gegenüber Idealismus. Das ist eine vorgeschobene Lebenshaltung, die nicht der Realität entspricht.”

Worin besteht denn Ihr Idealismus? Ich bin generell sehr skeptisch, was Idealismus anbelangt. Ich halte das für eine vorgeschobene Lebenshaltung, die nicht der Realität entspricht. Wir Menschen sind genetisch mit dem Selbsterhaltungstrieb ausgestattet. Bereits die Nation ist eine Fehlkonstruktion. Idealismus ist vielfach nur vorgetäuscht. Nichts dagegen, wenn jemand mehr für andere tut als für sich selber. Aber ich würde mich freuen, wenn er das aus Egoismus tut, weil es ihm guttut. Wenn es mir guttut, eine Stiftung für Bergvölker zu gründen, tue ich das. Aber ich laufe nicht herum und sage, ich bin ein Idealist.

Sie sagen, dass bestiegene Berge für Sie banal werden. Wann setzt die Banalisierung ein? Ich muss auf jeden Fall noch zurückkommen: Das Absteigen ist anstrengend und immer noch mit Gefahren behaftet. Was sich ein Laie unter der Gipfelklimax vorstellt, das findet nachher statt, und das ist so ein Wiedergeborensein-Gefühl. Damit beginnt bereits auch die Banalisierung. In meinem Erinnern ist der Berg dann nicht mehr das, was er vorher war.

Was können Sie sich noch vorstellen zu machen, wo alle sagen, das schafft er nie? In dieser Sparte habe ich keine Chance mehr. Wenn ich mir einbilden würde, ich könne noch so gut klettern, wie heute die besten Kletterer der Welt, dann würden alle sagen: Du bist krank. Ich konnte zwischen 22 und 25 wirklich gut klettern. Nachher war ich nicht mehr in der Lage, weil meine Füße erfroren waren. Da habe ich etwas völlig Neues gemacht: das Höhenbergsteigen. Zwischen 25 und 40 habe ich alle Achttausender bestiegen und viele Pioniertaten versucht, und einige sind mir auch gelungen. Alles Dinge, wo man gesagt hat: Unmöglich, entweder kommt er um, oder es gelingt nicht. Und dann war die Banalisierung perfekt. Es war keine Aufregung mehr, die Seesäcke zu packen und zum nächsten Achttausender zu fahren. Da entschied ich: Jetzt lasse ich das, ich kann nicht mehr höher, ich kann nicht mehr alleiner. Also habe ich in der Horizontale alle möglichen Problemstellungen gefunden, die Gobi und die Antarktis durchquert. Das war im Grunde so schwierig nicht, aber nach 1912, nach dem Tod von Scott hatten die Leute diese Spielmöglichkeit einfach vergessen. Als ich dann wieder verunglückte und mir das Fersenbein zertrümmerte, erkannte ich: Es ist besser, du machst jetzt was Vernünftiges, sonst kommst du um.

Womit verbringen Sie jetzt hauptsächlich Ihre Zeit? In den letzten zehn Jahren mit meinem Museum. Das hat mir gleich viele Emotionen und auch Herausforderungen verschafft wie eine Expedition zum Everest. Sich das auszudenken, die richtigen Leute zu finden, die Finanzierung auf die Beine zu stellen...

Was schreiben Sie in einem Formular unter „Beruf“? Heute schreibe ich Bergbauer. Ich bin im Moment mehr Bergbauer als Bergsteiger. Ich mache genaue Beobachtungen, wie die Bergbauern seit Tausenden von Jahren in den Alpen überleben, aber auch im Himalaya und in den Anden.

Wie finden Sie Andreas Nickels Film? Ihm ist es gelungen, ein recht gutes Psychogramm zu liefern, indem er die richtigen Leute befragt hat. Alles kommt erzählerisch daher und wirkt daher nicht schwer. Einiges ist sehr emotional für mich: Die Bilder vom Nanga Parbat sind echt. Die waren verschollen, ich wusste nicht, dass es sie gibt. Auch wie das gedreht wurde, weiß ich nicht. Es war höllisch kalt und ein fürchterlicher Sturm. Da sieht man wirklich, was es heißt, in dieser Höhe überhaupt am Leben zu bleiben. Wenn ich aber nur die Riegler-Brüder sehe, die den Messner Günther und den Messner Reinhold spielen, das ist für mich keine Aufregung.

