Erinnya – Claudia Bossard bringt Clemens Setz' neues Stück am Schauspielhaus Graz zur Uraufführung
Graz, 15. November 2018. Ist Clemens J. Setz zu beneiden oder zu bemitleiden? Dem Grazer Schriftsteller und bekennenden Synästhetiker (*1982) muss permanent der Kopf schwirren. Das sieht man an seinen Werken wie "Die Frequenzen" und "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre", die voll sind mit Denkverbindungen, die Normalsterblichen nicht einfallen. Es geht aber auch aus seinem Twitter-Feed hervor, der bisweilen selbst literarische Qualitäten hat.
Oft ist man wohlig überfordert von Setz’ hingeworfenen Assoziationen. "Ein schönes Bild", sagt man dann anerkennend bis angestrengt, so wie Tina immer wieder zu ihrem Lebensgefährten Matthias. Oder: "What the fuck?" In Setz’ neuem Theaterstück "Erinnya", einer Auftragsarbeit fürs Schauspielhaus Graz, trägt Matthias einen Knopf im Ohr, der ihn mit dem titelgebenden Programm verbindet. Die Erinnya berechnet für ihn, was er als Nächstes sagt. Nach einer schweren Depression soll das System ihn wieder lebensfähig machen. Die digital eingeflüsterten Antworten sind aber nicht artig konventionell, vielmehr offenbaren sie blühende Fantasie. "Wenn du einem Vogel-Strauß den Hals durchzippst. Vielleicht rennt er durch einen feinen Draht. Weißt du ja nicht." Was den Besuch bei den Schwiegereltern schwierig gestaltet.
Natürlich fällt einem sofort Setz’ letztes Buch ein: "Bot. Gespräch ohne Autor" ist eine Sammlung von Interviews, die eine Journalistin nicht mit Setz, sondern mit seinem Corpus an Notizen, Tagebüchern und Tweets geführt hat. Die Antworten wählte ein Bot aus. Die Obsession des Autors für Technikfolgenabschätzung, soziale Medien und künstliche Intelligenz ist also offenkundig, und in seiner Lesefassung ist "Erinnya" pure Science-Fiction.