Nicht nur Filme und Romane sind ohne skrupellose Schurken undenkbar. Dass sie auch in der Realität tragende Rollen spielen, macht das Leben besser, sagt unser Autor
„Die Psychopathen sind unter uns“: Der britische Autor und Journalist Jon Ronson kommt im Zuge seiner grandios unseriösen Reise durch die Wahnsinnsindustrie unter anderem zu dem Schluss, dass Soziopathen die erfolgreicheren Führungskräfte sind, weil sie skrupelloser alle feuern, die nicht zur Gewinnmaximierung beitragen. Soziopathen! Oder auch Psychopathen. Wie Hannibal Lecter aus „Das Schweigen der Lämmer“. Menschen, denen das Wohl anderer vollkommen gleichgültig ist, weil sie gar nicht in der Lage sind, mit ihnen mitzufühlen.
Also stellt der Autor – und mit ihm manch ein Leser – einige der Kriterien fürs kalte Soziopathentum auch bei sich selbst fest. Das ist es, ich bin notorisch gefühllos, ruft er aus, das beantwortet einige Ungereimtheiten meines Lebens. Ich bin rein organisch bedingt ein unfreiwilliges Arschloch. Es ist besorgniserregend, aber auch irgendwie geil. Und dann trifft sich Jon Ronson mit einer Psychologin. Die kennt sich auf dem Gebiet aus und lässt uns ausrichten: „Wenn Sie befürchten, Sie könnten ein Psychopath sein, dann heißt schon allein das, dass Sie keiner sind.“ Und an dieser Stelle werden viele (männliche) Leser das Buch so erleichtert wie enttäuscht zugeklappt haben.
Das Böse fasziniert uns, keine Frage. Wenn wir Filme sehen oder Romane lesen, finden wir die Antagonisten fast immer am spannendsten, wünschen ihnen manchmal sogar den Sieg über die tranigen Hauptfiguren: je wertunangepasster, desto prickelnder. In meinem Lexikon „Das Buch der Schurken. Die 100 genialsten Bösewichte der Weltliteratur“ habe ich von Moriarty bis Dr. Moreau, von Captain Hook bis Fräulein Knüppelkuh genau einhundert fiktive Exemplare auf ihren Fun-Faktor analysiert. Sie sind fiktiv, das beruhigt, das macht die ganze Böswilligkeit zum Cashgame, aus dem man jederzeit aussteigen kann.
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