Apropos Messner Günther: Wenn Ihr Bruder 1970 am Nanga Parbat überlebt hätte, wären Sie dann weniger zum Einzelgänger geworden? Das kam nicht mit dieser Expedition, sondern mit der nächsten, wo wieder ein Unfall passiert ist. Da sagte ich: Ich glaube, ich kann das auch allein. Ich brauchte dann relativ lange, bis ich es auch allein konnte. Insgesamt bin ich aber mehr ein Gemeinschaftsplayer in ganz kleinen Gruppen. Ich habe nur in jeder Sparte auch versucht zu schauen: Kann ich das allein?

Alle Ihre Brüder sind Professoren und Doktoren. Sie sind dafür weltberühmt. Gibt es da einen wechselseitigen Neid? Es gab vielleicht ein Gefühl der Ungerechtigkeit: Der Freak, der kein Akademiker wurde, ist mit seinen Spinnereien relativ erfolgreich geworden. Aber mit zunehmendem Erfolg der einzelnen Brüder gibt es ein gutes Großfamiliendasein. Die Mutter hat auf dem Totenbett gesagt: Ich wünsche mir, dass ihr euch mindestens ein Mal im Jahr alle – da darf keiner fehlen – trefft. Erst kürzlich beim runden Geburtstag meiner Frau.

Wie müsste ich eine Frage zum Yeti formulieren, sodass Sie Ihnen nicht auf die Nerven geht? Indem Sie gleich zeigen, dass Sie die Grundvoraussetzungen verstanden haben: Der Yeti ist eindeutig eine Legendenfigur, die nur in der Fantasie von Menschen vorkommt. Vor 130 Jahren hat ein Journalist diese Figur nach Europa gebracht, die Geschichte nicht verstanden, den Namen erfunden. So entstand diese Vorstellung eines Neandertalers zwischen Affe und Mensch. In Wirklichkeit ist eindeutig nachgewiesen, dass die Legende vom Yeti eine zoologische Entsprechung hat, den Schneebär oder Tibetbär. Da gibt es keinen Zweifel.

Wie konnte es passieren, dass damals die Idee entstanden ist, Sie hätten ein Fabelwesen gesehen? Weil die Leute alle an einen realen Affenmenschen gedacht haben. Sie haben erwartet, dass ich ihre verfälschte Vorstellung vom Yeti auf die Bühne hebe. Obwohl ich gesagt habe: Nein, nein, ihr habt alle ein falsches Bild im Kopf, wollten sie „ihren“ Yeti bewiesen haben. Die Menschen glauben lieber an das Undenkbare, an das völlig Irre, als an die Realität. Dazu passt die Frechheit, in der christlichen Kirche Gott darzustellen, oben am großen Gewölbe! Die Muslime sind wenigstens so intelligent und haben verboten, Allah abzubilden. Wir haben gar kein Instrument, das Göttliche zu erkennen, damit zu malen, zu denken. Sonst wären wir selber göttlich.


BIOGRAFISCHES

LEBEN. 1944 in Brixen geboren, wuchs Messner unter der Fuchtel eines strengen Vaters und inmitten von acht Geschwistern auf. Schon in seiner Jugend eckte er durch Eigensinn an, die Berge lockten und lehrten ihn mehr als die Schulbank. 1970 verlor er seinen Bruder Günther bei einer gemeinsamen Nanga-Parbat-Expedition. Seine erfrischende Sicht auf das Bergsteigen und seine starke mediale Präsenz brachten ihm in Bergsteigerkreisen viel Kritik ein. Reinhold Messner ist in zweiter Ehe verheiratet, er hat insgesamt vier Kinder. 2004 war er kurzfristig politisch aktiv und trat für die italienischen Grünen zur Wahl an.

WERK. Messners Bedeutung für das Bergsteigen ist unermesslich. Er war zusammen mit Peter Habeler der Erste, der den Mount Everest ohne Sauerstoffflaschen bestieg, der Erste, der auf alle vierzehn Achttausender kletterte, de Erste, der den Nanga Parbat im Alleingang bestieg. Er lüftete das Geheimnis um den nepalesischen Yeti, betreibt jetzt ein Museum in Sigmundskron und eine Stiftung zur Erhaltung von Bergvölkern.

www.reinhold-messner.de

MESSNER – ANDREAS NICKELS SPEKTAKULÄRE MESSNER-BIOGRAFIE

DER FILM. Der Yeti kommt kein einziges Mal vor in Andreas Nickels halbdokumentarischem Porträt. Dafür drei Brüder mit Doktorentiteln, Bergsteigerkollegen, der friedlich lächelnde Protagonist selbst – und Schauspieler! Vor allem Szenen der messnerschen Jugend in Südtirol und im Zusammenhang mit der Nanga-Parbat-Expedition 1970, bei der Bruder Günther ums Leben kam, wurden nachgespielt. Schade, oft etwas peinlich berührende Dopplung der ohnehin sehr plastisch geschilderten Vergangenheit wäre nicht nötig gewesen. So ein Messner-Leben ist doch spannend genug!

Mit großem technischen Aufwand bringt uns Nickel in schwindelnde Höhen, holt uns mit grafisch veranschaulichten Fakten aber auch auf den Boden zurück. Dramatische Musik und akrobatische Kameramanöver lassen glauben, in einem Actionreißer zu sitzen, dafür ist die Dramaturgie eher die eines TV-Beitrags.

FAZIT. Sehr unterhaltsame Doku über eine außergewöhnliche Persönlichkeit – über die Reenactment-Szenen darf man getrost hinwegkraxeln. Wegen der Bergbilder unbedingt im Kino anschauen!

In Autor Tags WIENER, Interview

UNENDLICHER SPASS – Blitz-Bildung zum Roman von David Foster Wallace im WIENER 365

February 22, 2012 Martin Pesl
(c) Rowohlt

(c) Rowohlt

David Foster Wallace

Unendlicher Spaß

Deutsch von Ulrich Blumenbach

Der WIENER liest für Sie Klassiker der Weltliteratur. Diesmal: Ganz großes Tennis! Ein unbarmherziges Meisterwerk, das seinem Titel alle Ehre macht

“Die Stimme vom anderen Ende der Telefonleitung war nah, straff komprimiert und konzentriert ... auch wenn die eigene Aufmerksamkeit das nicht war, der Casus Knacksus des Ganzen. Diese bilaterale Illusion unilateraler Aufmerksamkeit des Sprechers war, von emotionaler Warte aus betrachtet, geradezu infantil beruhigend: Man durfte glauben, in den Genuss der ungeteilten Aufmerksamkeit eines Menschen zu kommen, ohne sie erwidern zu müssen. (...) Das Videotelefonieren ließ diese Fantasie kollabieren.”

So jung, und schon ein Klassiker: Erst 2009 erschien die deutsche Ausgabe des wahrscheinlich bedeutendsten US-Romans der Neunzigerjahre. Oder des Jahrhunderts. Sechs Jahre lang saß der Übersetzer Ulrich Blumenbach an den 1500 Seiten „Infinite Jest“ von David Foster Wallace, kämpfte sich durch hybride Wortkreationen, Beschreibungen bewusstseinsverändernder Substanzen und frankokanadisches Englisch – für heiße 3 Euro die Stunde. So viel Kult war wohl unbezahlbar.

„Unendlicher Spaß“ spielt in einer Zukunft, in der die Anfang der Neunziger noch üblichen Videokassetten durch Filmpatronen ersetzt wurden und die Kalenderjahre nicht mehr Nummern, sondern den Namen eines Sponsors tragen, was das Steueraufkommen erhöht (z.B. Jahr der mäuschenstillen Maytag-Spülmaschine). Den Titel „Unendlicher Spaß“ trägt innerhalb des Romans der letzte, als verschollen geltende Film eines gewissen James O. Incandenza, der, bevor er seinen Kopf in die Mikrowelle steckend Selbstmord beging, 1. Gründer einer Elitetennisschule, 2. revolutionärer Filmemacher, 3. Vater dreier Söhne war. Deren jüngster, Hal, besucht nun besagte Tennisakademie und bewältigt, körperlich wie geistig hochbegabt, seine vererbte Unfähigkeit zu Emotionen durch Kiffen, um dann auf kreativem Wege die verpflichtenden Urinproben zu fälschen.

Das Heikle an „Unendlicher Spaß“ (dem Film) ist, dass er zwar ein unkonventionelles Avantgarde-Kunstprodukt, aber so unterhaltsam ist, dass er den Zuseher vom Essen und Trinken abhält und dauerhaft lahmlegt. Daher begehrt auch eine kanadische Terroristenvereinigung die Masterkopie, um sie als Waffe einzusetzen.

Diese Definition ist haarscharf daran, auch für „Unendlicher Spaß“ (das Buch) zu gelten. Am 21. 2. 2012 würde D. F. Wallace 50, hätte er sich nicht im Herbst 2008 erhängt, Folge schwerer Depressionen eines genialischen Erzählers. Liest man sein Buch, wird tragisch verständlich, wie ein so voller, kluger, prophetischer Kopf irgendwann platzen musste.

 

VERSUCH EINES ÜBERBLICKS

Die Jagd nach dem „Unendlichen Spaß“ führt Figuren aus drei Einrichtungen zusammen.

Enfield Tennis Academy

Da ist mal die Familie Incandenza: Vater James, verstorben, unnahbarer Filmemacher, Gründer der E.T.A. Mutter Avril, zwänglich pedantisch, Frankokanadierin, wunderschön und in der Verwaltung der E.T.A. tätig. Sohn Orin, Frauenheld, einst Tennisstar, doch jetzt zum Football übergegangen. Sohn Mario, behindert und entstellt, tritt filmtechnisch in die väterlichen Fußstapfen, dreht E.T.A.-Dokus. Sohn Hal, eigentliche Hauptfigur des Romans: Kann das Lexikon der englischen Sprache auswendig, ist in der E.T.A.-Rangliste aber nur 2. hinter John „Nicht Verwandt“ Wayne, der mit Avril eine Affäre hat, die wiederum mit ihrem Halbbruder Charles Tavis eine Affäre hat, der die Schule mittlerweile leitet. Schulkollegen von Hal haben schmucke Namen wie Jim Troeltsch und Ortho „der Schatten“ Stice. Übrigens war Wallace selbst lange im Profitennisgeschäft.

Ennet House Drug and Alcohol Recovery House

(Redundanz? Absicht!) Gleich um die Ecke von der E.T.A. in Boston steht die Abteilung der Anonymen Alkoholiker bzw. Rauschgiftabhängigen. Hier lebt und arbeitet die zweite Hauptfigur, Don Gately, der unbewusst Dreh- und Angelpunkt der Suche nach der Masterkopie ist. Frisch eingeliefert wird Joelle Van Dyne, Ex-Verlobte von Orin und Darstellerin im ominösen Unterhaltungsfilm seines Vaters. Sie ist verschleiert, vielleicht wegen eines entstellten Gesichts, oder weil sie so schön ist, dass jeder sich automatisch in ihren Anblick verlieben würde.

Assassins des Fauteuils Rollents

Die Mörder in Rollstühlen sind eine Terroristenvereinigung auf der Suche nach der Masterkopie. Ihr Ziel: Abspaltung des französischsprachigen Québec von Kanada. Wichtigstes Mitglied: Rémy Marathe, ein Vierfachagent, der (um die Behandlung seiner ohne Schädel geborenen Frau zu finanzieren) mit dem Geheimdienst zusammenarbeitet, während die AFR denken, dass er nur vorgibt, das zu tun. Seine Kontaktperson, der Agent Hugh Steeply, verkleidet sich zu Recherchezwecken als Journalistin und macht sich so an den dauergamsigen Orin Incandenza heran... Unendlich kompliziert, unendlich spaßig.

 

UND ÜBRIGENS...

Die skurrilsten der 388 Anmerkungen im Anhang zu „Unendlicher Spaß“:

“2. Orin hat seinen Schatten notabene nie auf die Praxistür eines professionellen Psychotherapeuten fallen lassen, seine Reaktionen auf seine Träume sind von daher a priori immer ziemlich oberflächlich.”
— Seite 1411
“128. Wertvollster Lobber.”
— Seite 1469
“182. Auch bekannt als ,Kotzen’.”
— Seite 1479
“210. Hal und Mario mussten schon lange akzeptierena, dass Avril mit über fünfzig bei Männern immer noch endokrinologische Reflexe auslöst. a. Wobei ,akzeptieren’ selbstredend nicht mit ,begeistert sein von’ verwechselt werden darf.”
— Seite 1483
“216. Keine Ahnung.”
— Seite 1484

 

In Autor Tags Buch, Blumenbach, Wallace, Roman

DER SCHIMMELNDE PFENNIG – Szenische Lesung in der Kulturdrogerie in Wien

December 15, 2010 Martin Pesl
© Deutsche Bundesbank

© Deutsche Bundesbank

Auftraggeberin

STUTHE.Studierende-Theater

Auftrag

Dramatischer Text

Projektinfo

Eine Frau findet einen schimmelnden Pfennig auf der Straße und hebt ihn auf.

Während die Frau mit dem Pfennig in der Hand in Gedanken versunken weiter geht und dabei von einer anderen Frau verfolgt wird, macht sich ein Autor zu seiner Preisverleihung ins Theater auf. Hierzu addiere man noch einen einbeinigen Kioskverkäufer und einen rosa Flamingo auf einem Plakat bei dem Kiosk, hinter dem sich die andere Frau versteckt.

Die Personen denken, während sie gehen; sie sprechen sich an, wenn sie einander treffen. Dann verlieren sie sich wieder, allein weiter grübelnd und verstecken sich hinter mit Flamingos bemalten Säulen.

„Der schimmelnde Pfennig“ wurde im Dezember 2010 in einer Inszenierung von Barbara Schenter erstmals aufgeführt. 

Weitere Informationen…

In Autor Tags Theater, Dramatik, Stuthe
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